Interview
Kata Csató
Ein Interview mit Kata Csató, Puppenspielerin, Regisseurin für Puppenspiel und Begründerin der Vereinigung Freeszfe.
Im Zusammenhang mit internationaler künstlerischer Arbeit ist es sehr wichtig, über die Ausbildung und die Internationalität der Ausbildung zu sprechen. Du hast einen guten Einblick in das internationale Beziehungssystem der SZFE in der Zeit vor 2021. Inwieweit standen die Internationalität und die international ausgerichtete Ausbildung im Vordergrund?
Vor 2021, genauer gesagt bis März 2021, war die SZFE Mitglied der Organisation „Europa: Union der Theaterschulen und Akademien“ (E:UTSA), der viele europäische Kunstinstitutionen angehören, darunter Universitäten wie das Mozarteum in Salzburg, die Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg, die Akademia Teatralna in Warschau sowie die Schweizer Accademia Teatro Dimitri. Die innerhalb der Organisation geknüpften Kontakte funktionierten auf Projektbasis, so hat die SZFE beispielsweise das Festival für Film- und Theaterkunst FACT (Festival Arts Cinema Theatre) ins Leben gerufen – ein internationales Treffen der Universitäten, zu dem die an diesen Universitäten erarbeiteten Prüfungsarbeiten eingeladen wurden –; außerdem gab es auch die Möglichkeit, an kleineren Projekten teilzunehmen. Auch war es dank des Bologna-Systems möglich, mit Stipendien semesterweise an diesen Universitäten zu studieren. Parallel zu diesen Projekten wurde erstmals bei den Dokumentarfilmer*innen ein gemeinsamer MA-Studiengang, „DocNomads“, gestartet. Hierbei haben sich drei Universitäten zusammengeschlossen und durch ihr Netzwerk studierten die internationalen Teilnehmenden zwei Jahre auf die Weise, dass sie auf Reisen waren: Sie verbrachten ein Semester hier und das nächste dann an einer Partneruniversität usw. Das geschah im Rahmen eines Erasmus Programms und dieses Beispiel hat die SZFE ermutigt, mehrere solcher Ausbildungsprogramme einzureichen, die also ebenfalls auf diesem System basierten. Darunter waren beispielsweise „Viewfinder“ für die Ausbildung von Kamerafrauen/-männern oder „PuppeTry“ für die Ausbildung im Bereich Puppenspiel: Die Struktur und das Credit-System wurden von mehreren europäischen Universitäten gemeinsam erarbeitet, so konnte ein, für die ganze Welt offener, akkreditierter Studiengang entstehen, der überall anerkannt wurde. Auf diese Weise hat man internationale Studierende in das jeweilige Land gelockt, die ihr Fachwissen von einem in den anderen Ort weitertrugen, und was dabei vielleicht am wichtigsten ist: Die Studierenden, die in diesem Rahmen ihren Abschluss gemacht hatten, verfügten zum Ende der Ausbildung über ein unermesslich großes Kapital an Beziehungen, von dem manche bis heute leben. Es soll hier erwähnt werden, dass solche Studiengänge auch aus europäischer Sicht wichtig sind, da das amerikanische Universitätsnetzwerk internationale Studierende mit einer solchen Wucht an sich reißt, dass es großer Anstrengungen bedarf – und die EU wendet auch viel Geld dafür auf –, Studierende von den anderen vier Kontinenten nach Europa zu locken. Die Erfahrung zeigt, dass man hierfür meist solche spezifische, jedoch offen konzipierte Ausbildungsgänge braucht.
Heute scheint es, dass von diesen Schulungen lediglich „DocNomads“ überlebt hat.
In der Tat. Als wir aus der Institution SZFE ausgetreten sind, bzw. nachdem die SZFE fremdbesetzt worden war, folgten uns auch diese Kontakte, anstatt dortzubleiben. Allein die Filmausbildung „DocNomads“ ist dortgeblieben, aber offenbar investieren die heutigen Mitarbeiter*innen der SZFE nicht sonderlich viel Energie in den Erhalt internationaler Beziehungen.
Die Vereinigung Freeszfe hingegen hat sich in großem Stil in Richtung Internationalität geöffnet.
Wir haben einen Rahmenvertrag erarbeitet, auf dessen Grundlage die am „EmergencyExit“ teilnehmenden Studierenden ein internationales Diplom erhalten, obwohl die Ausbildung in Ungarn stattfindet. Wir sehen noch nicht genau, wie diese Studierenden eventuell intensiver auf die internationale Plattform zu heben sind, aber es ist wichtig, mehr in diese Richtung zu unternehmen, weil unsere Studierenden hierzulande nur schwerlich oder überhaupt keine Arbeit finden. Das ist eine ernstzunehmende Frage und man muss sich auch damit befassen, wie unsere Studierende in Zukunft eine künstlerische Laufbahn einschlagen können. Aber natürlich gibt es auch schon Versuche in diese Richtung. Im Sommer hatten wir ein Programm zur Person Volker Löschs, in dessen Rahmen wir Studierende für Regie und Schauspiel aus Salzburg und Ungarn zusammengebracht haben. Leider wurde der Probeprozess mittendrin durch Covid unterbrochen, sodass er erst im Februar abgeschlossen werden kann, und danach geht die Aufführung auf Tournee. Außerdem haben wir ein vom Goethe Institut unterstütztes Programm, bei dem ein Regiestudent aus Ludwigsburg, ein ungarischer Dramaturg, sowie Schauspieler*innen aus Schweden gemeinsam an einem Werk arbeiten, das auf völlig freien Assoziationen beruht. Uraufgeführt wird es in Schweden und anschließend ist auch in diesem Fall eine Tournee vorgesehen. In der Zwischenzeit haben wir begonnen, mithilfe der am „EmEx“-Programm teilnehmenden Universitäten ein sehr seriöses internationales Ausbildungssystem aufzubauen. Wir modellieren, wie man in einer internationalen Ausbildungsstruktur denken kann, die mit dem 21. Jahrhundert kompatibel ist. Sehr viele von uns sehen die Mängel in der Schnittmenge des Bologna- und des Akkreditierungssystems, die insbesondere im Bereich der Hochschulbildung für künstlerische Fächer nicht das bieten, was die heute 20-Jährigen wirklich bräuchten. All das theoretische Wissen, dass wir weitergeben möchten, ist wichtig – aber auf welche Weise könnte man das in einer viel sinnlicheren Form vermitteln? Auch solche professionellen Denkanstöße entstehen in dieser Zusammenarbeit.
Ist also die Reform der Ausbildung passend zum 21. Jahrhundert ein wichtiges Element eurer Tätigkeit?
Die internationale Zusammenarbeit wirft auch wichtige fachliche Fragen auf, zum Beispiel im Hinblick auf masterzentrierte und projekt-/kurszentrierte Ausbildungsformen. Es ist kein Zufall, dass sich auch sehr viele aus dem Ausland für einen Béla-Tarr-Workshop anmelden, und dass die Teilnehmenden das dort erworbene Wissen nutzen können, und zwar unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund. Es gibt also sehr wohl Meister*innen, deren Unterricht die Studierenden – wenn auch nicht unbedingt eins-zu-eins – in ihr eigenes System integrieren. Zugleich sind die Denkweise in Westeuropa und das daraus folgende System für Ausbildung und Förderung stark projektbasiert, sodass diese nicht die institutionellen Rahmenbedingungen stabilisieren, wie das in der ungarischen Struktur der Fall ist. Freilich haben beide Seiten ihre guten und ihre schlechten Aspekte, aber es stellen sich sehr viele Fragen, wenn man versucht, beide miteinander in Einklang zu bringen.
Auch du selbst hast an einer Universität im Ausland studiert. Warum fandest du das damals wichtig für dich und warum würdest du heute ein Auslandsstudium für wichtig halten?
Mein Fall war einfach: damals gab es in Ungarn noch keine solche Ausbildung.
Aber das, was du dort über den spezifischen Ausbildungsbereich für Puppenspiel hinaus gelernt hattest, muss eine ganz andere Theaterauffassung gewesen sein, die du dann mit nach Hause genommen hast. Was meinst du: Inwieweit hatte dies eine befruchtende Wirkung auf dein Theater-Umfeld?
Viele von uns hatten damals ihren Abschluss gemacht und drei von uns sind aus Polen sowie eine Frau aus Deutschland nach Ungarn zurückgekehrt. Das hat in den ungarischen Fachkreisen für Puppenspiel ziemliche Wellen geschlagen und hatte eine belebende Wirkung. Es wäre sehr gut, wenn es mehr junge Leute mit so einem Unternehmungsgeist gäbe, die sich – in welche Richtung auch immer – auf den Weg machen, denn es ist auch interessant, was das Umfeld im Gastland mit der sehr bedeutenden kulturellen Tradition anfängt, die sie vertreten. In Polen wurden wir fast wie Ufos behandelt, da der Ausgangspunkt, von dem aus wir uns einer Lösung oder einem Gedanken näherten, so sehr anders war. Zudem waren wir auch älter als unsere Kommiliton*innen und hatten mehrjährige Theatererfahrung hinter uns. Als wir dann nach Hause gekommen sind, fielen wir eben deshalb aus der Reihe, weil wir sowohl das Fach Schauspiel, als auch das Fach Regie absolviert hatten und dadurch ganz anders instruieren konnten. Auch aus praktischer Sicht haben wir also viel profitiert. Ich finde es auch wichtig, dass ich dank dieser Ausbildung eine weitere Sprache auf so hohem Niveau beherrsche. Im Vergleich zu meinen Kolleg*innen bin ich vergleichsweise häufiger im Ausland und es ist etwas ganz anderes, sagen wir in einem polnischen oder russischen oder sibirischen Theater Regie zu führen. Ich erhalte eine breitgefächerte Sicht auf diesen Beruf und werde noch mehr um Erfahrungen bereichert, und all das kann ich in meine nächsten Aufführungen und natürlich auch in den Unterricht einbinden. Ich biete den Studierenden sehr viel und lege Wert darauf, dass sie auch zu sehen, zu schätzen und zu spüren bekommen: ohne Sprachkenntnisse wäre dies nicht möglich gewesen.
Kata Csató hat ihr Diplom als Puppenspielerin und Regisseurin für Puppenspiel an der Theaterakademie Białystok in Polen erworben. Während ihrer bisherigen Laufbahn hat sie bereits in den meisten ungarischen Puppentheatern gearbeitet.
Seit 2006 ist sie Gründungspräsidentin der Vereinigung Europäischer Freiberuflicher Kunstschaffender ESZME (Európai Szabadúszó Művészek Egyesülete). Zwischen 2008 und 2010 war sie Vorstandsmitglied, seit 2010 ist sie Vorsitzende der ungarischen Geschäftsstelle der Internationalen Vereinigung des Puppenspiels UNIMA (Union Internationale de la Marionnette).
Sie lehrte zunächst als Universitätsassistentin, später bis 2021 als Lehrstuhlinhaberin an der Universität für Theater- und Filmkunst Budapest SZFE (Színház- és Filmművészeti Egyetem). Sie ist Begründerin der Vereinigung Freeszfe und war bis Oktober 2022 deren Vorsitzende.
Das Interview fand am 28.9.2022 statt.