Ulrich Ribbert empfiehlt
Zeit der Zauberer
Bislang war es vor allem Thomas Mann, der uns als Zauberer vorgestellt wurde. Man denke an die große Biografie von Peter de Mendelssohn. Jetzt arbeitet sich Wolfram Eilenberger am Leitfaden dieser Metapher durch das Leben und Werk von Martin Heidegger, Ernst Cassirer, Ludwig Wittgenstein und Walter Benjamin. Für alle vier liegen bereits fundierte Darstellungen vor, die Eilenberger nutzt und zitiert.
Das Spannende des vorliegenden Buches besteht darin, den Blick auf diese einmalige Konstellation in der jüngeren deutschen Philosophiegeschichte zu lenken. Dramaturgischer Höhepunkt ist natürlich die Davoser Disputation (1929) zwischen Cassirer und Heidegger. Immer ging es in den Zwanzigerjahren um die ganz großen Fragen, um den Verfall der Moderne, um den alles verfälschenden Geist, der uns umgibt und aus dem wir uns befreien müssen. Eilenberger gelingt es, das Raunen aus dieser Debatte zu nehmen und sie Schritt für Schritt, in vielen kleinen, gut lesbaren Kapiteln sehr verständlich zu rekonstruieren. Und noch etwas wird bei aufmerksamer Lektüre deutlich: Heideggers Einsatz für den Nationalsozialismus ergibt sich nicht zwingend aus seiner Philosophie der Zwanzigerjahre, aber doch ganz zwanglos (W. Franzen).
Wolfram Eilenberger
Zeit der Zauberer. Das große Jahrzehnt der Philosophie 1919–1929
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart, 2018
ISBN 978-3608947632
431 Seiten
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