Deutsche Spuren im Libanon
Bauer Filmprojektoren auf der „berühmteste Flaniermeile des Nahen Ostens“
Im Jahr 2002 hatte das Saroulla endültig seine Pforten geschlossen. War es in den 1960ern noch eines der beliebtesten Kinos in Beirut gewesen, so hatten der libanesische Bürgerkrieg (1975-1990) und nach seinem Ende das Entstehen riesiger Kinokomplexe dem kleinen Lichtspielhaus stark zugesetzt. Immer weniger Gäste kamen. Das Geld für notwendige Reparationen fehlte und das Kino musste letztlich schließen. Drei Jahre lang stand das Kino leer, bis sich ein Nachfolger, das Varieté-Theater und Kino „Metro al-Medina“, fand.
„Niemand hatte sich in der Zwischenzeit um das Gebäude gekümmert. Alles war voller Staub und Spinnweben“, erinnert sich Mohammed, der technische Direktor von Metro al-Medina. Nachdem er bei seinem ersten Besuch den heruntergekommenen Vorführungssaal angeschaut hatte, begab er sich auf Spurensuche in den Keller. „Das Saroulla war ein so altes und traditionsreiches Kino, ich war sicher, dass ich im Lager etwas Spannendes finden würde.“ Er sollte nicht enttäuscht werden. In der hintersten Ecke des Lagers, zwischen Eintrittskarten und alten französischen und ägyptischen Kinopostern, fand er vier zwei Meter große alte Filmprojektoren der Marke Bauer. Made in Germany, in Untertürkheim, um genau zu sein - Erinnerungen an eine vergangene, glorreiche Zeit.
Vor dem libanesischen Bürgerkrieg galt die Hamra-Straße als die populärste Flaniermeile des Nahen Ostens und als intellektuelles Herz Beiruts. Aus allen arabischen Ländern strömten Künstler und Intellektuelle jeder politischen Couleur nach Hamra, wo sie die Cafés und Nachtclubs bevölkerten. War Kairo auch die unangefochtene Hauptstadt der arabischen Filmproduktion, so war Beirut die Kino-Hauptstadt der arabischen Welt: 1960 besuchte jeder Libanese im Schnitt 22,5 mal ein Kino – nur in Hong Kong wurden in diesem Jahr laut UNESCO mehr Filme geschaut. Alleine auf der Hamra-Straße gab es 14 verschiedene Kinos, darunter das berüchtigte Eldorado, Picadilly und Versailles. Das Saroulla, das nach der Frau eines amerikanischen Filmproduzenten benannt sein soll, eröffnete 1961 seinen Betrieb. Berühmt waren die libanesischen Kinos für ihr breites Spektrum von Filmen aus Ägypten, Hollwood und Europa, als auch für die hohe Qualität der Vorführungen. Als Mohammed 2005 die deutschen Filmprojektoren fand, von denen einige noch mit Kohlebogenlampen liefen, stellte er fest, dass die Hälfte von ihnen noch anstandslos funktionierten.
Der Bürgerkrieg trennte Beirut in einen muslimischen Teil im Westen und einen christlichen im Osten. Weniger Zuschauer besuchten die im westlichen Hamra gelegenen Kinos und Privat-Fernsehgeräte wurden populärer. Milizen besetzten manche der Kinos und benutzten ihre geräumigen Keller als Munitionslager. Heute sind die vielen Kinos aus Hamra verschwunden. Ihre Plätze haben Starbucks, H&M und Nike-Geschäfte eingenommen. Charakterlose Kinokomplexe in großen Malls sind an die Stelle der alten Kinos in Hamra getreten. Waren die alten deutschen Projektoren, die Mohammed im Keller des Saroulla entdeckte, auch noch teilweise funktionstüchtig, fand er trotzdem keine Verwendung für sie. Im Libanon gibt es kein Museum, das sich der „goldenen Zeit“ Beiruts widmet. Da Mohammed die Erinnerungsstücke an das alte Beirut aber nicht wegwerfen oder weiter im Keller verstauben lassen wollte, beschloss er die Projektoren in den Eingangsbereich des Theaters zu stellen. Hier ziehen sie neugierige Blicke auf sich und erinnern an die „goldene Zeit“ der Kinoszene in Beirut.