Deutsche Saison | Interview
Klaus Peter Beyer
Foto: Klaus Peter Beyer
Interview mit Klaus-Peter Beyer
dem Gründer und Intendanten des Babelsberger Filmorchesters
Herr Beyer, wie kam es zum Zusammenschluss des BabelsbergerFilmorchesters? Gab es bestimmte Anstöße oder Motivationen, die wichtig waren?
Der Anstoß liegt in der Geschichte. In Babelsberg wurde bereits 1918 durch die UFA, die „Universum Film AG“, ein Filmorchester begründet und betrieben. Die erste Entwicklungsphase setzte sich bis Kriegsende fort. Nach Kriegsende übernahm die DEFA, die „Deutsche Film AG“, das Gelände und produzierte über die gesamte DDR-Zeit weitere Filme, und das Orchester war hier integrierter Bestandteil des Studios, hieß damals allerdings DEFA Sinfonieorchester. Am Anfang der 90er Jahre gab es einen Mann namens Beyer, der als Musiker durch die Mitgründung in der Musikergewerkschaft in Ostdeutschland einen anderen Blick auf seinen eigenen Berufsstand bekam. Ich kündigte und entschied mich in Form einer Selbsthilfegruppe irgendwie weiterzumachen. Da die DEFA-Musiker auch gekündigt haben, nahm ich sie dazu und dann kam es zur Fortführung des filmmusikalisch orientierten Orchesters. So entstand das Deutsche Filmorchester Babelsberg, quasi aus dem Ursprung des UFA Orchesters und des DEFA Sinfonieorchesters. Dies passt auch zum Thema “Metropolis”. Man kann davon ausgehen, dass das jetzige Orchester als Nachfolger der vorherigen Orchester angesehen wird – und somit auch des UFA Orchesters, das damals die Premiere von “Metropolis” gespielt hat und diesen Film auch in der ersten Phase in den großen Berliner Theatern begleitete.
Was glauben Sie, welche Bedeutung der Film „Metropolis“ in der Geschichte trägt?
Dienstlich und filmhistorisch ist es tatsächlich so, dass „Metropolis“ der spektakulärste Film in Europa war, der bis dahin gemacht wurde. Dieser Film hat bis heute noch Eigenheiten, die innovativ waren, sei es die Kamera oder die noch junge Tricktechnik. Es gibt diese berühmte Szene, wo sich die Maschinenfrau in Maria verwandelt. Das trägt berechtigterweise zu der historischen Bedeutung des Films bei. Es gibt noch andere Superlative, wie zum Beispiel, dass der Film selber – wenn man alles zusammengeschnitten hätte – weit über drei Stunden gedauert hätte und man folglich bemüht war, eine erträglichere Fassung in Bezug auf die Länge herzustellen.
Ein weiterer aus der fachspezifischen Sicht der Filmhistorik interessanter Aspekt ist, dass Fritz Lang mit anderen bekannten Regisseuren seiner Zeit, Simona und Pabst, einen Verein gegründet hatte, der verlangte, dass die Filme eine eigene Musik bekamen. Es war immer noch Mode, dass man irgendwelche klassischen Stücke, bis hin zum Tagesschlager, unter Filme legte und diese einfach dazu dudelten. Die Musik war sehr beliebig und hatte damit auch bei Weitem nicht die dramaturgische Wirkung, die man aus der modernen Filmmusik kennt. Das beweist sich eben sehr schön am Beispiel “Metropolis”. Nach meiner persönlichen Au¡assung ist es eines der ersten Beispiele aus der Filmgeschichte, die Schule gemacht hat. Wir haben es hier mit einem Zusammenschluss zwischen einem Regisseur namens Lang und einem Komponisten namens Huppertz zu tun. Lang hat Huppertz immer als seinen Komponisten genommen. Dieser musste oft mit am Set sein, um das Filmgeschehen und den Inhalt in sich aufnehmen zu können. Dies hat man lange Zeit betrieben, und es ist zeitweise auch heute noch so. Das berühmteste Beispiel der heutigen Zeit wären zum Beispiel John Williams und Steven Spielberg.
Man muss außerdem sagen, dass dieser Film natürlich, als einer der ersten Filme im Science Fiction Genre, als Entstehungstitel für viel spätere Filme wie “Blade Runner” und Ähnliches steht. Es veranschaulicht ein sehr soziologisches Problem, das wir heute in aller Welt haben, nämlich die Vision einer immer größer werdenden Metropole. Man nehme zum Beispiel die Stadt Gotham City aus der Trilogie der Batman-Filme Christopher Nolans: was man hier sieht, ist die Fortführung der Darstellung von “Metropolis” mit modernen Mitteln. Gotham City ist eigentlich nichts anderes als Metropolis.
Was haben Sie für Erwartungen an die Auftritte in Indonesien?
Wir sind relativ viel unterwegs, in Europa sowieso, auch in Amerika. Aber man bleibt ja immer „europäisch“, selbst in Amerika. Deswegen war es ausgesprochen interessant, als wir vor mehreren Jahren vom Goethe-Institut nach Indien eingeladen wurden. Wir waren mit dem bekannten indischen Filmkomponisten, A. R. Rahman, der auch die Musik zu dem Film „Slumdog Millionaire“ geschrieben hat, unterwegs. Wir spielten seine Musik zum ersten Mal in europäischer Form, also im Orchester. Die Menschen reagierten sehr verschieden darauf.
Es gab viele Momente, die immer noch nachschwingen. Deswegen war die Reise für mich unheimlich wichtig. Ohne diese Erfahrungen würde mir etwas fehlen. Leider weiß ich noch nicht viel über Indonesien, weil ich privat eher ein Reisemu¡el bin. Ich fliege nie länger als zwei Stunden, wenn es dann mal in den Urlaub gehen soll. Insofern war ich, wie auch vier Fünftel der Babelsberger Mitglieder, noch nie in Indonesien. Mich interessiert vor allem, wie das Publikum ist. Wie fasst man unsere Musik auf? Wie fasst man europäische Musik überhaupt auf? Sind sie emotional und zeigen das auch? Das sind so die Fragen, die mir im Vorfeld durch den Kopf gehen und mich interessieren. Ich denke, wir werden uns einfach überraschen lassen. Das ist im Leben doch das Beste.
Was denken Sie wird die größte Herausforderung hier sein?
Man hat im Vorfeld gewisse Rituale und Vorstellungen von den Äußerlichkeiten der Orte, wie zum Beispiel von Konzertsälen und Garderoben. Dies beeinflusst auch eine gewisse Norm bei den Leuten. Es ist immer wieder spannend. Ich denke, dass es eine Menge Stresspotential für die Musiker gibt, weil sie bei weitem nicht so flexibel sind wie normale Individualtouristen. Klimatische Dinge werden sicherlich eine Herausforderung sein. Erfahrungsgemäß sind die europäischen Instrumente nicht für solche klimatischen Bedingungen konzipiert worden. Andere Fragen sind, ob die Technik funktioniert, ob die Inlandflüge reibungslos verlaufen und der Transport und die Organisation der Instrumente funktionieren – das ganze Drumherum eben. Ich denke, das wird eine gewisse Herausforderung sein. Wenn das Land selber ausgeglichen ist, wird alles andere kein Problem sein.
Dieses Interview erschien zuerst auf der Webseite der Deutschen Saison/Klaus-Peter Beyer