Als Bildhauerei-Studentin konnte sich Alison McDonald Materialien wie Bronze oft nicht leisten. Dies inspirierte die australische Künstlerin dazu, aus der Wiederverwendung weggeworfener Gegenstände eine Karriere zu machen.
Alison McDonald bekommt häufig zu hören, dass ihre Kunst reiner Müll ist. Dem stimmt sie aus vollem Herzen zu.
Ihre Kunst stellt unsere Wegwerfgesellschaft mit Werken infrage, die von riesigen öffentlichen Installationen aus weggeworfenen Plastikflaschendeckeln bis hin zu filigranen Ohrringen aus Plastikfischchen reicht, in denen sich vorher Sojasoße für Sushi befand.
Alison beschreibt sich selbst als Bildhauerin, die Alltagsmaterialien aufwertet. Statt Recycling benutzt sie lieber das Wort „Upcycling“. „Das vermittelt den Menschen, dass man Abfall neues Leben und neuen Wert einhauchen kann, wenn auch nicht unbedingt Geldwert“, erklärt sie. „Manche Leute sagen ‚Igitt – das ist nur Plastik‘, aber die meisten sind begeistert.“
Die aus Geelong stammende Künstlerin fügt hinzu: „Ich mache lieber Kunst, bei der es um den Alltag und die Menschen geht, als hohe Kunst mit extrem teuren Materialien. Wenn man mit diesen teuren Materialien arbeitet, muss man sehr vorsichtig sein und verliert an künstlerischer Freiheit. Beim Arbeiten mit einer Plastikflasche ist man viel spielerischer.“
DIE GEWOHNHEIT, DER COLA EINEN DECKEL AUFZUSETZEN
Alison kam vor etwas mehr als einem Jahrzehnt auf den Dreh, mit Abfall zu arbeiten. Als Bildhauerei-Studentin konnte sie sich Materialien wie Bronze oft nicht leisten. Dafür trank ihr Mann damals jede Menge Cola, was zahlreiche Plastikflaschen und Flaschendeckel zur Folge hatte.
Statt sie alle in den Plastikmüll zu geben, schuf die Kunststudentin aus den Abfällen ein großes öffentliches Kunstwerk. Für die Strand Ephemera, eine Open-Air-Skulpturausstellung in Townsville im Norden von Queensland, kreierte sie aus PET-Plastikflaschen sowie Nylon-Angelschnur, Draht und Kabelbindern mehrere riesige, fünf Meter lange Quallen.
Die Region ist für ihre Quallen oder „Stinger“ berüchtigt, von denen einige für Menschen tödlich sein können. Während der Würfelquallen-Saison, die von Oktober bis Juni reicht, wird vom Schwimmen abgeraten. Die Quallen sind wunderschön, aber gefährlich – so ähnlich wie das Plastik, von dem unsere Gesellschaft sich so abhängig gemacht hat, das aber gleichzeitig so viel Müll zur Folge hat. Und während Alison aus den Flaschen mehrere wunderschöne Quallen geschaffen hatte, hatte sie immer noch jede Menge Flaschendeckel übrig! So ging sie auf dem Weg zur Müllkünstlerin den nächsten Schritt.
GO WITH THE FLOW
Die Flaschendeckel, am Ende Zehntausende, wurden zu einem Teil von Flow, einer gigantischen, mehrfarbigen Installation, die ursprünglich wie ein Müll-Wasserfall an der Seitenwand des Umbrella Studio in Townsville ausgestellt wurde.
„Flow ist wie ein Stück Stoff und beschäftigt sich mit all dem, was über unsere Wasserläufe ins Meer gelangt“, erklärt Alison. „Die Leute müssen Flow normalerweise anfassen, um herauszufinden, woraus es besteht. Und dann merken sie, dass es einfach nur Plastikdeckel sind.“
Bald kamen zur Flaschendeckel-Sammlung der Künstlerin auch diejenigen hinzu, die von Familie, Freunden und Fremden gesammelt wurden, die oft ungefragt mit Flaschendeckeln aufkreuzten.
„Manchmal fuhr ich in die Stadt, kam zu meinem Auto zurück und fand eine Tüte mit Flaschendeckeln darauf vor.“ Alison merkte, dass ihr Haushalt nicht der einzige war, der Plastikflaschendeckel aufbewahrte.
So schenkte die Familie einer Frau, die ebenfalls Deckel aufzuheben pflegte und an Brustkrebs gestorben war, der Künstlerin ihre Sammlung. Alison veranstaltete Workshops, zu denen jeder kommen und beim Zusammenbasteln von Flow helfen konnte. Die Tochter und die Enkelin der verstorbenen Frau kamen und halfen mit. Es war eine emotionale Begegnung. „Am Schluss haben wir natürlich alle geweint. Und sie waren sehr froh, dass sie ihr Material nicht wegwerfen mussten und es stattdessen in einem Kunstwerk Verwendung fand“, erzählt Alison.
„Flow entstand unter intensiver Beteiligung der Öffentlichkeit, und ich denke, dadurch hat es an Schlagkraft gewonnen“, konstatiert die Künstlerin.
-
© Foto (CC BY-ND 4.0): Aaron Ashley
Flow: Upgecyclete Plastikdeckel und Kabelbiner, 12 x 7 Meter, 2010-2013
-
© Foto (CC BY-ND 4.0): Aaron Ashley
Alison in ihrem Studio mit Ball und anderen Arbeiten im Hintergrund
-
© Foto (CC BY-ND 4.0): Aaron Ashley
Trickle: Individuell handgeformte und reduzierte wiederverwertete Plastikdeckel und Draht, 100 x 60 x 1cm, 2013
-
© Foto (CC BY-ND 4.0): Aaron Ashley
R.R.R.: Recycletes und von Hand geschnittenes und gefärbtes PET, versilberter Draht, 68 x 20 x 38 cm, 2012-2015
-
© Foto (CC BY-ND 4.0): Aaron Ashley
Fractal 2: Recyclete und handgeschnittene PET-Flasche, Triptychon 100 x 32 cm, 2008
-
© Foto (CC BY-ND 4.0): Aaron Ashley
Fractal 3: Recyclete und handgeschnittene PET-Flasche, Triptychon 100 x 32 cm, 2008
GLOBAL DENKEN, LOKAL FISCHE WIEDERVERWENDEN
Um die Konsequenzen von Plastikflaschenverschlüssen zu veranschaulichen, schuf Alison Global – eine 1,2 Meter große, kugelförmige Struktur, wiederum aus „upgecycelten“ Flaschendeckeln, aber mit internationalem Clou. Wann immer Freunde ins Ausland reisen, bringen sie Flaschendeckel mit Aufschriften in verschiedenen Sprachen mit. „Ich weiß nicht mehr, aus wie vielen Ländern“, lacht Alison.
Alison hofft, dass ihre Arbeiten die Menschen zum Nachdenken über Nachhaltigkeit und die Aufwertung von Materialien anregen werden: „Wir müssen umdenken. Nur weil die Leute sagen, es ist Müll, heißt das noch lange nicht, dass es auch wirklich welcher ist.“
Und Alison hat das Gefühl, dass sie damit Erfolg hat. An den Ständen, mit denen sie ihren Schmuck gelegentlich auf Märkten präsentiert, möchten die Kunden wissen, woher die Materialien stammen. „Die Leute finden es fantastisch, dass eine Geschichte dahintersteckt und ein Gegenstand neue Verwendung findet.“ Ihre Sushifisch-Ohrringe – Plastik-Sojasoßenfläschchen, um die alter Telefondraht gewickelt ist – sind echte Renner. Alison ist die Absurdität des allgegenwärtigen kleinen Fischchens bewusst: „In ein paar Hundert Jahren graben Archäologen einen Sushi-Fisch aus und versuchen herauszufinden, wofür er verwendet wurde. Man stelle sich ihre Gesichter vor, wenn ihnen klar wird, dass es sich um etwas handelt, das wir mit Soße gefüllt, benutzt und dann weggeworfen haben. Etwas, das wir nur wenige Sekunden in der Hand hatten.“
EINE GLITZERNDE BOTSCHAFT
Alison stellt aus Gegenständen, die andere gedankenlos wegwerfen, gerne schöne Dinge her. Aber manchmal dauert es eine Weile, bis sie weiß, was sie aus den aufbewahrten Objekten machen wird.
Fünf Jahre lang hortete sie in ihrem Haus mehr als 7000 aus Strommasten-Inspektionen stammende Identifikationsplättchen, während sie überlegte, was sie mit ihnen anfangen sollte. Die kleinen Aluminiumplättchen, die die in den Strommasten verwendete Holzart und etwaige Defekte oder Termitenbefall anzeigen, werden jeweils nur vier Jahre lang benutzt und dann weggeworfen.
Nun hat sie aus ihnen Shimmer geschaffen, indem sie einen Rettungsschwimmer-Turm in die Plättchen hüllte, die sich im Wind bewegen und so ihre rote oder gelbe Unterseite sichtbar werden lassen. Bei den Türmen handelt es sich um erhöhte Plattformen an bewachten Stränden, von denen aus die Rettungsschwimmer die Schwimmer im Wasser im Auge behalten und nach Haien, Brandungsrückströmen und anderen Gefahren Ausschau halten können. Rot und gelb sind die Farben der weltberühmten australischen Rettungsschwimmer. „Ich versuche, den Gegenstand mit der Botschaft zu verbinden. Das Glitzern der Wellen ist einladend, es versucht dich ins Wasser zu locken. Es ist wunderschön, aber auch gefährlich, und deshalb braucht man die Rettungsschwimmer im Hintergrund.“
WEGWERFGESELLSCHAFT
Alison McDonald möchte, dass die Menschen Materialien wiederverwenden. Und sie hat eine Botschaft speziell für Eltern: „Wenn Sie mit Ihren Kindern Kunst machen, brauchen Sie nicht viel Geld – schauen Sie einfach in Ihren Abfalleimer.“ Und sie möchte, dass die Leute zweimal darüber nachdenken, bevor sie etwas wegwerfen. „Weg… Wo ist das?“ fragt die Künstlerin.