Das Spiel ist ein elementarer Faktor zur Bildung von (menschlicher) Kultur. Schreibt der Kulturhistoriker Johan Huizinga 1938 in „Homo Ludens”. (der spielende Mensch). Er zeigt auf, wie selbst vor Hunderten von Jahren kulturelle Systeme aus spielerischen Verhaltensweisen entwickelt wurden. Oder wie ein Volk nur durch die Ablenkung durch spielen dem Hungerstod entkommen konnte.
Ortsbasierte Spiele und Augmented Reality (AR)
Heute - 2016 sind auch digitale Spiele (Games) mehr und mehr „in der Mitte der Gesellschaft” angekommen. Jüngstes Beispiel dafür ist die Erfolgsapp dieses Jahres: Pokemon Go. Auf das gelbe Monster Pikachu und seine Freunde wurde die Jagd eröffnet. Pokémon Go löste einen Hype aus, der sich durch alle Altersgruppen zog und die Bevölkerung bei Wind und Wetter mit dem Smartphone in der Hand vor die Tür lockte.
Gamescom 2016
| © Steven Aang
In der App ist es dem Spieler möglich ein Abbild der Realität zu sehen, welches über die Kamera des Smartphones übertragen wird, der allerdings Elemente des Spiels eingefügt werden. Auf dieser Umgebung erscheinen dann, an bestimmten geographischen Punkten, Monster (Pokémons), die sich durch werfen von digitalen Bällen (Pokébälle) einfangen lassen.
Knapp zwei Monate später ist die Zahl der aktiven Spieler bereits zurückgegangen. Pokémon Go fehlt es noch an Spielelementen, die die Spieler auch längerfristig begeistern könnten. Der Umsatz, den das Spiel in den zwei Monaten erwirtschaftet hat, erfreut allerdings nicht nur den Entwickler Niantic und die Pokémon Group, sondern auch zukünftige Investoren. Es zeigt, dass mit der richtigen Marke und einem ansprechenden Konzept auch ortsbasierte Spiele mit Augmented Reality (AR) - Technologie ausgezeichnet funktionieren können.
Massenpublikum, Indies und Virtual Reality (VR)
Im August empfing die Gamescom als weltweit größte Messe für Spiele und interaktive Unterhaltung 345.000 Besucher aus 97 Ländern in Köln. Über fünf Tage traten hier sowohl Branchenpublikum, als auch Gamer und Spielebegeisterte an, um die neusten Spiele auszutesten.
In den Messehallen fanden sich die großen Triple-A Spiele wie
The Legend of Zelda,
Mafia 3,
Overwatch und
Watch Dogs 2, welche für den Massenmarkt mit Herstellungsbudgets von mehreren hundert Millionen Euro meist im Ausland produziert und durch Publisher vertrieben werden. Aber auch „Indie Games”, die von den Besuchern angespielt werden konnten fanden sich auf der Messe. „Indie Games” sind Spiele von meist kleineren Entwicklerteams, welche unabhängig von großen Publishern und exorbitanten Marketingbudgets entwickelt werden. Dieses Jahr umfasste die „Indie Arena Booth” 620qm2 mit 60 Indie Entwickler aus 18 Ländern.
Gamescom 2016
| © Steven Aang
Die Auswahl konnte sich sehen lassen: vom Text-Adventure Code 7 bis hin zu Spielen, die mittels Virtual Reality- Brillen gespielt werden können war alles dabei.
In FAR:Lone Sails spielte man einen kleinen Abenteurer, dessen Fahrzeug auf der Reise konstant repariert werden muss, um weiter zu kommen. Bei The Inner World, einem klassischen Point und Click Adventure, geht es darum mit Robert und Laura die Flötennasen Aposiens zu retten. Aber auch Multiplayer-Spiele wie
Shift Happens, welches im Co-Op Modus (zwei Spieler spielen zusammen) gespielt wird und Oniri Islands wo zwei Spieler mit echten haptischen Spielfiguren auf einem Tablet Rätsel lösen, konnten begeistern.
Das Holocafé wird Europas erste “local multiplayer VR” Arcade. Ähnlich wie damals die “Arcade-Hallen” mit Spielautomaten, wird das Holocafé ein Ort für VR-Spieler werden. Hier lassen sich mit VR-Brillen ausgestattete Räume buchen und mit 2–4 Spielern extra entwickelte VR-Spiele spielen. Eines dieser Beispiele wäre das Multiplayer Bogenschießen, das in diesem Rahmen möglich wäre.
Virtual Reality war auch bei der diesjährigen Gamescom ein Trend gewesen. Spiele mit den VR-Brillen unterschiedlicher Hersteller ließen sich an den zumeist großen Schlangen von anstehenden Menschen erkennen. Neben den o.g. Indie Spielen, gab es natürlich auch VR-Spiele bekannter Publisher. Wie z.B. Climb von Crytec aus Frankfurt. In Climb kann der Spieler naturgetreue 3D-Felslandschaften hochklettern. Oder bei Batman: Arkham VR schlüpft der Spieler in den Körper von Bruce Wayne, um das Abenteuer investigativ aus der Ego-Perspektive anstatt aus der Third-Person Perspektive zu lösen.
Serious Games und Simulationen
Es gibt natürlich auch Spiele, die nicht unbedingt im Laden zu finden sind. In Deutschland sehr beliebt sowohl aus Entwicklersicht als auch auf Seite der Spieler, sind Simulationsspiele, wie ein Landwirtschaftssimulator, als eines der Beispiele.
Aber auch „Serious Games“, Spiele die zur Vermittlung von Lerninhalten speziell konzipiert werden, finden mehr und mehr Anwendung als Unterrichtsmaterial in der beruflichen Aus- und Weiterbildung, wie in den Bereichen des Recruitings für Firmen oder für interne Schulungen und Fortbildung großer Unternehmen.
Auch im Gesundheitsbereich belegen aktuelle Forschungsergebnisse immer wieder, welche positiven Effekte auf Rehabilitation fungieren können oder jüngst gar als Ersatz für Beruhigungsmittel vor Operationen eingesetzt werden können. Dies erleichtert sowohl den Alltag der Mediziner und des Pflegepersonals, als auch die Routine und Freude der Patienten an therapeutischen oder rehabilitierenden Übungen, wie beim Spiel
Patchie zu sehen ist.
Es scheint, dass auch „Games“, die Spiele des modernen Zeitalters, ganz im Sinne Johan Huizingas, mehr und mehr als elementarer Faktor der Bildung menschlicher Kultur gesehen werden können und auch für die Zukunft eine noch wichtigere Rolle in der Kultur einnehmen werden.
Linda Kruse
und Marcus Bösch gründeten das Studio The Good Evil GmbH 2013 in Köln. Sie und ihr Team sind spezialisiert auf Newsgames, Games für Museen und Science-Games. Eines dieser Spiele ist das preisgekrönte Sprachlernabenteuer Squirrel & Bär.