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Nóra Radó
Die künstliche Intelligenz ist in allen Lebensbereichen angekommen

Mesterséges Intelligencia - Magyarország
Grafika: Elekes Réka © Goethe-Institut Budapest

Wussten Sie, dass ein smarter Algorithmus von PlantCT die Weingärten von Pannonhalma vor Krankheiten schützt? Oder, dass bei AIMotive in Budapest ca. 150 Ingenieurinnen und Ingenieure kontinuierlich an der Zukunft selbstfahrender Autos arbeiten? Und dass mithilfe eines digitalen Programms zur Gesundheitsförderung in Ungarn bereits mehr als 25.000 Menschen mit der Smart-App Fitpuli ihre Schlafqualität, Stimmung, Trainingsgewohnheiten, Ernährung und ihren Stresslevel im Blick behalten, um schließlich anhand ihrer Daten personalisierte Tipps zu erhalten? Auf künstlicher Intelligenz basierende Technologien haben sich auch in Ungarn etabliert – und werden sich in Zukunft wohl noch weiter ausbreiten.

Die Begriffe der künstlichen Intelligenz


Obwohl viele beim Begriff „künstliche Intelligenz” (KI) immer noch an in ferner Zukunft spielende Science-Fiction denken, finden sich bestimmte angewandte Technologien der KI – in erster Linie Algorithmen im Bereich der schwachen künstlichen Intelligenz (narrow artificial intelligence – ANI) – bereits überall, vom angesagtesten Hipster-Café in Budapest bis hin zum entlegensten kleinen Dorf auf dem Land. Um das perfekte Selfie zu erhalten, stellen Smartphone-Kameras mithilfe eines auf die Lichtverhältnisse in der Umgebung reagierenden Algorithmus die optimale Belichtung ein; Facebook schlägt dem Nutzer im Newsfeed anhand von Datenanalysestrategien und smarten Algorithmen als relevant erachtete Anzeigen vor.

Dies sind alles Erscheinungsformen der künstlichen Intelligenz, welche in Ungarn bereits allerorts zugänglich sind, wobei anzumerken ist, dass der Löwenanteil dieser Technologien nicht in Ungarn entwickelt wird. Selbstverständlich haben diese nichts mit der Sci-Fi-Roboterintelligenz zu tun, wie zum Beispiel dem Supercomputer HAL 9000 im Klassiker 2001: Odyssee im Weltraum. Forscher differenzieren drei Ebenen der sich auf Basis des maschinellen Lernens weiterentwickelnden KI: die verbreitetste und auch in Ungarn vorkommende schwache künstliche Intelligenz, die auf dem Niveau des menschlichen Denkens funktionierende allgemeine künstliche Intelligenz (AGI) und die die Intelligenz des Menschen übersteigende künstliche Superintelligenz (ASI). Die letzten beiden Ebenen finden sich bisher tatsächlich nur in Sci-Fi-Narrativen wieder und die Anwendung von ANI-Algorithmen und deren Entwicklung in kleinen Clustern hat auch in Ungarn gerade erst begonnen.

Ungarn auf der internationalen KI-Landkarte


Das globale Bild zeigt, dass die KI trotz des unaufhaltsamen technologischen Fortschritts und der weltweit auftauchenden, smarte Algorithmen entwickelnden Startups ein Rennen mit nur zwei Pferden ist. Diese Beobachtung bestätigte 2017 der Direktor des globalen Analyseunternehmens Gartner, Anthony Mullen. Er verwies darauf, dass auf dem globalen Markt der KI-Entwicklung in Wirklichkeit nur zwei Akteure ernst zu nehmen sind, nämlich die USA und China. Auch Amy Webb, Professorin für Zukunftsforschung und strategische Vorausschau an der Universität New York, erklärte im Januar letzten Jahres auf der Weltkonferenz in Davos: Die Zukunft von KI konzentriert sich in den Händen von lediglich neun Unternehmen – davon sechs amerikanische (die als Muttergesellschaft von Google geltende Firma Alphabet, weiterhin Amazon, Apple, Facebook, IBM und Microsoft) und drei chinesische (Alibaba, Baidu und Tencent). Neben diesen Riesenfirmen ist es für andere schwierig, auch nur irgendwie mitzumischen.

In dem im Januar 2018 veröffentlichten Bericht der Europäischen Kommission wurde eingeräumt, dass die Europäische Union bei der KI-Entwicklung deutlich von den zwei Supermächten abgehängt wurde. Wesentliche Schritte seien nun in den Bereichen Strategiekonzeption, Investitionssteigerung und regulative Fragen im Hinblick auf künstliche Intelligenz notwendig. Auf den ernüchternden Bericht folgten zahlreiche zukunftsweisende Schritte. Die Europäische Kommission versprach, mithilfe des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation Horizont 2020 die Investitionen in KI pro Jahr um 70 Prozent zu erhöhen. Zwischen 2018 und 2020 umfassten diese 1,5 Milliarden Euro.

Darüber hinaus rief die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten auf, bis Mitte 2019 eine eigene KI-Strategie zu entwerfen. Diese Leitlinie zeigt laut der mehr als 250 Fachorganisationen umfassenden Hungarian Artificial Intelligence Coalition (AI Coalition) Unterschiede in der Akzentsetzung zwischen den verschiedenen Auffassungen in Bezug auf KI: Während die USA und China entwickeln, reguliert Europa eher. Denn der europäische Kontinent will, nachdem die Datenschutzgrundverordnung (GDPR) erlassen worden ist, nun den, unter anderem ethischen Rahmen der KI eindeutig abstecken. Die USA und China hingegen messen diesem Aspekt weniger Bedeutung bei.

Ungarn folgt der europäischen Leitlinie, wobei das Land seine Strategie – entgegen der Empfehlung der Europäischen Kommission – mit einem Jahr Verspätung erst im September 2020 präsentierte. Die Strategie wurde unter Mitwirkung der AI Coalition ausgearbeitet. Obwohl Ungarn laut des Fachexperten der Internationalen Fernmeldeunion Dániel Vértesy in der KI-Entwicklung abgehängt wurde, bemüht sich die AI Coalition durch zahlreiche Schritte diesen Rückstand Ungarns aufzuholen. Anhand der unlängst beschlossenen KI-Strategie will die Regierung bis 2030 mithilfe der KI-Technologie das BIP des Landes um 15 Prozent steigern, die Produktion von kleinen und mittleren Unternehmen um 26 Prozent ausweiten und eine Million Arbeitnehmer für neue, eine höhere Wertschöpfung generierende, durch künstliche Intelligenz unterstützte Arbeitsplätze gewinnen.

In Ungarn wird KI bis 2030 eine Million Arbeitsplätze transformieren


Wenn Ungarn Fortschritte im Bereich Innovation machen und nicht abwarten möchte, bis die Transformation durch digitale Technologien das Land unter sich begräbt, ist eine Minimierung dieses Rückstandes ohne Weiteres unerlässlich. Laut einer Analyse des Consulting-Unternehmens McKinsey aus dem Jahr 2018 werden in Ungarn eine Million Arbeitsplätze von der Automatisierung durch smarte Algorithmen, Roboter und andere innovative Technologien betroffen sein. Aus der in Ungarn durchgeführten Eurobarometer-Studie 2017 geht jedoch hervor, dass 38 Prozent der ungarischen Bevölkerung die Automatisierung negativ bewerten, das bedeutet, dass es einer hohen Sensibilisierung der Gesellschaft bedarf, um eine Akzeptanz neuer digitaler Technologien und ein Bewusstsein für deren Nutzen zu erreichen.

Dabei wäre es nicht nur notwendig, dass sowohl die Gesellschaft als auch die freie Wirtschaft auf künstlicher Intelligenz basierende Lösungen in höherem Maße in ihren Alltag integrieren. Es ist zudem wichtig, dass, ähnlich wie andere Länder, auch Ungarn jene Schlüsselbereiche für sich entdeckt, in denen durch Innovation zum technologischen Fortschritt beigetragen werden kann. Laut der umfassenden Studie der Fachorganisation Association of the Digital Economy (IVSZ) wird der Fokus in Finnland eher auf das Gesundheitswesen und die Produktion, in Japan auf die Robotertechnik und in Israel auf die Sicherheitstechnik gelegt. In Ungarn kommt die technologische Entwicklung am ehesten in der Automobilindustrie oder im Bereich der Transformation des Gesundheitswesens zum Tragen. Beispielsweise möchte man auf dem Testgelände Zala Zone in Ungarn geeignete Testbedingungen für elektrische und selbstfahrende Fahrzeuge der Zukunft gewährleisten. Bezüglich Innovationen im Gesundheitswesen sei erwähnt, dass es vier ungarische Teams in das Inkubatorprogramm von EIT Health InnoStars, im Rahmen dessen Entwicklungen im Gesundheitswesen gefördert werden, geschafft haben.

Institutionssystem zur KI-Entwicklung


Im Rahmen der Strategie des Ministeriums für Innovation und Technologie bzw. der im Digital Success Programme tätigen AI Coalition werden zunächst ein Budget von 170 Milliarden Forint für die Schaffung institutioneller Grundlagen und die Abwicklung der im Maßnahmenplan festgelegten Programme bereitgestellt. Diese umfassen auch Trainings, um das Verständnis von KI zu fördern, sowie Programme, um die Gesellschaft zu sensibilisieren. Eines der Ziele ist es, das AI National Laboratory (MILAB) ins Leben zu rufen, welches unter der Koordination des Forschungsinstituts für Informationstechnik und Automatisierung (SZTAKI) realisiert wird und an dessen Arbeit sich 10 Forschungsinstitute beteiligen. Zu den Hauptforschungsgebieten werden die als einer der führenden Bereiche der KI angesehene Sprachverarbeitung, die Biotechnologie, das Internet of Things (IoT) sowie Datenschutz und Internetsicherheit zählen.

Als zweitwichtigsten Pfeiler der KI-Entwicklung in Ungarn sehen die AI Coalition und das Ministerium für Innovation und Technologie auf institutioneller Ebene die AI Innovation Center (MI Innovációs Központ) vor. Die Zentrale bietet den Investoren sowie ungarischen kleinen und mittleren Unternehmen eine Art Versuchsterrain, damit diese die bereits existierenden Innovationen testen können. Ziel ist es unter anderem, die Ängste rund um die Anwendung künstlicher Intelligenz zu nehmen. Als dritten Pfeiler strebt die Regierung die Errichtung der National Data Assets Agency (NAVÜ) an, deren Zweck laut der AI Coalition darin besteht, dass „Unternehmen und andere, an der Verwendung von Daten interessierte Institutionen die nationalen Datentools kennenlernen und die Datenwirtschaft in Ungarn in Gang kommt.”


Quellen:

  1. Forschung, Entwicklung und Innovation, Stand: 25.10.2020
  2. „Artificial Intelligence Coalition”, Digital Success Programme, Stand: 25.10.2020
  3. „Artificial Intelligence”, European Comission, Stand: 25.10.2020
  4. „Die KI-Strategie könnte die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns bis 2030 grundlegend beeinflussen” (HU), Digitális Jólét Program, Stand: 25.10.2020
  5. National strategies on Artificial Intelligence”, European Comission, Stand: 25.10.2020
  6. „USA–China–EU plans for AI: where do we stand?”, European Comission, Stand: 25.10.2020
  7. Fine, David et al., Transforming our jobs: automation in Hungary, McKinsey & Company, 2018, S. 8, Stand: 25.10.2020
  8. Hosokawa, Rintaro und Kawase, Kenji, „Asian tech execs voice hopes and fears for AI in Davos”, Nikkei Asia, Stand: 25.10.2020
  9. Jajal, Tannya D., „Distinguishing between Narrow AI, General AI and Super AI”, Medium, Stand: 25.10.2020
  10. Radó Nóra, „KI lässt sich mit einfachsten Tricks überlisten und das ist ein größeres Problem, als man annehmen würde” (HU), Qubit, Stand: 25.10.2020
  11. Radó Nóra, „Speicheluntersuchung per Handy, smarter Fötusmonitor: Ungarische Gesundheits-Startups entwickeln fürs Ausland” (HU), Qubit, Stand: 25.10.2020
  12. Végh Zsófias Interview mit Jakab Roland, „170 Milliarden Forint für die Nutzung künstlicher Intelligenz in Ungarn” (HU), Növekedés, Stand: 25.10.2020
  13. Vértesy Dániel, „Ungarn und das globale Wettrennen um die KI-Entwicklung”, Köz-Gazdaság 2020/1., 197-202.
  14. Vincent, James, „China and the US are battling to become the world’s first AI superpower”, The Verge, Stand: 25.10.2020

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