Interview mit Consuelo Terra und Greta di Girolamo
Sie ist wie die Mapuche-Version von Prinzessin Mononoke
Wie haben Sie von der Protagonistin, die Sie in Ihrem Comic vorstellen, erfahren?
Im Rahmen einer journalistischen Recherche für Vice über Wächterinnen des Lebens, die mit extrativistischen Megaprojekten in Chile und anderen lateinamerikanischen Ländern konfrontiert sind, entdeckte Greta di Girolamo die Geschichte von Millaray Huichalaf, die den Fluss Pilmaiken gegen ein Wasserkraftvorhaben verteidigt.
Warum sollte die Welt mehr über die Protagonistin Ihres Comics erfahren?
Millaray Huichalaf und die von ihr vertretenen Mapuche-Communitys sind ein Beispiel für eine Organisation aus der Bevölkerung heraus, für den Widerstand gegen Neokolonialismus und Extraktivismus. Ihre Verteidigung von Werten des Lebensschutzes und ihr Ansatz einer umweltgerechten Lebensweise kann als Beispiel für die gesamte Menschheit dienen, insbesondere im Kontext der Klimakrise und der Pandemie. Es geht nicht nur darum, das materielle Leben im Gleichgewicht zu halten, sondern auch die spirituellen Ökosysteme, die diese Arten von Konflikten auf neue Weise rahmen.
Was war die überraschendste Entdeckung während Ihrer Recherchen?
Es gab so viele! Die mystischen Geschichten und Erfahrungen von Millary auf ihrem Weg zur Machi (spirituelle Führerin) ihrer Community sind wunderbar – sie ist vergleichbar mit der Mapuche-Prinzessin Mononoke. Wir haben mehr über die integrale Vision der Mapuche über das Leben erfahren und wie sie angesichts der gegenwärtigen globalen Krise ein Rettungsanker sein könnte. Es ist haarsträubend, dass Norwegen mit nachhaltiger Entwicklung und mit Menschenrechten prahlt, während seine Sozialdemokratie durch die Herrschaft über und die Zerstörung von gefährdeten Ökosystemen wie den Pilmaiken-Fluss getragen wird.
Was bereitete Ihnen bei der Projektarbeit am meisten Freude?
Wir hatten die Gelegenheit, am Mapuche-Neujahr teilzunehmen, an einer Zeremonie, die während der Wintersonnenwende der südlichen Hemisphäre begangen wird. Das Erlebnis war einschneidend. Es macht uns glücklich, bedeutende Verbindungen mit dem Territorium und den Menschen, die dort leben, knüpfen zu können und gleichzeitig einen Beitrag zu ihrer Sache zu leisten, indem wir engagierten und kreativen Journalismus mittels eines wunderbar gestaltbaren Formats wie dem Comic praktizieren.
Was konnten Sie in den Workshops, den Mentorings und von anderen Teilnehmenden lernen?
In den Workshops wurde noch einmal betont, wie wichtig es bei der Recherche zu solchen Themen ist, eine vertrauensvolle Verbindung zu den Interviewpartner*innen aufzubauen, sodass sie sich aktiv in unsere Arbeit einbringen. Es hat uns erneut gezeigt, wie wichtig es ist, kulturelle Ausbeutung in jedem Fall zu vermeiden. Nachas Mentoring vermittelte uns wunderbare Ideen, die spirituellen Aspekte der Kosmovision zu visualisieren und visuelle Metaphern für den Kampf gegen die Agenten der Zerstörung zu schaffen.
Welcher Aspekt im Verlauf des Prozesses war für Sie besonders herausfordernd?
Wegen technischer Einschränkungen und der ländlichen Abgeschiedenheit war es äußerst schwierig, mit der Community zu kommunizieren. Außerdem verzögerten die Beschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie unsere Reise um mehrere Monate. Als wir dann dort waren, bestand die größte Herausforderung darin, sich an die kulturellen Codes anzupassen, insbesondere während der Zeremonie.
Wie versuchen Sie, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben?
Die Menschen der Mapuche-Community am Fluss Pilmaiken baten sehr offen um Hilfe für die Verbreitung ihrer Sache. Wir denken, dass diese Arbeit einen wichtigen Beitrag dazu leistet. Wir möchten auch einiges an Bildmaterial des Comics für Licht- und Bildprojektionen in öffentlichen Räumen in Chile oder vielleicht sogar in Norwegen übernehmen.
Wie sollte es idealerweise nach der Veröffentlichung des Projekts weitergehen?
Wir würden es sehr begrüßen, wenn Statkraft aufhörte, den Pilmaiken zu zerstören, aber natürlich ist eine Menge mehr als nur ein Comic nötig, um dieses Ziel zu erreichen. Wir hoffen, unsere Arbeit kann dazu dienen, Statkrafts Verantwortlichkeit für seine Projekte zu fördern und mehr Menschen dazu zu bringen, sich der Verteidigung und des Schutzes des Flusses und seines Ökosystems anzuschließen.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Wir haben viele Projekte im Kopf! Wir denken über verschiedene Wege nach, dieses Projekt auszuweiten, zum Beispiel einen Podcast und eine audiovisuelle Dokumentation über den Pilmaiken zu machen. Dies wäre eine Ergänzung zu unseren weiteren Besuchen der Community und der möglichen Hilfe für sie. Wir beabsichtigen auch, weitere Comics zu machen mit Geschichten von Kämpfer*innen für die Rechte von Frauen und Indigenen sowie für Menschen- und Umweltrechte – sie bilden die erste Verteidigungslinie für die Erde.