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Ökosysteme
Korallenriffe: Festungen des Widerstands

Ein gesundes Stück Korallenriff mit vielen verschiedenen Fischen.
Korallen sind für die marine Biodiversität extrem wichtig. Durch die Erwärmung der Meere sind sie jedoch stark gefährdet – ein Anstieg von 1,5 Grad Celsius würde den Verlust von bis zu 90 Prozent aller Korallenriffe bedeuten. | Foto (Detail): Daniela Dirscherl © picture alliance / WaterFrame

Korallenriffe sind Ökosysteme mit sehr großer Artenvielfalt, die allerdings stark gefährdet sind. Die klimaflüchtigen Superkorallen könnten zu unerwarteten Helfern werden und womöglich das Überleben der Riffe sichern.

Von Fabio Arturo López Alfaro

Korallenriffe bilden einige der weltweit vielfältigsten und artenreichsten Ökosysteme. Doch sie beeindrucken nicht nur durch ihre Schönheit: Für die in Küstennähe lebenden Menschen sind sie von unschätzbarer Bedeutung, sowohl in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht, als auch für die Umwelt. Korallen nehmen weniger als einen Prozent der Gesamtoberfläche der Ozeane ein, beherbergen aber 25 Prozent der marinen Arten. Sie sind auch deshalb so wichtig, weil sie die Küsten vor Erosion schützen und den Menschen Nahrung und Einkommen aus Tourismus und Fischerei bieten. Trotz allem sind sie aufgrund der lokalen Klimaveränderungen und dem Stressor der anthropogenen Aktivität von der Zerstörung bedroht.

Selbst wenn das Ziel des Übereinkommens von Paris erreicht und die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt würde, wird sich die Lage bereits so sehr verschärft haben, dass mindestens drei Viertel aller Korallenriffe verschwänden. Eine Erwärmung von 2 Grad Celsius würde die fast vollständige Zerstörung aller Riffe in tropischen und subtropischen Gebieten nach sich ziehen. Ein herber Verlust, und das nicht nur für die Bewohner der Küstengebiete, sondern vielmehr für den ganzen Planeten.

Biosysteme in höchster Gefahr

Der offenkundigste Beweis für das Leiden dieser eigentümlichen Tiere ist das Korallenbleichen. Gesunde Korallen sind üblicherweise von grünlicher oder brauner Färbung. Dies liegt an den Zooxanthellen, den fotosynthetisch aktiven Algen, mit denen sie eine Symbiose eingehen und somit in einem direkten Stoffwechsel stehen. Sobald die Korallen aber über einen längeren Zeitraum unter Stress stehen, stoßen sie die Zooxanthellen ab. Durch ihr allmählich zum Vorschein kommendes Gewebe schimmert das weißliche Skelett, das der Koralle ihre Form verleiht.

Ursachen für diese Stressmomente sind beispielsweise die Überversorgung mit Nährstoffen, die Sediment-Suspension oder die Folgen des Klimawandels, etwa der Anstieg der Wassertemperatur, die Versauerung der Meere oder meteorologische Phänomene von besonderer Stärke.

Schon jetzt kann man die Veränderungen voraussehen, die diesen Ökosystemen bevorstehen. Im Fünften Sachstandsbericht des IPCC von 2014 wurden die Korallen bei einer voraussichtlichen Erderwärmung von 2,6 Grad Celsius als stark gefährdet eingestuft. Nur vier Jahre später – im IPCC-Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 Grad Celsius – wurde diese Einschätzung auf „sehr stark gefährdet“ korrigiert. Bereits ein Anstieg von 1,5 Grad Celsius würde den Verlust von 70 bis 90 Prozent aller Korallenriffe bedeuten.

Ihre Zukunft sieht daher keineswegs rosig aus und die Bewahrung dieser speziellen Ökosysteme ist eine gewaltige Herausforderung, da die derzeitigen Prognosen von einem noch höheren Temperaturanstieg ausgehen.

Superkorallen: Können sie das Überleben der Riffe sichern?

Es gibt allerdings einen Hoffnungsschimmer: die sogenannten Superkorallen. Dabei handelt es sich laut der Meeresbiologin Emma Camp um Organismen, die auch unter ungünstigen Bedingungen hohe Überlebenschancen aufweisen. Die Superkorallen sind widerstandsfähige Arten, die sich in neuen Ökosystemen niederlassen, in denen die Bedingungen möglicherweise nicht optimal sind, die aber doch zumindest eine Art Oase in einem sich aufheizenden Ozean darstellen.  

2019 veröffentlichte Camp eine Studie, in der sie nachweisen konnte, dass sich in den mit Mangrovenbäumen gesäumten Lagunen des Great Barrier Reefs von Woody Isles und Howick Island nun auch erstmals Korallen niedergelassen haben. Bevor der Klimawandel seine Spuren hinterließ, bevölkerten Korallen und Mangroven nie denselben Lebensraum. Aufgrund der Migration von immer mehr Organismen hin zu Regionen mit besseren Lebensbedingungen erleben wir heute eine Umgestaltung der Ökosysteme.

Noch sind die Auswirkungen dieser Veränderungen schwer absehbar. Die Erkenntnis, dass diese ungewöhnlichen „Klimaflüchtlinge“ in bestimmten Gebieten Zuflucht finden, könnte aber einen neuen Forschungsansatz für die Erhaltung der Korallen darstellen.

Das Mesoamerikanische Riff

Entlang der Küsten von Belize, Honduras, Guatemala und Mexiko erstreckt sich das zweitgrößte Korallenriff der Welt: das Mesoamerikanische Riff. Die Besonderheit des Riffs liegt nicht nur in seiner Ausdehnung, sondern auch in der Tatsache, dass es den Lebensraum für eine große Anzahl verschiedener Arten stellt, von denen einige vom Aussterben bedroht sind. Für die Küstenbewohner bildet das Mesoamerikanische Riff außerdem die Grundlage für ihren Lebensunterhalt, ihre Nahrungsversorgung und ihre Lebensgewohnheiten.

Trotz seiner Bedeutsamkeit gilt heute mehr als die Hälfte des Riffes als geschädigt. Ursachen sind vor allem Aktivitäten mit unmittelbarem Einfluss auf die Region, etwa Überfischung und Landwirtschaft oder der Ausbau der Küsten und des Tourismus.

Um dem entgegenzuwirken, wurden sogenannte „Unterwasser-Gärtnereien“ angelegt, in denen besonders widerstandsfähige Korallen herangezogen werden. Weiterhin bereitet man sich auf zukünftige Problemstellungen vor, wobei Schäden abgemildert und die Nachhaltigkeit von Tourismus und Wirtschaft gefördert werden sollen.

Die Menschheit steht vor der gewaltigen Herausforderung, Leben zu bewahren, und auch wenn die Zukunft unter keinem guten Stern steht, zeichnet sich doch gerade das Leben dadurch aus, seinen Fortbestand stets auf die eine oder andere Weise zu sichern. Aus diesem Grund sollten wir auch die Korallen noch nicht abschreiben: Sie sind Festungen des Widerstands.

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