FOOD AS AN OBJECT OF DESIGN
Martí Guixé begann seine Auseinandersetzung mit Essen in den 1990er Jahren als Industriedesigner. Seine experimentelle Herangehensweise an Lebensmittel sollte letztlich das Feld des Lebensmitteldesigns (sog. Food Design) verändern. In seiner Arbeit beschäftigt er sich mit der grundlegenden Frage, was es bedeuten würde, wenn Lebensmittel trotz ihrer Vergänglichkeit wie jedes andere Massenprodukt behandelt werden.
Alfred Barr Jr.'s Diagramm "Cubism and Abstract Art" (1935), welches die Herkunft und die Entwicklung der modernen Kunst darstellt, dient als Ausgangspunkt für Guixé. In "10 Years" (2007) und "+10 Years" (2017) stellt Guixé die Herkunft und die Entwicklung des Food Designs dar, indem er seine Arbeit chronologisch in das erste und zweite Jahrzehnt des einundzwanzigsten Jahrhunderts einordnet. Im Mittelpunkt seines Diagramms steht "Ex-Design", ein Begriff, den er erfunden hat, um sich von den Grenzen des Designs zu verabschieden und stattdessen, über die Grenzen der Disziplin hinaus zu arbeiten.
Das erste und berüchtigtste von Guixés essbaren Objekten ist "SPAMT" (1997), eine Arbeit, die er zwanzig Jahre später weiterentwickeln sollte. Das Projekt dreht sich um einen traditionellen katalanischen Snack aus Brot, Tomaten, Olivenöl und Salz. Guixé bemerkte die Schwierigkeit den Snack am Laptop zu essen, und verwandelte ihn in ein Objekt, das in einem Bissen gegessen werden konnte, wobei er sogar so weit ging, die Größe der Tomate an den Mund der Person anzupassen. Die "Techno Tapas''-Serie reagierte auf die Verbreitung des Internets und die damit einhergehenden neuen Verhaltensweisen und zog sogar die Möglichkeit des Verzehrs unter Wasser in Betracht. In "Tapas Pasta'' (1997) verwandelte Guixé Nudeln in ein Fingerfood, das geteilt und in verschiedene Soßen getunkt werden konnte.
Das mangelnde Interesse der Designwelt zwang Guixé dazu, sich der Kunst zuzuwenden. Der Ausstellungsraum wurde zu einem Raum des Erkundens und des Experimentierens. Guixés erste Performance "SPAMT Factory'' (1997) geht auf die Bitte eines Galeristen zurück, doch ein essbares und ausstellbares Objekt zu produzieren. Guixé war jedoch nicht dazu bereit und stellte klar, dass "[er] nicht am Kochen interessiert sei". Stattdessen lud er seine Freunde zu einer improvisierten Live-Performance ein und produzierte 500 der Spamt-Konzepte am Fließband.
Guixé sollte später dafür gelobt werden, dass er Performance und Design miteinander verband. In "Food Karaoke Barcelona" (2001) schuf er eine Reihe von 'Gegebenheiten', die die Ausstellungsbesucher dazu anregten, ihre eigenen Spamt-Konzepte anhand von Videos zu erstellen. "Seed Safe" (2010), ein Ort zur Aufbewahrung von Samen, und "I Cakes", eine Visualisierung der Zutaten eines einzelnen Kuchens, sind solche Arbeiten, die neben dem eigentlichen Artefakt, eine Anleitung erfordern. Oftmals ist die Schaffung neuer Typologien "nicht intuitiv und schwer zu kommerzialisieren", sagt Guixé.
Seine Experimente mit Geschäftsmodellen bringen die performativen, interaktiven und instruktiven Aspekte seiner Arbeit zusammen. "Food Facility" (2005) war ein behelfsmäßiges Restaurant ohne Küche, in dem die Besucher bei 15 verschiedenen Take-out Restaurants bestellen konnten. Eine zentrale Station, inspiriert von den Google-Farben, zentralisierte und organisierte die Bestellungen der einzelnen Tische aus den verschiedenen Restaurants. Lapin Kulta Solar Kitchen (2011) setzte beim Bau einer Outdoor-Solarküche auf eine minimale und fast verschwindende Architektur, getreu seinem Motto "consider everywhere as indoor" als Inspirationsquelle.
Anlässlich seiner zwanzigjährigen Auseinandersetzung mit Food Design verbindet "The Ex Designer Project Bar" (2015 - 2018) Guixés Liebe zur Innenarchitektur und zum Food Design, indem er Fiktion, Technologie und Design zusammenbringt. Guixé stellte sich einen leeren Innenraum vor, der erst selbst 3D-gedruckt wird und dann auch die benötigten Lebensmittel in 3D druckt. Die Bar, die nicht davon abhängt, dass Menschen tatsächlich eintreten, ist ein Blick auf "Geschäftsmodelle" als künstlerische Disziplin.
Obwohl das Interieur der Bar nicht zu dem von Guixé beabsichtigten Zeitpunkt fertiggestellt wurde und die Technologie des Lebensmitteldrucks noch weit hinter seiner Vision zurückliegt, druckte er 2017 das erste digitale synthetische Spamt-Konzept "Digital Spamt" und zeichnete seinen Prozess im Octavi Rofes Diagramm (2017) von 1997, mit dem ersten Spamt-Konzept, bis 2037 nach. "Digital Food" (2017), ein spekulatives Projekt, sieht eine Zukunft voraus, in der "Lebensmittel nicht mehr von der Landwirtschaft oder Tradition abhängen, sondern von Architektur und Designdenken", so Guixé.
Nach zwei Jahrzehnten im Lebensmitteldesign und unzähligen Experimenten, existieren die einzigen Spuren von Guixés essbaren Objekten in Büchern und in den Medien, die er gesammelt hat. Ihre Unbeständigkeit jedoch entspricht ganz Guixés wahrem Geist, der sich den Möglichkeiten des Designs immer durch eine spielerische und rebellische Linse nähert. Wenn wir uns einer Arbeit von Guixé nähern, müssen wir uns an sein berüchtigtes Zitat erinnern: "Ich hasse Objekte."
Martí Guixé
Mit 25 Jahren Erfahrung im Lebensmitteldesign gilt der aus Barcelona stammende Martí Guixé (geb. 1964) als Pionier. Guixé hat in Mailand Innen- und Industriedesigner studiert, bezeichnet sich jedoch als "Ex-Designer" als Statement gegen die Beschränkungen der traditionellen Rolle von Designern. Mit seinem unkonventionellen, humorvollen Blick bemüht sich Guixé um die Arbeit mit Lebensmitteln als Designobjekt. Er hat verschiedene Bücher über die Disziplin veröffentlicht und wurde für seinen Beitrag mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Seine Arbeit wurde international ausgestellt, unter anderem im MoMa in New York und im Centre Pompidou in Paris. Im Jahr 2014 hat er den Studiengang Food Design an der Scuola Politecnica di Milano, SPD, gegründet und ist dort als Professor tätig. Er lebt zwischen Barcelona und Berlin.