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Ein Interview mit der Saxophonistin Kira Linn
„Ich habe mich ins Saxophon verliebt.”

Kira Linn mit ihrem Baritonsaxophon. 2023 veröffentlichte Linn mit ihrem Sextett Linntett ihr drittes Album Illusion.
Kira Linn mit ihrem Baritonsaxophon. 2023 veröffentlichte Linn mit ihrem Sextett Linntett ihr drittes Album „Illusion“. | © Marina Rosa Weigl

Im April 2023 veröffentlichte die deutsche Baritonsaxophonistin, Sängerin und Komponistin Kira Linn mit ihrem Sextett Linntett ihr drittes Album. „Illusion“ bewegt sich zwischen den unterschiedlichen Genres Jazz, Pop, Indie, Electro, Neo-Soul und RnB, und bei einigen Titeln setzt Linn erstmalig ihre Stimme ein. Emotionen wie Wut und Ohnmacht, aber auch Gefühle der Stärke und Freiheit, die während der Zeit der Pandemie aufkeimten, liegen diesem aktuellen Album zugrunde.

Linn und ihre Band Linntett brechen im Mai 2023 zu ihrer ersten Südostasien-Tournee auf, die sie durch Vietnam, Thailand, Indonesien und Malaysia führen wird. In diesem Interview berichtet Kira Linn von einigen Etappen ihrer musikalischen Reise und erzählt uns von musikalischen Vorbildern, die sie inspiriert haben.
 

Gehen wir zurück zum Anfang Ihrer musikalischen Karriere. Erinnern Sie sich an Ihre erste Begegnung mit dem Saxophon?

Ich erinnere mich noch gut daran! Ich war etwa neun oder zehn Jahre alt, da sah ich die Tochter eines Freundes meiner Eltern Saxophon spielen. Ich fand es so cool, dass ich das Instrument auch spielen wollte. In der Schule hatten wir eine Klasse, in der jedes Kind ein Instrument lernen konnte. Ich hatte die Gelegenheit, mit verschiedenen Blasinstrumenten zu experimentieren, aber es war das Saxophon, das ich unbedingt spielen wollte. Ich habe das Tenorsaxophon ausprobiert, das etwas kleiner ist als das Saxophon, das ich heute spiele. Und ich habe mich sofort darin verliebt. Kurz darauf wurde ich Mitglied des Orchesters und der Bigband meiner Schule. Letztlich wechselte ich zum Baritonsaxophon - es ist deutlich größer und erzeugt einen tieferen Klang als das Tenorsaxophon.


Wer hat Sie während Ihrer bisherigen musikalischen Karriere besonders inspiriert?

Für mich als Baritonsaxophonistin ist Gerry Mulligan eine meiner größten musikalischen Vorbilder. Meist wird das Baritonsaxophon in Bigbands eingesetzt, aber Mulligan spielte in einem Quartett, bei dem dieses Instrument für Melodien zum Einsatz kam, und er improvisierte auch darauf. Er hat mich inspiriert das Baritonsaxophon sowohl als Soloinstrument als auch in einer Bigband zu spielen. Mulligan hat auch großen Einfluss auf meinen Sound. Zu Beginn meines Studiums ließ ich mich auch von Tenorsaxophonisten wie Joe Lovano und Stan Getz inspirieren. In Sachen Komposition üben Maria Schneider und Guillermo Klein starken Einfluss auf mich aus. Beide sind fantastische Komponist*innen, die in New York leben. In letzter Zeit habe ich häufiger Popkünstler*innen wie Billie Eilish oder Bon Iver gehört. Dieser Einfluss zeigt sich auch auf meinem neuesten Album, welches sich stark von meinen vorherigen Arbeiten unterscheidet.


Ein Blick auf die zeitgenössische Jazzszene zeigt, dass Saxophonistinnen eher selten vertreten sind. Wie tauschen Sie sich mit anderen Saxophonistinnen aus? Welche Karrieremöglichkeiten haben Saxophonistinnen?

Zum ersten Mal mit Gesang: In diesem aktuell veröffentlichten Album versucht Linn, ihre Gefühle mit Liedtexten zu vermitteln. Zum ersten Mal mit Gesang: In diesem aktuell veröffentlichten Album versucht Linn, ihre Gefühle mit Liedtexten zu vermitteln. | © Marina Rosa Weigl Es ist sehr bedauerlich, dass Saxophonistinnen in der Jazzszene kaum vertreten sind, aber ich denke, dass sich das gerade verändert. Vor allem in Köln, wo ich lebe, treten immer mehr Instrumentalistinnen auf. Wir haben eine starke Gemeinschaft von Musikerinnen, die sich gegenseitig unterstützen. Wir arbeiten zusammen und spielen gemeinsam Konzerte. Auch wenn es bisher nur wenige sind, haben es Saxophonistinnen wie Melissa Aldana aus New York, die für mich ebenfalls ein Vorbild ist, tatsächlich an die Spitze geschafft. Die Karrieremöglichkeiten für Musikerinnen nehmen zu, aber zu Beginn meiner Karriere hatte ich das Gefühl, dass ich mich anderen gegenüber beweisen müsste. Es war nicht einfach, denn die Jazzszene ist männerdominiert, und es ist eine Herausforderung, in einem „Buddy-Business“ Fuß zu fassen. Es ist einfach üblich, dass Musiker eher ihre Freunde bitten, sich ihren Bands anzuschließen. Ich fordere daher von Männer in der Jazzszene mehr Initiative zu zeigen und Künstlerinnen und Instrumentalistinnen einzuladen und sie zu ermutigen, sich ihren Gruppen anzuschließen.


Was raten Sie jungen Frauen, die wie Sie professionelle Jazzmusikerinnen werden wollen?

Jazzmusikerinnen am Anfang ihrer Karriere rate ich, sich selbst zu stärken, eine positive Einstellung anzunehmen und sich Vorbilder zu suchen. Ich ermutige junge Musikerinnen bei jeder Gelegenheit, diesen Berufsweg einzuschlagen, weil er einfach cool ist und erfüllend.


2016 gründeten Sie Ihr Sextett Linntett. Erzählen Sie uns bitte mehr darüber.

Ich habe das Sextett Linntett gegründet, um ein kleineres Ensemble zu erschaffen, welches aber die Essenz der Bigband-Musik einfängt. Ich wollte eine Band mit drei Saxophonen – ein Altsaxophon, ein Tenor und ein Bariton –, da ich wusste, dass sie sehr gut miteinander harmonieren. Zudem haben wir ein Bassisten, einen Schlagzeuger und ein Pianisten dabei. Die Band spielt seit 2016 zusammen und wir haben in den letzten sieben Jahren etwa 50 Konzerte gegeben. Unser drittes Album „Illusion“ wurde gerade veröffentlicht.


Sie haben Ihr aktuelles Album „Illusion“ während der Pandemie komponiert, in einer Zeit, in der es vielen Menschen an Inspiration fehlte. Woher nahmen Sie Inspiration und Motivation, das Album zu machen?

Kira Linns aktuelles Album „Illusion“ spiegelt die Mischung an Gefühlen wider, die sie während der Pandemie empfand. Kira Linns aktuelles Album „Illusion“ spiegelt die Mischung an Gefühlen wider, die sie während der Pandemie empfand. | © Marina Rosa Weigl Das Album „Illusion“ in der Zeit der Pandemie zu erschaffen, war ein herausfordernder Prozess. Zuerst hatte ich das Gefühl, ich hätte alle Zeit der Welt zum Komponieren, aber je länger die Pandemie andauerte, desto schwieriger wurde es, meine Motivation aufrecht zu erhalten. Das Album spiegelt die Mischung an Gefühlen wider, die ich in dieser Zeit empfand. Es war keine Inspiration von außen, sondern ich musste feststellen, wie intensiv meine Gefühle waren, und ich habe versucht sie durch Musik und Worte zum Ausdruck zu bringen. Tatsächlich singe ich auf dem Album zum ersten Mal überhaupt. Ich hatte das Gefühl, dass die Liedzeilen meinen Emotionen stärkeren Ausdruck verleihen können.

Insgesamt war die Entstehung von „Illusion“ eine kathartische Erfahrung für mich, und ich hoffe, dass es bei den Zuhörer*innen, die während der Pandemie ebenfalls schwierige Zeiten durchgemacht haben, Anklang findet.


Auf diesem dritten Album singen Sie zum ersten Mal. Was hat Sie dazu motiviert?

Mich haben die vielen Künstler*innen, die ihre Gefühle mit ihrer Stimme zum Ausdruck bringen, zutiefst berührt. Liedtexte haben eine einzigartige Kraft, mich auf eine Art anzusprechen, wie es bloße Musik allein nicht kann. Als die Pandemie ausbrach, kanalisierte ich meine Empfindungen in das Schreiben und fühlte mich bald gezwungen, meine innersten Gedanken und Gefühle mit eigenen Worten auszudrücken. Das war eine völlig neue Erfahrung für mich. Ohne die Möglichkeit zu proben oder aufzutreten, ließ ich mich von Lyrik inspirieren. Das hat meine Kreativität befeuert. Und so begann ich, Texte zu schreiben, dann Liedtexte, und schließlich ertappte ich mich dabei, wie ich die Stücke laut sang. Die Authentizität dieser kreativen Reise berührt mich so tief, dass ich wusste, dass ich sie in mein Album integrieren musste.


Vielen Dank für Ihre Zeit!

Vielen Dank für Ihre Zeit, das Interview mit mir zu führen. Ich hoffe, mehr junge Musikerinnen zu inspirieren, ihre Träume in der Jazzszene weiterzuverfolgen.
 

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