Als 2005 der Karikaturen-Streit eskalierte und islamistische Terroristen in London verheerende Attentate verübten, kam der Wittener Designstudent Melih Kesmen auf die Idee, dem Islam ein freundlicheres Gesicht zu verleihen. Sein T-Shirt mit der Aufschrift „I Love My Prophet“ fand so großen Anklang, dass er damit wider Erwarten zum erfolgreichen Unternehmer wurde. Ein Gespräch über Islamophobie, Mode und das Leben in Deutschland.
Herr Kesmen, eigentlich hatten Sie gar nicht vor, das Label Styleislam zu gründen...
Als europäischer und deutscher Muslim habe ich das Ganze eigentlich für Leute wie mich gemacht, die sich immer wieder mit einem schrägen, von der Boulevardpresse geprägten Islambild konfrontiert sehen. Ich habe ja gemerkt, dass die Leute nervös werden, wenn ich in einen Bus eingestiegen bin, weil sie mich für einen potenziellen Terroristen hielten. Diesem Ohnmachtsgefühl wollte ich etwas Positives entgegensetzen, und so entstand 2005 die Idee zu dem T-Shirt mit der Aufschrift „I Love My Prophet“. Mir war wichtig, mein Verhältnis zum Propheten und zu meinem Glauben durch Liebe zu definieren.
Dabei beziehen Sie sich auf den Koran.
Porträt Melih Kesmen, Styleislam
| Foto: Robert Hörnig
Genau! Viele Leute wissen zum Beispiel gar nicht, dass von den 114 Suren des Korans insgesamt 112 mit dem Namen Gottes beginnen und ihn jeweils als den „Allerbarmer“ und „Barmherzigen“ bezeichnen. Aber das heute verbreitete Islambild hat so gar nichts mit Barmherzigkeit zu tun! Da stimmt doch irgendwas nicht! Um diesem Widerspruch entgegen zu wirken, habe ich das T-Shirt entworfen. Für Leute wie mich, die sich immer wieder rechtfertigen mussten, aber eigentlich keinen Bock darauf hatten... (lacht)
Sie sind dann mit dem T-Shirt durch London gelaufen, wo Sie damals lebten.
Ja, die Wirkung war teilweise unglaublich! Viele Muslime waren froh, eine positive islamische Botschaft zu sehen, viele haben richtig glänzende Augen bekommen. Die haben einfach gesehen, dass man als muslimisch aussehender Mensch durch ein positives Statement auffallen kann.
Wo verkaufen Sie Ihre T-Shirts und Taschen?
Styleislam
| Foto: Robert Hörnig
Wir verkaufen nicht nur in Deutschland, Großbritannien und den USA, sondern exportieren auch nach Japan, Kasachstan, Brasilien, Australien, in alle möglichen Länder, auch nach Südafrika, wo wir sogar einen Laden haben.
Wer trägt die StyleIslam-Mode?
Der Großteil unserer Kunden sind natürlich Muslime, die meisten leben in Europa. Es gibt aber auch erstaunlich viele Nichtmuslime, die unsere Sachen gut finden, das sind immerhin ein Viertel der Kunden. Die tragen dann aber eher T-Shirts mit der Aufschrift „Jesus and Muhammed – Brothers in Faith“.
Wie gehen Kleidung und Mode und die islamische Religion zusammen?
Das ist eine Frage der Kultur. Über Jahrhunderte hat sich in den muslimischen Zivilisationen eine vom „islamischen Geist“ inspirierte Mode entwickelt. Diese hatte natürlich jeweils ihre spezielle geografische Ausprägung. Aber im Großen und Ganzen muss die Mode seit jeher die „Aura“ bedecken – also alles, was sexy erscheint. Solange das erfüllt ist, können Designer ihre „Mode“ machen.
Was inspiriert die Mode Styleislam?
Für die Kalligrafien arbeite ich sehr gerne mit Kufi-Künstlern zusammen. Die Kufi-Schrift ist eine der ältesten arabischen Schriftformen. Sie ist sehr minimalistisch und hat für mich einen zeitlosen Charakter. Darüber hinaus mag ich Abwandlungen der osmanischen Kalligrafie. Sehr spannend ist die Kombination von lateinischen Buchstaben im osmanischen Kalligrafiestil, die ich sehr oft verwende.
Nach zwei Jahren in London wohnen Sie mit Ihrer Familie wieder in Deutschland, in Witten ...
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Foto: Robert Hörnig
Styleislam
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Foto: Robert Hörnig
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Foto: Robert Hörnig
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Foto: Robert Hörnig
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Foto: Robert Hörnig
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Foto: Robert Hörnig
Styleislam
Wir wollten unsere Kinder dort großziehen, wo wir ein behütetes Umfeld haben, wo unsere Freunde und Familie sind. Im schnelllebigen London hätten wir mindestens zehn Jahre gebraucht, um einen tief verwurzelten Kreis aufzubauen. Die Entscheidung hatte auch mit dem Anspruch zu tun, innige Freundschaften aufzubauen und zu pflegen. Das Ruhrgebiet ist schon seit über 150 Jahren Einwanderungsland, und wir fühlen uns hier wohl und heimisch. Das ist wirklich unsere Heimat.
Fühlen Sie sich hier auch als Muslim wohl?
Manchmal ist es schon ein wenig nervig, wenn einem Leute immer wieder erklären, dass „der Islam“ gewalttätig und undemokratisch ist. Aber ich ergreife trotzdem jede Gelegenheit für eine Diskussion, um die Leute ein bisschen von ihren Stereotypen abzubringen. Mit meiner Mode versuche ich auch etwas dazu beizutragen. Aber wenn ich immerzu Nachrichten von Gräueltaten des Islamischen Staates im Nahen Osten und von anderen islamistischen Terrorgruppen sehen würde, wenn ich keine anderen Informationsquellen hätte, würde ich ganz genauso über den Islam denken.
Sie sind auch von muslimischen Hardlinern angegriffen worden...
Ja, sicher. Die Scharlatane haben ein leichtes Spiel, weil die meisten Leute kein gutes oder kritisches theologisches Fundament haben. Da braucht man nur so einen „Räuber-Hotzenplotz-Zottelbart“ zu tragen und ein paar rhetorische Floskeln vom Stapel zu lassen und schon kann man – leider – die Menschen begeistern. Dabei ist alles viel komplexer, als irgendwelche Salafisten es den Leuten beibringen wollen. Deswegen versuche ich auch immer, wenn ich die Gelegenheit habe, mit jungen Menschen zu reden, um das kritische Denken zu stärken.
Gibt es eine bestimmte islamische Schule, der Sie folgen?
Styleislam
| Foto: Robert Hörnig
Kennen Sie Leopold Weiß? Das war ein Intellektueller aus einer jüdischen Rabbinerfamilie in der heutigen Ukraine, seine Heimatstadt gehörte bei seiner Geburt im Jahre 1900 noch zu Österreich-Ungarn. Der Mann konvertierte später zum Islam und nannte sich Muhammad Assad. Er hatte durch seine familiäre Herkunft schon eine fundierte theologische Bildung. So ist er der erste europäische Muslim, der eine Koranexegese geschrieben hat. Was ich so faszinierend an ihm finde, ist, dass er den Islam aus Sicht eines Europäers ganz, ganz anders reflektieren konnte als jemand, der in einem arabischen Land groß geworden ist. Kritisches Denken wird bei jungen Menschen im Nahen Osten nicht besonders gefördert, das muss man leider feststellen. Das ist einer der Gründe, weshalb ich stolz bin, ein deutscher und europäischer Muslim zu sein. Denn hier kann ich meinen Glauben wesentlich unvoreingenommener und freier, nach meinen eigenen Vorstellungen, praktizieren.
Zum Dossier „Islam in Deutschland und in Bosnien und Herzegowina“