Deutsche Spuren im Libanon
Kaiser Wilhelm II: Der „Reise-Kaiser“ in Baalbek
Dass Kaiser Wilhelm II. gerne auf Reisen war, ist kein Geheimnis. Zu Friedenszeiten hielt es das Staatsoberhaupt selten in Potsdam oder Berlin; oft war er in deutschen Kurstädten anzutreffen oder unternahm ausgedehntere Reisen innerhalb Europas. Im Jahre 1898 machte Wilhelm im Zuge seiner im Kaiserreich durchaus kritisch gesehenen zweiten Orient-Reise auch Station in Baalbek.
Als Reisemittel im Landesinneren diente selbstverständlich die drei Jahre vorher eröffnete Libanonbahn, die Beirut auf Schmalspurweite und stellenweise mit Zahnradantrieb, mit Damaskus verband. Abweichend vom offiziellen Reiseplan, hatte die von drei weiteren Schiffen begleitete kaiserliche Yacht MS Hohenzollern zunächst am Morgen des 5. November im Beiruter Hafen Anker gesetzt. Folgendes Bild zeichnet der offizielle Reiseband des Kaisers:
(Das deutsche Kaiserpaar im Heiligen Lande, S. 341)
Auch den nächsten Tag verbrachten Wilhelm und Auguste Viktoria mit ihrem Gefolge in Beirut. Obwohl der Libanon unter französischem Einfluss stand, wurde Wilhelm von Bevölkerung und Notablen – glaubt man den Quellen – mit äußerster Begeisterung empfangen. Am 7. November wurden das Kaiserpaar und seine Entourage in einem Triumphzug zum Bahnhof der Libanonbahn geleitet. Erstes Ziel war Aley. Der offizielle Reiseband berichtet:
(Das deutsche Kaiserpaar im Heiligen Lande, S. 346f.)
Von Aley ging es weiter in die Beqaa und über Muallaqa bei Zahle mit der Libanonbahn nach Damaskus, wo Wilhelm nicht nur dem Grab Saladins die Ehre erwies und ihm einen neuen Sarkophag stiftete, sondern sich auch zum Freund der Muslime ausrief. Am 10. November machten sich die kaiserlichen Hoheiten auf den Rückweg mit dem Sonderzug. In Muallaqa wurde Wilhelm von weiß gekleideten Ehrenjungfrauen mit in den kaiserlichen Farben gehaltenen Schärpen begrüßt. Der Weg nach Baalbek musste dann mit einem Fuhrwerk zurückgelegt und dies sei „en grande pompe“ erfolgt, wie die französischsprachige Zeitung Hadikat-el-Akhbar am 17. November 1898 berichtete. Gegen Abend traf die Reisegesellschaft in Baalbek ein.
Nach einer kurzen Nacht im Zeltlager, das inmitten der Ruinenstadt errichtet worden war, besichtigte der Monarch die beeindruckenden Reste der Tempel am frühen Morgen. Im Zuge dessen weihte er zwei Marmortafeln ein, die wegen des damals dort befindlichen Schuttberges heute einige Meter über dem Boden an einer Seitenwand des Bacchus-Tempels hängen.
Die Rückreise des Kaiserpaars nach Beirut erfolgte wieder mit der Bahn von Muallaqa aus. Zurück in Beirut erwartete die Reisegesellschaft ein erneut triumphaler Empfang:
(Das deutsche Kaiserpaar im Heiligen Lande, S. 378)
Auch wenn dieser Besuch des Kaiserpaars der einzige in der Levante blieb, praktische Auswirkungen hatte er allemal: Schon wenige Wochen nach seiner Rückkehr in die Heimat, sandte Wilhelm erstmals deutsche Archäologen nach Baalbek, die noch Ende 1898 mit der Beseitigung von Schutt und ersten Ausgrabungen begannen.
Thomas Scheffler schreibt in seinem Beitrag, dass unter Beiruter Hafenarbeitern noch lange Jahre ein Lied populär geblieben sei, dass im Zuge des Kaiserbesuchs entstanden sei. Das Lied habe folgenden Inhalt gehabt:
(Thomas Scheffler: Vor hundert Jahren: Wilhelm II. im Libanon – Stationen und Zitate, S. 155.)
Gäste des Baalbeker Palmyra-Hotels mögen sich wundern, dass dort auch heute noch an den Besuch des Kaisers in der Ruinenstadt erinnert wird, unter anderem mit einem Standbild des Monarchen.