Über das Projekt
Arthouse Cinema

Über das Projekt Arthouse Cinema © Goethe-Institut Indonesien / Inge Dhewanti

Geschichte wird häufig von großen Erzählungen bestimmt – über den Ersten und Zweiten Weltkrieg, den Kalten Krieg und Revolutionen als Wendepunkte der Zivilisation. Doch auch die weniger aufsehenerregenden, häufig vernachlässigten Ereignisse verdienen unsere Aufmerksamkeit. Es sind die Einzelschicksale, die Geschichten von kleinen Gemeinschaften und lokalen Begebenheiten, die sich zwar nur selten in traditionellen Geschichtsbüchern wiederfinden, doch für das Verständnis der menschlichen Erfahrungen hinter diesen größeren Geschehnissen nicht minder wichtig sind. Während wir uns oft an die monumentalen Ereignisse erinnern, vergessen wir bisweilen die individuellen Erlebnisse – die persönlichen Geschichten, die uns zeigen, wie normale Menschen in ihrem Alltag die Entscheidungen der Mächtigen zu spüren bekommen.

Im Verlauf des Jahres bietet Arthouse Cinema mit einer sorgfältig kuratierten Filmreihe im GoetheHaus Jakarta die einmalige Gelegenheit, diese oft vernachlässigten Kapitel der Geschichte zu erkunden. Einmal im Monat steht ein Film über ein persönliches Schicksal auf dem Programm, der dazu anregen soll, unseren Blick auf unsere gemeinsame Vergangenheit zu hinterfragen. Die Filme erinnern uns daran, dass Geschichte nicht nur von bedeutenden Ereignissen bestimmt wird. Manchmal geht es auch um die unbemerkten Momente, die kleinen Begebenheiten, die unsere Welt mit der Zeit verändern und prägen und zu den größeren und bekannten Geschehnissen führen. Diese Geschichten sind es, die uns und unser Verhältnis zu anderen Menschen ausmachen.

Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush (Andreas Dresen, 2022) beschreibt den packenden Kampf einer Mutter um die Freilassung ihres Sohns aus Guantanamo Bay. Allen Widerständen und Erwartungen zum Trotz entpuppt sich Rabiye Kurnaz als starke Figur, die den Einsatz für das persönliche Geschick in einer hochpolitischen Angelegenheit verkörpert. Voller Charme, Witz und Willensstärke stellt Rabiye die Mutter mit ihrer Durchsetzungskraft und bedingungslosen Liebe als ultimatives Symbol für Widerstand, Überlebenswillen und Hingabe dar. Ihr Weg macht deutlich, welche Stärke einfache Menschen in außergewöhnlichen Umständen entwickeln können.

Menschen am Sonntag (Robert Siodmak, 1929) zeigt flüchtige Alltagsszenen eines Samstagnachmittags im Berlin der Vorkriegszeit (gefolgt von verschiedenen Episoden  am darauffolgenden Sonntag) und Momentaufnahmen gesellschaftlicher Dynamiken und persönlicher Träume im Vorfeld einschneidender historischer Ereignisse. Dabei geschieht nichts Weltbewegendes – die Figuren treffen sich, machen einen Ausflug, unternehmen Spaziergänge, schlafen. Die Stadt und ihre Protagonist*innen sind letztlich austauschbar.

o.k. (manchmal auch O.K.) ist ein westdeutscher Antikriegsfilm von Regisseur Michael Verhoeven aus dem Jahr 1970. Die Geschichte folgt einer vierköpfigen US-Militäreinheit während des Vietnamkriegs, die ein junges vietnamesisches Mädchen in ihre Gewalt bringt und schwer misshandelt. Obwohl der Film im Krieg spielt, wurden die Szenen in einem bayrischen Wald gedreht und die Schauspieler*innen sprechen mit tiefstem bayrischen Akzent – eine bewusste Entscheidung des Regisseurs, um einen „Brecht’schen Verfremdungseffekt“ zu erzeugen. Dieses Stilmittel soll das Publikum zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Film bewegen, um sich die Schrecken des Kriegs und die entmenschlichende Wirkung von Macht und Gewalt vor Augen zu führen.

Die Filme Lieber Thomas (Andreas Kleinert, 2021), Wir sind jung, wir sind stark (Burhan Qurbani, 2014) und Die Brücke am Ibar (Michaela Kezele, 2012) stellen persönliche und gesellschaftliche Kämpfe in Zeiten tiefgreifender politischer, kultureller und sozialer Umwälzungen in den Mittelpunkt. In Lieber Thomas geht es um den anhaltenden Kampf des ostdeutschen Schriftstellers und Filmemachers Thomas Brasch gegen das unterdrückerische Stasi-Regime. Der Film zeigt, wie der Künstler mit dem System unermüdlich um seine schöpferische Freiheit ringt, und macht so den emotionalen Tribut deutlich, den eine gespaltene Gesellschaft fordert, in der persönliche Identität auf politischen Widerstand stößt.

Wir sind jung, wir sind stark widmet sich einer anderen Form sozialer Spannungen nach dem Fall der Berliner Mauer. Der Film zeigt die gewaltsamen Zusammenstöße zwischen jungen Neonazis und Angehörigen migrantischer Gemeinschaften im Rostock der frühen 1990er Jahre und erkundet den Anstieg von Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit im wiedervereinigten Deutschland. Zum Ende des Jugoslawienkriegs behandelt Die Brücke am Ibar das Thema Versöhnung aus einer persönlicheren Perspektive. Der Film folgt der alleinerziehenden Mutter Danica, die während der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Serben, Albanern und NATO-Truppen mit ihren Kindern in der Wohnung festsitzt. Die Brücke über den Ibar wird dabei zum eindrucksvollen Symbol für den Kampf der Familie ums Überleben und darum, sich im Angesicht von Krieg und Spaltung die Menschlichkeit zu bewahren.

Zum Abschluss widmen sich die beiden Filme Als Hitler das rosa Kaninchen stahl (Caroline Link, 2019) und Sputnik (Markus Dietrich, 2020) den komplexen Zusammenhängen von Identität, Angst und Überleben aus der Perspektive junger Hauptfiguren. Als Hitler das rosa Kaninchen stahl ist eine Geschichte über das Ende der Unschuld. Die jüdische Oberschichtfamilie Kemper muss vor den Nazis aus Deutschland fliehen und mit den emotionalen Belastungen der Vertreibung ins Exil zurechtkommen. Sputnik erkundet eine vollkommen andere Form des Umbruchs während des Kalten Kriegs in Ostdeutschland. Gemeinsam mit ihren Freunden erkundet die kleine Nachwuchsforscherin Rike, welche mysteriösen und beängstigenden Auswirkungen es haben könnte, wenn sie ihr Dorf verlassen. Sind die Erwachsenen in ihrem Umfeld wirklich in der Lage, mit Hilfe von Raketen und Spitzentechnologie zu entkommen? Oder sind sie in einem System gefangen, das ihre Freiheit beschneidet?

Ganz gleich, ob Sie kinobegeistert sind oder ein Interesse für die verborgenen Geschichten unserer Welt haben: Mit unserer Filmreihe können Sie auf jeden Fall etwas Neues entdecken. Wir freuen uns auf Ihren Besuch und Ihre persönlichen Gedanken zu den Geschichten in den Filmen!

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