Kinofest
Curveball: Ist das Leben nur ein Witz?

Als Liebhaber des Politthriller-Genres bin ich immer etwas skeptisch gegenüber Filmen, die vor dem Hintergrund eines realen Kriegsgeschehens spielen, sich aber gleichzeitig Elementen der Komödie bedienen. Meines Erachtens werden auf diese Weise allzu häufig wahre Tragödien verharmlost.
 

Aus diesem Grund waren meine Erwartungen an Curveball zugegebenermaßen nicht die allerhöchsten. Die Handlung des Films konzentriert sich von Anfang an auf zwei Figuren: Dr. Arndt Wolf (Sebastian Bloomberg) und Rafid Alwan (Dar Salim). Wolf ist ein deutscher Experte für biologische Waffen mit dem Auftrag, Beweise für die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen durch den irakischen Führer Saddam Hussein zu finden; und Rafid Alwan ist ein Asylbewerber aus dem Irak, der behauptet, in seiner Heimat an der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen beteiligt gewesen zu sein.

Der reale Kontext hinter der Geschichte

Möglicherweise erlebt man den Film Curveball in erster Linie als spannend und unterhaltsam, wenn man den realen Kontext hinter der Geschichte nicht kennt. Denn Naber und Co-Autor Oliver Keidel versuchen, mit der spannungsgeladenen Erzählweise den Zuschauer geradewegs in das Geschehen hineinzuziehen und dazu anzuregen, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob Rafid aus Gewissensbissen zum Whistleblower wird oder ob er nicht nur ein Opportunist ist, der sich nicht um die Folgen seines Handelns für andere schert, solange er unbehelligt leben kann.
Wenn man andererseits mit dem realen Kontext vertraut ist, der die Macher zu Curveball inspiriert hat, wird es vermutlich schwieriger, sich von diesem Film „unterhalten“ zu fühlen. Nicht weil der Film nicht gut ist. Tatsächlich hat er mich vielmehr mit Empörung und vielen offenen Fragen zurückgelassen. Der Irak-Krieg, der so viele Tote forderte und große Zerstörung brachte und die Welt nachhaltig veränderte, war mit einer opportunistischen Lüge gerechtfertigt und von einer Gruppe Mächtiger für ihre Zwecke vereinnahmt worden. Als diese erkannten, dass sie belogen worden waren, unternahmen sie alle Anstrengungen, um den fatalen Fehler zu vertuschen und zu verbergen, anstatt ihn zuzugeben und zu versuchen, irgendeinen Ausgleich zu finden.

Ich bin alles andere als naiv. Zum Ende meines Studiums befasste ich mich im Rahmen meiner Abschlussarbeit mit diesem Thema. Ich untersuchte Wirkungen des embedded journalism (d.h. die Arbeit von Journalisten, die als Teil von Militärzügen über Kriegsgeschehen berichten) auf Bemühungen der Informationskontrolle seitens der US-geführten alliierten Streitkräfte beim Einmarsch in den Irak. In gewisser Weise ist die Geschichte des Films also keine völlig neue für mich. Trotzdem löste sie bei mir ein großes Unbehagen aus.

Was ist ein Menschenleben wert?

Meine Wut über das Geschehene wich auch mehrere Stunden nachdem ich Curveball gesehen hatte nicht. Ich hatte das Bedürfnis, einfach zu vergessen, diesen Film jemals gesehen zu haben, und wieder in Unkenntnis von der Geschichte der beiden Figuren Dr. Wolf und Rafid Alwan zu leben. Ich beschäftigte mich mit der Frage, ob große Entscheidungen, die verheerende Folgen für das Leben vieler Menschen haben, wie etwa das Anzetteln eines Krieges, unüberlegt getroffen werden, so als würde man den Wert eines Menschenlebens mit einem Witz gleichsetzen.
Ein paar Tage und einige Überlegungen später entschied ich mich schließlich, Curveball noch einmal anzusehen. Tatsächlich gelangte ich nach dem zweiten Mal zu einer neuen Einschätzung des Films und betrachtete die Leistung von Naber und der Crew des Films in neuem Licht. Nicht weil ich einen wichtigen Teil verpasst hätte, als ich ihn zum ersten Mal sah, sondern weil mir etwas bewusst wurde. Wenn das Drehbuch nicht gut geschrieben, der Film nicht gut geschnitten, inszeniert und gespielt worden wäre, dann hätten sich niemals diese gemischten Gefühle eingestellt.

Die satirischen Elemente in diesem Film sollen die Bedeutung von Krieg und Leid nicht herabsetzen. Auch ich kenne den Impuls, traurige Erinnerungen an Ereignisse in meinem Leben an komische oder lustige Aspekte daran zu knüpfen. Vielleicht ist dies ein Weg für uns Menschen, zu überleben und die Hoffnung nicht ganz zu verlieren.