Was ist CLIL?
Was ist CLIL? In der Antike gab es zum Beispiel Vorschläge, eine andere Sprache und damit gleichzeitig auch eine andere Kultur im Zielsprachenland zu lernen. Im Mittelalter waren viele Menschen mehrsprachig, wobei bekannt ist, dass mit Ausnahme des Lateinischen keine Sprache systematisch in der Klosterschule oder einer anderen Bildungseinrichtung gelernt wurde. Fremdsprachen wurden, fast wie die Muttersprache, gelernt, indem man sie in der Interaktion mit Muttersprachlern benutzte, meist, um den eigenen Handels- und Berufsinteressen nachgehen zu können. Ähnlich trugen die Gouvernanten in den Adelshäusern und den reichen Bürgerfamilien im 18. und 19. Jahrhundert dazu bei, dass ihre Zöglinge Fremdsprachenkenntnisse entwickelten: die Gouvernante benutzte ihre Muttersprache, das Französische, um die Kinder zu unterrichten, und diese erwarben – auf „natürliche“ Weise – diese Sprache als Fremdsprache oder häufig sogar als Zweitsprache, indem sie sich ihrer bedienten, um Inhalte der Geschichte, der Geographie oder anderer Fächer zu lernen. In gewisser Weise unterliegt schon in der Antike und im Mittelalter, mehr aber noch im 18. und 19. Jahrhundert dieser Art des sprachlichen und interkulturellen Lernens das Grundprinzip des bilingualen Sachfachunterrichts, eine Fremdsprache und ein Sachfach integriert zu lernen, indem man sich der Fremdsprache als Arbeitssprache bedient.
Alternative Methoden des Sach- und Fachlernens
Seit geraumer Zeit gibt es in der ganzen Welt Schulen, in welchen alle Schulfächer nicht in der Landessprache, sondern in einer der großen Kultursprachen unterrichtet werden. Die deutschen Auslandsschulen, die französischen Gymnasien, die britischen Internatsschulen und seit einiger Zeit auch die Schulen, die von den europäischen Institutionen für die Kinder ihrer Mitarbeiter eingerichtet werden, sind moderne Beispiele für vom traditionellen Fremdsprachenunterricht abweichende alternative Methoden des Sprach- und Sachfachlernens, die sich des Grundprinzips des bilingualen Unterrichts, der Integration von Fremdsprache und Sachfach bedienen.Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass die gerade genannten Schulen fast ausschließlich den Charakter von Eliteschulen haben, wobei sich der Begriff Elite nicht nur auf hohe intellektuelle Fähigkeiten der Schüler, sondern auch auf die finanziellen Möglichkeiten bezieht, welche Eltern haben, um ihre Kinder auf diese Schulen zu schicken. Eine solche Auslese hat über einen langen Zeitraum hinweg dazu geführt, dass nur wenigen jungen Menschen der Weg zu dieser zweifellos attraktiven Lernform offen stand. Durch die Etablierung so genannter bilingualer Zweige an normalen Regelschulen (Gymnasien und Realschulen) insbesondere in Deutschland und Österreich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das bilinguale Sachfachlernen für Schüler aller Gesellschaftsschichten möglich. Die Sprachenpolitik der Europäischen Union (jeder Bürger der EU soll neben seiner Muttersprache wenigstens zwei Gemeinschaftssprachen sprechen) hat dazu geführt, dass der bilinguale Sachfachunterricht inzwischen in ganz Europa auf große Zustimmung stößt.
Vielzahl der Begriffe
Die Zahl der Begriffe, mit welchen das didaktische Konzept bezeichnet wird, ist erstaunlich groß. Der deutsche Begriff Bilingualer Sachfachunterricht, der eigentlich mehrdeutig ist, findet sich auch als Formel Gebrauch der Fremdsprache als Arbeitssprache, was auf eine etwas andere Perspektivierung verweist. Im englischsprachigen Kontext finden sich Begriffe wie Teaching Content through a Foreign Language, Dual Focussed Instruction, Bilingual Content Teaching oder gar Content Based Language Teaching. Auch diese Bezeichnungen machen deutlich, dass das Grundkonzept des bilingualen Lernens unterschiedlich interpretiert wird.Im letzten Jahrzehnt hat sich im englischen und französischen Sprachraum ein Begriff durchgesetzt, der in immer stärkerem Maße zur Bezeichnung des Konzeptes verwendet wird: Content and Language Integrated Learning (abgekürzt: CLIL) bzw. Enseignement d’une Matière par l’Integration d’une Language Etrangère (abgekürzt EMILE). Zwar wird im deutschsprachigen Raum weiterhin offiziell der Begriff Bilingualer Sachfachunterricht verwendet, jedoch finden sich inzwischen auch Versuche, den englischen Begriff CLIL ins Deutsche zu übertragen (zum Beispiel Integriertes Fremdsprachen- und Sachfachlernen). Es ist sicherlich zu begrüßen, dass trotz der schon in den Begriffen erkennbaren Vielfalt in der Interpretation des Konzeptes sich ein einheitlicher Name abzuzeichnen beginnt, der es erlaubt, den Ansatz unvoreingenommen zu betrachten. Allerdings erfordert dies auch eine Definition, die die in den Begriffen angelegte Vielfalt angemessen einbezieht. Eine solche Definition wurde schon Anfang dieses Jahrhunderts vorgelegt (vgl. Marsh & Langé 2002) und im Eurydice-Bericht der Europäischen Union (vgl. Eurydice-Bericht 2006) leicht modifiziert vorgestellt. Sie lautet wie folgt:
The acronym CLIL is used as a generic term to describe all types of provision in which a second language (a foreign, regional or minority language and/or another official state language) is used to teach certain subjects in the curriculum other than the language lessons themselves. (Eurydice 2006: 8)
Instrument zur Förderung von Fremdsprachen
Die Definition betont, dass in einer CLIL-Schule nicht der gesamte Unterricht, sondern Fachunterricht in einer Reihe von Fächern in der Fremdsprache durchgeführt wird. Dies unterscheidet CLIL von den oben genannten Auslandsschulen und den Schulen der Europäischen Union, in welchen der gesamte Unterricht in einer anderen Sprache durchgeführt wird. Außerdem grenzt sich CLIL so auch vom kanadischen Immersionsunterricht ab, in welchem häufig ebenfalls der gesamte Unterricht in einer anderen Sprache durchgeführt wird, ohne dass Vorsorge für die Entwicklung der fremdsprachlichen Kenntnisse der Schüler getragen wird. Fremdsprachenunterricht findet in Immersionsklassen nicht statt; der CLIL-Unterricht hingegen wird zum einen von einem normalen – zum Teil erweiterten – Fremdsprachenunterricht begleitet, zum anderen findet im CLIL-Unterricht selbst auch Sprachunterricht statt, insbesondere wenn es die Vermittlung des Sachfachs erforderlich macht. Das bedeutet also, dass der CLIL-Unterricht wirklich ein integrierter Sprach- und Sachfachunterricht ist.Die Sachfächer, welche die Definition nicht genauer spezifiziert, sind – das ist aus dem Eurydice-Bericht und aus anderen Befragungen bekannt – weitgehend geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer, also Geschichte, Geographie, Sozialkunde. Es werden aber durchaus auch naturwissenschaftliche und musische Fächer in einer anderen Sprache unterrichtet.
Nicht auf die traditionellen Fremdsprachen beschränkt
Von großer Bedeutung in der Definition ist, dass die CLIL-Sprachen nicht auf die traditionellen Fremdsprachen beschränkt sind, sondern auch Minderheitssprachen, Regionalsprachen oder andere offizielle Sprachen des Landes sein können. Die Definition macht damit deutlich, dass CLIL nicht nur ein sprachenpolitisches Instrument zur Förderung von Fremdsprachen, insbesondere des Englischen, ist, sondern auch dazu dienen kann, Sprachen zu fördern, die nur von wenigen Menschen gesprochen werden. Geographisch definierte Minderheitssprachen wie das Sorbische in Deutschland oder das Bretonische in Frankreich fallen genau so darunter wie Minderheitssprachen, die in angrenzenden Ländern Mehrheitssprachen sind, so zum Beispiel das Französische im Aosta-Tal oder das Deutsche in Elsass-Lothringen. Auch sozial definierte Minderheitssprachen können durch CLIL gefördert werden; ein Beispiel ist das Türkische in Deutschland, das in einer Reihe von Berufsschulen benutzt wird, um Fächer wie Wirtschaft zu unterrichten. Andere offizielle Landessprachen werden zum Beispiel in der Schweiz durch CLIL-Unterricht gefördert.Bandbreite des CLIL-Unterrichts.
CLIL eignet sich ebenso für die Primarstufe wie für die Sekundarstufe und den tertiären Bereich. In einer Reihe europäischer Länder werden einzelne Lernbereiche schon in der Grundschule in einer Fremdsprache unterrichtet. In der Sekundarstufe findet sich CLIL am häufigsten, ist aber auch in Deutschland nicht auf das Gymnasium beschränkt. Und viele Berufsschulen bedienen sich dieses didaktischen Instruments, um Sachfach- und Sprachlernen miteinander zu verbinden. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass die Länge des CLIL-Unterrichts ganz verschieden sein kann: es gibt Programme, die nur wenige Wochen dauern; andere Angebote reichen bis zu sechs Jahren.Abschließend soll noch auf einen Aspekt hingewiesen werden, der in der auf „Neutralität“ bedachten Definition nicht deutlich wird. Bisher war das didaktische Konzept, das CLIL unterliegt, weitgehend „Eigentum“ der Fremdsprachenlehrer. Das überrascht nicht, ist es doch gerade der hoch kompetente Erwerb der Fremdsprache im Rahmen dieses Ansatzes etwas Faszinierendes, hinter dem der Erwerb der Inhalte des Sachfachs ein wenig zurück zu bleiben scheint. Bis vor nicht allzu langer Zeit hat sich auch die Sachfachdidaktik kaum mit dem CLIL-Ansatz beschäftigt, ihn sogar weitgehend abgelehnt, weil sie für das Sachfach keinen Mehrwert zu erkennen vermochte und sich nicht zum Erfüllungsgehilfen des Fremdsprachenunterrichts machen lassen wollte. In den letzten Jahren hat sich allerdings ein Meinungswandel vollzogen, insbesondere weil in Empfehlungen und Richtlinien deutlich gemacht wurde, dass der bilinguale Sachfachunterricht auf den Prinzipien der Sachfachdidaktik basiert und der Erwerb von Inhalten des Sachfaches für ebenso wichtig erachtet wird wie der Erwerb der Sprache. Außerdem konnte in ersten empirischen Untersuchungen (etwa Lamsfuß-Schenk 2002) gezeigt werden, dass auch das Sachfach vom Unterricht in der Fremdsprache profitiert.
Literatur zum Thema
Lamsfuß-Schenk, S. (2002): „Geschichte und Sprache – Ist der bilinguale Geschichtsunterricht der Königsweg zum Geschichtsbewusstsein?“ In Breidbach, S., Bach, G. & Wolff, D. (eds.): Bilingualer Sachfachunterricht: Didaktik, Lehrer-/Lernerforschung und Bildungspolitik zwischen Theorie und Empirie. Frankfurt: Lang, 191-206.
Marsh, D. (2002): CLIL/EMILE – The European Dimension: Actions, Trends and Foresight Potential. Bruxelles: The European Union