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Game Jams
Marathons an Monitoren

Virtual Reality beim InnoGames Game Jam in Köln
Virtual Reality beim InnoGames Game Jam in Köln | Foto (Ausschnitt): © InnoGames Game Jam

In Deutschland werden Game Jams immer beliebter: Binnen weniger Stunden entwickeln die Teilnehmenden funktionsfähige Computerspiele – und lernen dabei viel über die Arbeit im Team.

Im Saal herrscht konzentrierte Betriebsamkeit. An zusammengeschobenen Tischen sitzen und stehen Menschen in Grüppchen zusammen, schauen gebannt auf Laptop-Bildschirme, diskutieren miteinander oder kleben bunte Merkzettel an Stellwände. Knapp 200 Teilnehmer aus 27 Nationen hat der InnoGames Game Jam, der während der Computerspielmesse Gamescom im August 2016 in Köln stattfindet. Alle feilen sie an Spielen zum Leitthema „Masken“. Und alle stehen ordentlich unter Dampf. Denn bis zur Präsentation der Ergebnisse bleiben nur 48 Stunden Zeit.

Mit kleinen Teams originelle Spielideen umsetzen

Unter Zeitdruck kreativ sein und dabei jede Menge Spaß haben – das ist die Grundidee der Game Jams. Entstanden ist sie in den USA: Dort trafen sich kurz nach der Jahrtausendwende Entwickler von Computerspielen, um in kleinen Gruppen experimentelle Prototypen zu entwerfen. Dieses gemeinsame Improvisieren („Jammen“) fand immer mehr Anhänger. Mittlerweile gibt es Game Jams in nahezu jedem Land der Welt, viele finden zudem online statt. Auch in Deutschland werden Game Jams immer beliebter: Fast jede Woche gibt es irgendwo im Bundesgebiet eine entsprechende Veranstaltung; die Organisatoren sind meist Spielefirmen, Universitäten oder Fachhochschulen.

Die deutschen Game Jams profitieren von einer wachsenden Independent-Szene: Nicht nur in Großstädten wie Berlin, Hamburg und München schießen immer mehr Start-ups aus dem Boden, die in kleinen Teams originelle Spielideen umsetzen. Für diese Start-ups sind Game Jams eine willkommene Gelegenheit, sich mit anderen Branchenvertretern und Spiele-Studios auszutauschen. Der InnoGames Game Jam in Köln war einer der größten, die es bislang in Deutschland gab: Am Ende der 48-Stunden-Frist hatten die Teilnehmenden insgesamt 39 Spiele eingereicht. Eine Jury wählte die besten Beiträge aus, zum Beispiel ein Virtual-Reality-Game, bei dem ein Maskenträger eine winzige, ebenfalls spielergesteuerte Figur jagt (Panoptes), oder auch ein Spiel für bis zu vier Teilnehmer, bei dem sich drei Schafe vor einem getarnten Wolf in Acht nehmen müssen (A Wolf in Sheep's Clothing).

A Wolf in Sheep's Clothing (Team: NPSheeps) A Wolf in Sheep's Clothing (Team: NPSheeps) | Foto (Screenshot): © InnoGames Game Jam

Kreativ sein in vorgegebener Zeit

Game Jams gibt es in den unterschiedlichsten Ausprägungen. „Die Grundkonstante ist ein begrenzter Zeitrahmen“, sagt Johannes Kristmann, „Der kann allerdings zwischen acht Stunden und einer Woche schwanken“. Kristmann ist Mitbegründer von Maschinen-Mensch, einem Start-up aus Berlin. Er hat schon an verschiedenen Game Jams teilgenommen, unter anderem am reinen Online-Jam Ludum Dare sowie am Global Game Jam, der zeitgleich in vielen Ländern stattfindet. „Erst kürzlich fand hier in Berlin die deutsche Ausgabe des Alt Ctrl Game Jam statt, der sich mit alternativen Eingabemethoden befasst“, erzählt Kristmann. Die Teilnehmer bastelten eigene Steuergeräte, etwa aus Musikinstrumenten oder Früchten. Die meisten Game Jams geben kurz vor Beginn bestimmte Themen vor, die dann recht frei interpretiert werden können, wie zum Beispiel „Flucht“ oder „Entdeckung“. Andere haben besondere Austragungsorte und werden in Zügen, Booten oder Burgen veranstaltet.

Im Vordergrund steht nicht der Wettbewerb

So unterschiedlich die Jams auch sein mögen: „Der Grundgedanke ist, dass jeder mitmachen kann“, erklärt Kristmann – also nicht nur Programmierer, Grafiker oder Soundtrack-Komponisten, sondern auch Laien, die sich für Computerspiele interessieren. Dass Jam-Beiträge prämiert würden wie in Köln, sei eher die Ausnahme. Denn nicht der Wettbewerb stehe im Vordergrund, sondern freundschaftliche Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch. „Bei Game Jams kann man viel lernen“, sagt Kristmann. „Nicht nur das rein Handwerkliche, sondern auch Projektmanagement und viele menschliche Dinge.“ Zum Beispiel, wie man Kompromisse zwischen eigenen und fremden Ideen findet.

Christiaan Janssen kann das nur bestätigen. Gemeinsam mit seinen Kollegen Tobias Wehrum und Iwan Gabowitsch organisiert der gebürtige Niederländer den traditionsreichen Berlin Mini Jam, der seit Herbst 2010 monatlich stattfindet. Der besonders enge Zeitrahmen von acht Stunden erleichtert die Organisation, denn anders als bei mehrtägigen Veranstaltungen müssen sich die Macher nicht um Übernachtungsmöglichkeiten kümmern. Der Berlin Mini Jam findet samstags in Kreuzberg statt.

Janssen erläutert den Ablauf: „Zu Beginn veranstalten wir ein kurzes Spiel, um die Teilnehmer miteinander ins Gespräch zu bringen. Dann erklärt Tobias in seiner Einführungsrede, worum es grundsätzlich bei einem Game Jam geht.“ Anschließend schlagen die Teilnehmer Themen vor, aus denen eines per Mehrheitsentscheid ausgewählt wird. Nun startet der eigentliche Jam: Die Teilnehmenden bilden Arbeitsgruppen, die meist vier bis fünf Mitglieder umfassen. „Wobei es auch immer wieder Leute gibt, die allein arbeiten“, sagt Janssen. Nach einer Brainstorming-Phase beginnt die konkrete Umsetzung, also die Programmierung, die grafische Gestaltung, der Entwurf einer Handlung und die Suche nach passenden Sound-Effekten und Musik. „Zum Schluss zeigt jedes Team an einem Projektor, was es in den acht Stunden geschaffen hat“, sagt Janssen. Ein spannender Moment, in dem die Spiele erstmals präsentiert werden. Das müssen nicht zwangsläufig Computerspiele sein: auch Brett- und Kartenspiele kommen infrage.

Jam-Beiträge sind auch für die Allgemeinheit 

Doch was geschieht eigentlich mit den Spielen, die in den Jams entstehen? „70 bis 80 Prozent der Beiträge werden danach nicht weiterentwickelt“, sagt Johannes Kristmann. Manche Ideen sind allerdings so gut, dass sie von den Teilnehmern bis zur Marktreife ausgearbeitet werden: Ein Beispiel ist das Rätselabenteuer TRI von Rat King Entertainment aus Halle, das 2015 den Deutschen Computerspielpreis gewann. Viele Jam-Beiträge werden jedoch als Prototypen auf Internet-Plattformen wie itch.io hochgeladen und stehen damit der Allgemeinheit zur Verfügung. Bisweilen taucht die Grundidee dann auch in einem anderen Spiel wieder auf. 


Kristmann geht davon aus, dass die Jam-Szene in Deutschland weiter wachsen wird. Er selbst ist inzwischen auch als Jam-Veranstalter und Mentor tätig, der die Teilnehmer berät. Zusammen mit Riad Djemili von Maschinen-Mensch organisiert er für das Goethe-Institut derzeit eine Game-Jam-Reihe zum Thema „Politik und Kunst in Spielen“. Sie soll bis 2018 durch acht verschiedene Länder touren.

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