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Deutsche Spuren im Libanon
Kara ben Nemsi in Quarantäne: Karl May besucht den Libanon

Karl May
Karl May | © Unbekannt

Der bekannteste Protagonist unserer Auswahl ist wohl Karl May (1842-1912), Autor der berühmten Winnetou- und Kara Ben Nemsi-Abenteuerromane. Oft wurde kolportiert, May habe die Landschaften, die seinen Romanen als Kulisse dienten, nie gesehen und stattdessen wissenschaftliche Reisebeschreibungen und andere Reiseliteratur „kopiert“. Dieser Vorwurf stimmt nur zum Teil.

Zwar begab sich May nach Heike Hartmann „ohne den Schreibtisch zu verlassen […] mit dem Finger auf der Landkarte auf Abenteuerreise“, immerhin aber bereiste er manche Schauplätze seiner Romanhandlungen in fortgeschrittenem Alter.  Allerdings hatte er die meisten seiner Werke bereits vor seinen Reisen verfasst.

Zweimal machte May auf seiner ausgedehnten, fast anderthalb Jahre dauernden Orientreise im Libanon Station. Der erste Eindruck von Beirut war freilich kein guter: Nach der Anlandung des Schiffes Ende Juni 1899 wurde May, aus Port Said kommend, wegen einer Pestepidemie knapp zwei Wochen lang am Beiruter Hafen in Quarantäne gesetzt - die ehemalige Quarantäne-Station war übrigens Namensgeberin für das bis heute bestehende Beiruter Stadtviertel „Qarantina“. Mays Reisepläne im Land waren damit erst einmal „auf Eis“ gelegt. 

Aus der Quarantäne entlassen, bezog May im örtlichen Hotel Allemand,  dem Deutschen Hof,  Quartier und unternahm in den verbleibenden Tagen einige kurze Ausflüge in und um Beirut. Noch von den Strapazen der Quarantäne gezeichnet, schrieb er zwei Tage vor seiner Abreise nach Haifa:

„Der Libanon ist grad in der Gegend von Beyrut von wunderbarer Schönheit, ja Großartigkeit. Ich habe ihn eine ganze Woche lang studirt. So lange hat es gedauert, mich von den Entbehrungen der 12-tägigen Quarantaine zu erholen. Ich war ganz mager und kraftlos geworden.“  

(Aus einem Brief Mays an Wilhelmine Beibler, 15.07.1899, in: Hans Wollschläger / Ekkehard Bartsch: Karl Mays Orientreise 1899/1900: Dokumentation, in: Claus Roxin (Hrsg.): Jahrbuch der Karl May Gesellschaft (1971))

Ein knappes Jahr und zahlreiche Reisehöhepunkte später - zwischenzeitlich hatte May u.a. Jerusalem, Colombo und Sumatra bereist - besuchte der Schriftsteller abermals libanesisches Gebiet. Unterbrochen von einem einwöchigen Besuch von Damaskus verbrachte May die Tage zwischen dem 29. Mai und 18. Juni 1900 zwischen Beirut und Baalbek. 

Tatsächlich war die Ruinenstadt, deren Ausmaße May sehr beeindruckten, bereits Schauplatz einer Abenteuerschichte um Kara Ben Nemsi, Hadschi Halef Omar und Lord Lindsay gewesen, die der Autor in seine 1892 erschienenen Reiseerzählung „Von Bagdad nach Stambul“ eingeflochten hatte: Nach einem Juwelenraub in Damaskus entkommt der Bösewicht Abrahim Mamur auf dem Rücken eines Pferdes und als Begleiter des ahnungslosen englischen Lord Lindsay gen Küste. Die Straße nach Beirut vermeidet der Dieb sorgsam und weicht stattdessen lieber auf die Passstraße am Barrada-Fluß bei Zabadani aus. In der Ruinenstadt Baalbek kommt es zum „Showdown“. In einem unterirdischen Tunnellabyrinth können die um einen örtlichen Würdenträger verstärkten Verfolger den Dieb kurzzeitig stellen und ihm die Beute sogar abnehmen. Doch der Dieb entkommt mit einer List, nimmt die Beute ein weiteres Mal an sich und entwischt nach Tripoli, wo er sich, wenige Minuten vor dem Eintreffen seiner Verfolger, auf ein gerade in Richtung Norden ablegendes Schiff flüchtet. So muss der Fall später in der Türkei gelöst werden. 

Mays Reise zweiter Aufenthalt im Libanon verlief weniger abenteuerlich. Zusammen mit seiner Ehefrau Emma und einem befreundeten deutschen Ehepaar, unternahm May einige weitere Ausflüge im Land. Durchweg positiv äußerte sich May über die Bewohner Beiruts und des Libanongebirges. Besonders gefiel ihm die Architektur libanesischer Privathäuser. In der Nähe von Bikfaya besuchte er eine Seidenspinnerei und beobachtete dort das Abspinnen von Cocons. Begeistert war er, als sein Mittagessen im Hotel Saalmüller in Broumanah auf Kosten des Hauses ging. Folgendes Zitat ging 1903 in den vierten Teil seiner Reiseerzählung „Im Reiche des silbernen Löwen“ ein: 
 
„Wer des Nachts unter funkelndem Sternenhimmel […] vom herrlichen Brummana des Libanon hinunter auf die Lichter und den Hafen von Berut [sic] geschaut hat, dem werden diese Stunden lebenslang im Gedächtnisse bleiben.“

(Karl May: Im Reiche des silbernen Löwen, Bd. 4, in: Karl May‘s gesammelte Reiseerzählungen, Bd. 29, Freiburg im Breisgau 1903, S. 3.) 

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