Unsere Geschichte
Der lange Weg zur Gründung des Goethe-Instituts Budapest
Vor 35 Jahren, am 10. März 1988, fand in der ungarischen Hauptstadt die feierliche Eröffnung des „Kultur- und Informationszentrums der Bundesrepublik Deutschland“, des späteren Goethe-Instituts, statt, und zwar als erstes bundesdeutsches Kulturinstitut in einem Staat des damaligen Warschauer Pakts. Damit beginnt die Geschichte einer Institution, die seitdem – anfänglich noch in Konkurrenz zum Kulturinstitut der DDR – eine zentrale Rolle bei der Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur in Ungarn spielt.
Von Andreas Schmidt-Schweizer
Während Ostdeutschland als „sozialistischer Bruderstaat“ bereits im Mai 1968 ein Kulturzentrum in Ungarn hatte einrichten können, war der Weg zur Gründung einer bundesdeutschen Kultureinrichtung in der Ära der bipolaren Weltordnung hingegen äußerst beschwerlich. In den 1950er und 1960er Jahren beschränkten sich die deutsch-ungarischen Kulturbeziehungen im Wesentlichen auf Kontakte zwischen der DDR und der Volksrepublik Ungarn. Erste offizielle westdeutsch-ungarische Kulturkontakte entwickelten sich erst Ende der 1960er Jahre, als es im Zuge der Ostpolitik der Regierung Brandt zu einem Entspannungsprozess zwischen Ost und West kam. Die Bundesrepublik konnte nun in „ideologiefreien“ Bereichen (Musik, Bildende Künste usw.) einzelne Veranstaltungen wie Buchpräsentationen, Kunstausstellungen oder Musikveranstaltungen durchführen, während Ungarn die offene, freiheitlich-pluralistische Ordnung der Bundesrepublik von Anfang an zu zahlreichen Kulturaktivitäten in Westdeutschland nutzen konnte. Bis zur Mitte der 1980er Jahre gelang es zwar auch der Bundesrepublik, ihre kulturellen Aktivitäten in Ungarn auszuweiten, allerdings stieß sie dabei immer wieder auf zwei Barrieren: die ungarische Furcht vor „ideologischer Infiltration“ des Westens und die Rolle der DDR im ungarischen Kulturleben. Ostberlin hielt nämlich an dem Anspruch fest, die herausragende Rolle bei den deutschen Kulturaktivitäten in Ungarn zu spielen – und darauf musste Ungarn Rücksicht nehmen. Dies bedeutete vor allem, dass die DDR ein „unantastbares Monopol“ bei der Vermittlung der deutschen Sprache in Ungarn sowie bei der kulturellen „Betreuung“ der Ungarndeutschen innehielt. An dieser Situation änderte sich auch nichts Grundlegendes, als im Juli 1977 – im Zeichen des „Geistes von Helsinki“ – das erste westdeutsch-ungarische Kulturabkommen unterzeichnet wurde.
Ein entscheidender Wandel in den Kulturbeziehungen der Bundesrepublik zu Ungarn setzte erst Mitte der 1980er Jahre ein. Nachdem Bonner Politiker gegenüber Budapest immer häufiger die Frage der wechselseitigen Errichtung von Kulturzentren aufgeworfen hatten, diese Initiativen aber immer wieder zurückgewiesen worden waren, signalisierte Ungarn im Juni 1985 erstmals, dass in der Frage der Kulturinstitute nach einer „Lösungsmöglichkeit“ gesucht werde. Im Februar 1986 begannen daraufhin Verhandlungen, die schließlich am 7. Oktober 1987 zur Unterzeichnung einer Vereinbarung über die wechselseitige Einrichtung von Kulturzentren führten, wobei die Gründung des ungarischen Instituts allerdings vorläufig noch vertagt wurde.
Warum zeigte sich die ungarische Seite schließlich doch bereit, der Einrichtung von Kulturinstituten zuzustimmen? An erster Stelle ist hier der weltpolitische Entspannungsprozess unter Mihail Gorbatschow zu nennen, der auch den einstigen „Satellitenstaaten“ neuen politischen, ökonomischen und kulturellen Spielraum eröffnete. Damit konnte Ungarn nun seinen (schon wiederholt begonnenen) Weg der Westöffnung beschleunigen. Ein weiterer Aspekt ist, dass Ungarn aufgrund der mangelnden Leistungsfähigkeit seiner Planwirtschaft in zunehmende finanzielle und wirtschaftlich-technische Abhängigkeit von der Bundesrepublik geraten war und so die kulturpolitischen Initiativen bzw. das – für die Bevölkerung sehr attraktive – kulturelle Angebot der Bundesrepublik immer weniger zurückweisen konnte. Und drittens kam es im Zuge des politischen und ökonomischen Liberalisierungsprozesses in Ungarn zu wachsenden Differenzen mit dem ideologisch erstarrten Regime in der DDR. Ungarn war schließlich nicht mehr bereit, das ostdeutsche Monopol hinsichtlich des Sprachunterrichts, der kulturellen Versorgung der Ungarndeutschen und des Kulturinstituts aufrechtzuerhalten.
Die Verhandlungen über die Kulturinstitute gestalteten sich 1986/87 allerdings nicht ganz einfach. Die ungarische Seite versuchte nämlich anfänglich, ihre Zustimmung – unter Hinweis darauf, dass Ungarn selbst aus finanziellen Gründen vorläufig kein Institut errichten könne – an Bedingungen zu knüpfen. So sollte es vor allem zu einer Ausweitung der wissenschaftlich-technologischen Kooperation und zur Gewährung eines Kredits für Unterstützungsmaßnahmen für die ungarndeutsche Minderheit kommen. Eine direkte Verknüpfung der Frage der Kulturinstitute mit den ungarischen Forderungen wurde von Bonn allerdings abgelehnt. Die bundesdeutsche Seite, der das Kulturinstitut immer ein besonderes Anliegen war, erklärte sich schließlich bereit, getrennte Verhandlungen über die Kulturinstitute und die ungarischen Forderungen zu führen. So konnte es im Oktober 1987 zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen bzw. zum Abkommen über die Gründung von Kulturinstituten kommen.
Rund zwei Jahre nach der Gründung des „Kultur- und Informationszentrum der Bundesrepublik Deutschland“ öffnete am 27./28. Mai 1990 auch das „ungarische Gegenstück“, das „Ungarische Kultur- und Informationszentrum“ in Stuttgart, seine Tore, und mit dem Ende der DDR bzw. der „doppelten Kulturrepräsentation“ kam es auch zur Umbenennung der Kulturinstituts. Im Herbst 1990 war so der lange Weg zum Budapester Goethe-Institut vollendet und es eröffnete sich eine neue, dynamische Phase in den bilateralen Kulturbeziehungen.