Slow Fashion in der ungarischen Modeindustrie
Shoppen und Verantwortung tragen
Wir sind eine Konsumgesellschaft, aber ist nachhaltiger Konsum möglich?
Von Linda Kolodjuk
In der heutigen Zeit bedeutet Mode mehr denn je Schnelllebigkeit. Die Ausbreitung sozialer Medien fördert die Entstehung und die praktisch sofortige Verbreitung von Trends innerhalb von Gemeinschaften und Netzwerken auf der ganzen Welt, weshalb Kleidungsstücke in relativ kurzer Zeit aus der Mode geraten. Verbraucher fühlen sich gezwungen, neue Kleidung zu kaufen, um sich wieder modisch zu fühlen. Um dem wachsenden Bedarf nach den neuesten „It-Pieces“ gerecht zu werden, musste die Textilindustrie sich diesem schnellen Tempo anpassen: Der neue industrielle Trend, das Fast-Fashion-Konzept, verfolgt das Ziel die Produktionszeit zu verkürzen, um so neue Kleidung so schnell wie möglich auf den Markt zu bringen.
Wenn es um die sozialen und ökologischen Aspekte der Modeindustrie geht, sind ihre Auswirkungen enorm. Nicht nur trägt die Produktion von Fast Fashion zu einer Wegwerfkultur bei, der ökologische Fußabdruck der Branche übersteigt das Maß der Nachhaltigkeit bei weitem. Das heutige Modesystem ist in seiner gesamten Wertschöpfungskette mitschuldig an der ökologischen Krise und gefährdet sowohl die Umwelt als auch das menschliche Wohlbefinden. Das Fast-Fashion-Model wird mitunter mit der Ausbeutung von billigen Arbeitskräften, Luftverschmutzung, erschöpften Wasserressourcen und dem Einsatz schädlicher Chemikalien in Verbindung gebracht.
Doch allmählich wird Verantwortung übernommen: Immer mehr Menschen bekommen ein Bewusstsein für die negativen Umweltauswirkungen unseres Konsumverhaltens und fordern, dass Unternehmen ihr Handeln ändern, um den Schaden für die Umwelt zu minimieren. Das Wissen über umweltschädigende Praktiken von großen Modehäusern beeinflusst auch das individuelle Kundenurteil und Kaufverhalten. Als Gegenbewegung zu Fast Fashion hat sich in letzter Zeit der Begriff Slow Fashion etabliert. Dabei geht es um eine Verlangsamung des Konsums durch eine Verlängerung der Nutzungsphase von Kleidung. Das heißt, es handelt sich um eine sozial bewusste Bewegung, die die Denkweise der Verbraucher von Quantität auf Qualität verlagert und die Menschen ermutigt, weniger und dafür oft hochwertige Produkte zu kaufen. Die durchschnittliche Verkaufsaktivität der Bekleidungsindustrie wird immer noch von großen, internationalen und multinationalen Unternehmen. Die ungarischen Verbraucher kaufen hauptsächlich Kleidungsstücke von Fast-Fashion-Marken. Es wurden jedoch mehrere Aktivitäten zur Förderung nachhaltigen Konsums und lokaler Modemarken eingeführt. Slow-Fashion-Marken zu fördern ist eine wichtige Entwicklung auf dem Gebiet des umweltbewussten Shoppings.
Das hat auch das Frauenmagazin GLAMOUR Ungarn erkannt und berichtet auch online unter der Rubrik „Nachhaltigkeit“ über Themen rund um Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit – dabei fällt nicht selten auch der Begriff des Slow Fashion. Wir haben mit Krisztina Maróy, Chef-Redakteurin von GLAMOUR Ungarn, gesprochen und sie nach ihren Gedanken zur Thematik und ihrer Arbeit gefragt:
Krisztina Maróy, Chef-Redakteurin des GLAMOUR Hungary
| Foto: © GLAMOUR Hungary
Sie haben ein eigenes Redaktionsteam zum Thema "Nachhaltigkeit" - welche Ziele verfolgen Sie mit der Berichterstattung über nachhaltige Themen in Bezug auf Ihre Leserinnen?
Wir haben kein eigenes Umweltteam, aber das gesamte Team arbeitet in diesem Sinne. Wir arbeiten mit Organisationen wie Másfélfok und Greenpeace oder Fridays for Future zusammen. Másfélfok ist eine Website, die von Ökologen, Biologen und Wissenschaftlern erstellt wird, und wir helfen ihnen, ihre Artikel, Kommentare, Warnungen und Erklärungen über ökologische Veränderungen so vielen Menschen wie möglich zukommen zu lassen, und wir lernen dabei viel, was uns für die Bearbeitung in unserem Alltag sensibilisiert. Unser Ziel ist es, Ihnen dabei zu helfen, Ihre Denkweise Schritt für Schritt, aber schnell zu ändern. Ich war ein Kind im Sozialismus und dann ein junger Erwachsener mit dem Einzug des Kapitalismus, ich habe eine kritische Einstellung zur Welt und zu mir selbst. Ich denke, es ist sehr wichtig, daran zu glauben, dass es möglich ist, ein ökologisch zufriedeneres und glücklicheres Leben zu führen.
Was halten Sie von der Tatsache, dass Nachhaltigkeit zum Trend geworden ist?
Ich finde es sehr gut, dass grüne Initiativen auf dem Vormarsch sind, dass es für große Unternehmen verpflichtend geworden ist, über ihren ökologischen Fußabdruck nachzudenken und darüber, was sie tun können, um ihn zu verringern und den Zustand der Erde zu verbessern. Auch die Europäische Union muss viel strengere Vorschriften erlassen, und trotz der Lobbys glaube ich an einen Wandel von unten nach oben. Ich glaube nicht, dass es heute modisch oder populär ist, wenn ein Unternehmen nicht alles tut, was es für unsere gemeinsame Zukunft tun kann, aber in den nächsten fünf Jahren wird ein Unternehmen, das sich weiterhin so verhält, wie es mit all dem Wissen, das wir heute über die ökologische Krise haben, nicht möglich ist, ernsthafte Probleme bekommen.
Wie hat sich Ihrer Meinung nach der Konsum von Kleidung und Mode entwickelt? Was ist den Käufern heute wichtig, wenn sie Kleidung kaufen?
Wenn ein großes Online-Unternehmen wie Zalando einen speziellen Filter für umweltbewusste Kleidungsstücke einrichtet und Modedesigner und Unternehmen dazu motiviert, umweltbewusste Kleidungsstücke anzubieten, dann zeigt das meiner Meinung nach, dass ein Unternehmen ethisch handeln kann. Bei der Nachhaltigkeit geht es übrigens nicht nur um den Schutz unseres Landes, sondern auch um unsere Beziehung zu den Menschen. Wie G. Langenwater in „Planet first“ schreibt, ist es sehr wichtig, "die Menschen (auf allen Ebenen des Unternehmens), die Gemeinschaft und die Lieferkette zu respektieren; den Planeten zu respektieren und anzuerkennen, dass die Ressourcen endlich sind; und Gewinne zu erwirtschaften, die sich aus der Einhaltung dieser Prinzipien ergeben."
Wie reagiert die ungarische Modeindustrie auf Fast Fashion? Welche nachhaltigen Lösungen versucht sie zu finden?
Ungarische Modedesigner denken vor allem in lokalen Märkten, aber auch Marken wie Nanushka und Aeron, die in größeren Märkten denken, sehen diese Art des Denkens als einen grundlegenden Teil ihrer Tätigkeit. Ich halte es für einen großen Schritt nach vorn, dass europäische Marken nicht in China oder im Fernen Osten, sondern in Europa produzieren. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten fünf Jahren wirksam regulieren werden, was nach Europa kommen darf, und das wird die Funktionsweise der Märkte verändern. Modewochen wie die Copenhagen Fashion Week zeigen uns, wie man heute, in den zwanziger Jahren, über Mode denken kann.
Was assoziieren Sie mit Slow Fashion?
Offline-Zeit, Konzentration auf mich selbst, kostbare Zeit. Das alles macht unser Leben so viel besser.
Unternehmen, die sich nicht nur auf die Produktion von Slow Fashion, sondern auch auf die Behandlung wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Fragen unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit konzentrieren, sind vielleicht keine Lösung des globalen Klimaproblems, doch sind sie ein erster wichtiger Schritt in Richtung positiver Veränderung. Was den praktischen Beitrag betrifft, so kann Slow Fashion nützlich sein, um die heimische Bekleidungsproduktion sowie die lokale Wirtschaft in Ungarn und anderen Ländern zu fördern. Außerdem kann Slow Fashion das Spektrum der Verbraucherauswahl erweitern. Wenn man den Innovationsgeist junger und unabhängiger Designer mit lokalen Ressourcen kombiniert, wird Slow Fashion wahrscheinlich zu einer Modevielfalt führen, die nicht von kurzlebigen, identischen Modetrends bestimmt wird.
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Klára Ilona Edőcsény, Studentin der Corvinus Universität in Budapest, untersuchte in ihrer TDK-prämierten Abschlussarbeit nachhaltige Geschäftsmodelle im Modesektor in Ungarn. Dabei versuchte sie die Frage zu beantworten, wie und mit welchem Geschäftsmodell Nachhaltigkeit in Modeunternehmen integriert werden kann. Mehr dazu kann man hier nachlesen.