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Künstliche Intelligenz
Die Landschaft der visuellen Kreativwirtschaft in Indonesien im Wandel

Diese visuelle Arbeit entstand am Montag, 11. September 2023, mit der Anwendung der generativen KI auf der Plattform Stable Diffusion XL (https://www.stablediffusionai.ai/). Die Anweisung lautete „Shifting Landscape of the Creative Visual Industry in Indonesia“.
Diese visuelle Arbeit entstand am Montag, 11. September 2023, mit der Anwendung der generativen KI auf der Plattform Stable Diffusion XL (https://www.stablediffusionai.ai/). Die Anweisung lautete „Shifting Landscape of the Creative Visual Industry in Indonesia“. | © Ingki Rinaldi für das Goethe-Institut Indonesien

Im visuellen Bereich der Kreativwirtschaft findet die generative künstliche Intelligenz (generative KI oder GKI) zunehmend Anwendung. Ihre innovativen Fähigkeiten sind für die Nutzer*innen unbestreitbar attraktiv. Allerdings wirft die Technologie auch Kontroversen und Herausforderungen auf, insbesondere im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Berufsrollen. Wissenschaftler*innen und Forscher*innen haben sich mit diesen Bedenken auseinandergesetzt und nach Lösungen gesucht. Eine dieser Lösungen, die derzeit in Yogyakarta erprobt wird, ist die Einführung eines universellen Grundeinkommens (UBI) für Arbeitnehmer*innen, um die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu bewältigen.

Renatta Moeloek, eine bekannte Köchin und Jurorin bei Master Chef Indonesia, war kürzlich in einem kommerziellen Werbespot für ein Bankunternehmen zu sehen, das behauptete, bei dem Spot handele es sich um „die erste Werbekampagne unter Einsatz generativer KI“.

In dem etwa einminütigen Werbespot ist Renatta als Köchin, aber darüber hinaus auch als Architektin, K-Pop-Idol und Naturfotografin zu sehen. Renattas „Präsenz“ im Werbespot wird lediglich über fotografische und mit generativer KI bearbeiteter Bilder gezeigt. Mithilfe dieser Technologie wird der Eindruck erweckt, als führte Renatta verschiedene Bewegungen aus und halte sich an unterschiedlichen Orten auf, die man mit den jeweiligen Berufsfeldern identifiziert.

Der kreative Kopf dieses Werbespots ist Sim F., Regisseur von Susi Susanti: Love All (2019), seinem ersten Spielfilm. In einem Interview verriet Sim, dass er Mitte 2022 begann, verschiedene generative KI-Apps zu erforschen. Sein ursprüngliches Ziel war es, Moodboards in Form von Bildfragmenten als Referenz für visuelle Gestaltungskonzepte bei der Produktion von Filmserien zu erstellen. Dann erhielt er ein Angebot, einen kommerziellen Werbespot mithilfe von KI zu produzieren. Auf Instagram gab Sim zu, er sei „nervös“ gewesen. Denn nach wie vor neigt die Technologie dazu inkonsistente Bilder zu produzieren, was seiner Meinung nach beim Einsatz für audiovisuelles Storytelling noch deutlicher zutage treten würde. Trotzdem und dank der gemeinsamen Experimentierfreudigkeit von Kunde und Kreativem konnte er die Spitzentechnologie nutzen, um eine Werbung zu erstellen, die heute als Meisterwerk gilt.

Die andere Seite der Technologie

Die Entwicklung der Technologie generativer KI zur Produktion visueller Arbeiten hat auch eine Kehrseite. Da sie von Natur aus die "Manipulation" von Bildern beinhaltet, besteht die Möglichkeit, dass ihre Anwendung in einer Weise erfolgt, bei der die Unterscheidung dessen, was als "faktisch" gilt, zu einer Herausforderung wird.

Ein Beispiel für eine solche „Zweckentfremdung“ ist der Inhalt oder Content in Form eines Videos, das weite Verbreitung auf TikTok fand. Der durch generative KI produzierte Clip zeigt einen Mann, der angeblich einer der bekanntesten Unternehmer einer Instant-Nudel-Firma ist. Das millionenfach aufgerufene Video erzählt die Geschichte eines Konflikts zwischen zwei Instant-Nudel-Firmen, deren jeweilige Marken gleichermaßen den indonesischen Markt beherrschen und miteinander konkurrieren.

Zum Teil mag die Geschichte den Tatsachen entsprechen, denn ihre Hintergründe angefangen von der anfänglichen Zusammenarbeit der beiden Unternehmer, der anschließenden Trennung bis hin zum Rechtsstreit, der 2005 vor dem Obersten Gerichtshof gipfelte, können durch zahlreiche glaubwürdige Quellen im Internet überprüft werden. Besorgniserregend ist jedoch, dass der Mann in dem Video - aufgrund seines Aussehens, seiner Bewegungen, seiner Gesten und seiner Stimme - nicht die Person zu sein scheint, für die er sich ausgibt.

Da das Video große Aufmerksamkeit erreichte, veröffentlichte das Unternehmen, aus dessen Haus eine der Instant-Nudel-Marken stammt, eine Presseerklärung. Oswaldo (2023) verfasste einen Beitrag auf der Seite der Nachrichtenplattform detik.com, in der es heißt, dass der Mann, der in dem Video als Instant-Führungskraft dargestellt wird, weder die Erstellung noch die Verbreitung des Videos genehmigt hat und auch nicht an der Erstellung oder dem Erzählen des Videos beteiligt war. Er sei auch nicht von den Urhebern des Inhalts oder von Nachrichtenagenturen interviewt worden. Darüber hinaus würde das Unternehmen keine weiteren Stellungnahmen hinsichtlich weiterer Beiträge und entsprechender Inhalte geben. In der Presseerklärung wurde zudem darauf hingewiesen, dass gegen Dritte, die diese fraglichen Informationen verbreiten, rechtliche Schritte eingeleitet werden können. Weiterhin heißt es, dass sich das Unternehmen das Recht vorbehält, gerichtliche Schritte gegen Personen einzuleiten, welche den Beitrag und den Content erstellt haben.

In einem anderen Zusammenhang schreibt Rinaldi (2020) auf der Seite kompas.id über die Anwendung der Deepfake-Technologie, die es möglich macht, realistisch wirkende Medieninhalte einer Person zu zeigen, die etwas tut, was sie nicht getan hat, oder etwas sagt, was sie nicht gesagt hat. Laut der Website der Organization for Social Media Safety (2003) trat die Deepfake-Technologie erstmals im November 2017 in Erscheinung, als ein anonymer Nutzer auf der Social-Media-Plattform Reddit einen bereits bestehenden, aber von ihm weiterentwickelten Algorithmus für künstliche Intelligenz hochlud, um eine täuschend echte Fälschung eines Videos zu erstellen. Andere Nutzer*innen teilten anschließend den Programmiercode auf der Plattform GitHub, und bald darauf standen Anwendungen wie etwa FakeApp zur Verfügung, die das Programmieren vereinfachten.

Bislang ist das Vorhandensein von Deepfakes in weit verbreiteten audiovisuellen Inhalten in Indonesien nicht üblich. Wie Hardiantoro und Hardiyanto (2023) auf kompas.com berichten, wurde jedoch vor kurzem die Stimme von Präsident Joko Widodo beim Singen eines Liedes mit dem Titel Asmalibrasi auf TikTok imitiert, was Millionen von Aufrufen zur Folge hatte. Dies hat bei denjenigen Sorge ausgelöst, die befürchten, dass die Verbreitung falscher oder verleumderischer Informationen zu politischen Zwecken weiter zunehmen könnte.

Die Risiken, die mit der generativen AI einhergehen, könnten mit der Entwicklung der Deepfakes noch weiter zunehmen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Technologie von Menschen missbraucht wird, die in Indonesien nach politischer Macht streben.

Mit der fortschreitenden Entwicklung der KI-Technologie in der Kreativwirtschaft wird es immer schwieriger, zwischen von Menschen und von KI geschaffenen Werken zu unterscheiden. Expert*innen wie Sim, der es gewohnt ist, visuelle Arbeiten, die entweder von einer KI-Anwendung oder von einem Menschen produziert wurden, zu sichten, fällt es leichter, Unterschiede zu erkennen. Diese Fähigkeit hängt mit dem geschärften Sehvermögen und der im Gedächtnis gespeicherten Mustererkennung zusammen.

Bei den meisten Menschen ist dies jedoch nicht gegeben. Die Mehrheit der indonesischen Bevölkerung ist daher für Falschinformationen anfälliger. Aus diesem Grund vertritt Sim die Ansicht, die Menschen sollten sich technologisch bilden, damit sie optimal auf die Gefahren der Technologie und deren Schattenseiten reagieren können.

Die Zukunft des Menschen

Auch wenn für Werbeproduktionen inzwischen eine Reihe neuester Technologien eingesetzt werden, eine gewisse Skepsis, wenn es darum geht, die generative KI zu „feiern“. Sim befürchtet, dass Menschen in Jobs in der visuellen Kreativwirtschaft ersetzt werden könnten.

Er verweist auf die Streiks, zu denen die Gewerkschaften der Drehbuchautor*innen und Schauspieler*innen in Hollywood in den letzten Monaten aufgerufen hatten. In ihrem Beitrag auf der Webseite von The Independent schreiben Murray & Marcus (2023), Anlass der Streiks sei hauptsächlich die Dominanz von Video-Streaming-Diensten, die die Einnahmen schmälerten, sowie das Aufkommen generativer KI, mit deren Hilfe sich möglicherweise bereits verstorbene Schauspieler*innen „wiederbeleben“ ließen. In ihrem Beitrag behaupten die Autoren zudem, dass ein Filmstudio einen Scan eines Schauspielers anfertigen und diesen für verschiedene Folgeproduktionen verwenden könnte. Allerdings kommt das KI-Scannen nach Angaben eines Filmstudios nur bei einer Produktion zum Einsatz, die bereits einen Schauspieler beschäftigt.

Sim ist der Meinung, dass ein Bewusstsein bei allen Beteiligten notwendig ist, um auf generative KI in der visuellen Kreativwirtschaft in Indonesien reagieren zu können. Er sagt, es seien weiterhin Vorschriften seitens der Regierung erforderlich, um den Aspekt der Nachhaltigkeit beim Einsatz von Arbeitskräften in der visuellen Kreativwirtschaft aufrechtzuerhalten.

„Die KI, deren Ziel es ist, Menschen zu helfen, sollte Menschen nicht auslöschen“, so Sim.Andererseits erinnert Sim daran, dass der Mensch die Augen vor technologischen Entwicklungen nicht verschließen könne. Der Mensch muss sich verbessern und weiterentwickeln und KI nutzen, um kreative Bedürfnisse zu erfüllen.
Visuelle Arbeit basierend auf generativer KI auf der Plattform Stable Diffusion XL (https://www.stablediffusionai.ai/ ). Die Eingabeaufforderung lautete: „Die Rolle des Menschen im Zeitalter der KI.“ Diese visuelle Arbeit wurde am Montag, 11. September 2023, erzeugt. Visuelle Arbeit basierend auf generativer KI auf der Plattform Stable Diffusion XL (https://www.stablediffusionai.ai/). Die Eingabeaufforderung lautete: „Die Rolle des Menschen im Zeitalter der KI.“ Diese visuelle Arbeit wurde am Montag, 11. September 2023, erzeugt. | © Ingki Rinaldi für das Goethe-Institut Indonesien
Yulia Amanda, Dozentin im Fachbereich für Visuelles Kommunikationsdesign an der Universitas Pelita Harapan, erklärt, es habe in akademischen Kreisen zunächst Bedenken gegeben, ob der Job eines Designers künftig nicht durch generative KI ersetzt werden würde. Diese Bedenken wurden bei ihren Studierenden ausgeräumt, nachdem ihnen gezeigt wurde, wie KI-Technologien ihre Arbeit unterstützen können.

Bislang aber seien einige Punkte im Zusammenhang mit der KI-Technologie noch nicht in die Lehrpläne der Hochschulunterrichts implementiert worden. Der Grund dafür sei, dass immer noch eine Reihe von Fragen hinsichtlich der als Grundlage für die Leistungsbewertungen der Studierenden infrage kommenden Indikatoren offen seien.

„Das muss weiter diskutiert werden. Vielleicht könnten wir auch Kunstschaffende aus dem Bereich der Kreativbranche einladen, um ihre Erfahrungen zu teilen", sagt Yulia.

Der Gründer des Studios @siapgerak, Herik Fandri, fügte hinzu, dass die hochdynamische visuelle Kreativbranche immer noch menschliche Kreativität und keine KI-Technologie braucht. Darüber hinaus sagte Herik, der auch Motion Graphics Designer ist, dass viele Menschen, darunter Kameraleute, Schauspieler und Crewmitglieder, ihren Job verlieren werden, wenn alle Arbeitsschritte in der Werbeproduktion von KI gesteuert werden.

Die sich immer schnellere und praktisch unaufhaltsame Entwicklung der KI-Technologie kann wiederum Produktionskosten einsparen helfen, da es zum Beispiel nicht immer notwendig ist, vor Ort zu drehen. Andererseits könnten Menschen in der Kreativbranche, deren Arbeitsplatz eben gerade vor Ort lag, ihre Jobs verlieren.

Es bedarf einer Lösung, um diese Lage zu entschärfen. Eine mögliche Lösung könnte darin bestehen, das Konzept des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) oder des Universal Basic Income (UBI) umzusetzen. Das Bedingungslose Grundeinkommen erscheint vor dem Hintergrund, dass der Mensch in verschiedenen Arbeitsbereichen durch Computerautomatisierungstechnologien ausgetauscht wird, so wie es der Fall mit KI zu sein scheint. Das BGE ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Die Auszahlungen erfolgen individuell, regelmäßig und in bar und sind an keine Bedingungen geknüpft. (Rinaldi, 2019)

In Indonesien wird die Einführung des BGE in begrenztem Umfang in der Stadt Yogyakarta getestet. Der Versuch wird im Rahmen des Yogyakarta's Basic Income Pilot (YBIP) von Yanu Endar Prasetyo und Kolleg*innen (2023) durchgeführt. Bisherige Ergebnisse ergaben, dass die Produktivität der YBIP-Teilnehmenden bzw. der Empfänger des YBIP nicht unterbrochen oder verringert wurde. Es gibt also keinen Grund zur Annahme, dass das BGE seine Empfänger*innen faul machen würde. Tatsächlich kann ein Grundeinkommen dahin wirken, die eigene optimistische Haltung für die Zukunft aufrechtzuerhalten.

Yanu ist Wissenschaftler am Pusat Riset Kependudukan Badan Riset dan Inovasi Nasional (BRIN, dt. etwa: Demographisches Forschungszentrum der Nationalen Forschungs- und Innovationsbehörde) und erachtet das BGE nach wie vor und künftig in zunehmenden Maße als relevant, und er erkenne, dass Regierungen in vielen Ländern darauf angewiesen seien. Mit diesen Aussagen antwortete er auf Fragen zum Stand der Umsetzung des BGE in Indonesien. Der Diskurs begann bereits vor einigen Jahren und inzwischen liegen aktuelle Daten zu einer Reihe von Arbeitsfeldern vor, darunter in der visuellen Kreativwirtschaft, die mehr und mehr von der KI-Technologie beeinflusst werden.

„Das Bedingungslose Grundeinkommen ist vielleicht nicht die einzige Lösung, aber sich andere Wege vorzustellen, wie eine Regierung Ungleichheiten verringern und zunehmende Arbeitslosigkeit verhindern kann, fällt nicht leicht“, sagt Yanu, der auch Gründer des Indonesian Basic Income Guarantee Network (IndoBIG) ist.

Nach Yogyakarta werden nun auch auf Bali Versuche zur Umsetzung des BGE auf Blockchain-Basis durchgeführt. Yanu ist der Ansicht, dass diese Methode eine Alternative sein könnte, wenn der steuerliche Rahmen des Landes zur Finanzierung des BGE nicht ausreichen sollte. Eine weitere Methode könnte Yanu zufolge ein Punktesystem sein, das über die Blockchain-Technologie digital „produziert“ und genutzt werden kann.

Der technologische Fortschritt treibt die Gesellschaft zweifellos voran und führt zu mehr Wohlstand. Jedoch bringt dies eine Reihe unterschiedlicher Herausforderungen mit sich, die ihrer Zeit und den mit ihr einhergehenden Veränderungen eigen sind.

Daniel Susskind betont in seinem Buch mit dem Titel A World Without Work: Technology, Automation, and How We Should Respond (2020), die Notwendigkeit, eine neue Ära zu etablieren, die nicht mehr ausschließlich von bezahlter Arbeit abhängt.

Dieser Wandel wird durch die Sorge um die ungleiche Verteilung des Wohlstands in der Gesellschaft, die politische Macht, zu bestimmen, wer was bekommt, sowie die Frage danach, wie man den Wohlstand nutzt, der nicht mehr nur darin besteht, ohne Arbeit zu leben, sondern auch im Wohlbefinden aller liegt, angetrieben.

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