Urška P. Černe empfiehlt
Der vergessliche Riese
Nur wenige Bücher im Deutschen sind so filigran gebaut. Dieses ist in luftigen Dialogen geschrieben. Gelenkig. Die Gespräche des Erzählers mit der Hauptfigur – dem demenzkranken Vater – stellen die fortschreitende Krankheit plastisch dar. Der vergessliche Riese kann bibliotherapeutisch gelesen werden. Das Buch fungiert auch als feine Tragikomödie: Im Äußeren der romantische Rhein – mit all den Burgen, Villen und Römern –, im Inneren die psychologischen Finessen, Lifestyle und die politischen Kontexte der Bonner. Man denke etwa an Bölls Frauen vor Flusslandschaft. Die politische Finsternis atmet noch. Das Bild Kiesingers an einer Hotelwand. Opa Nazi, Oma Nazi.
Und warum ist diese Prosa so empfehlenswert? Das Buch ermöglicht neue Gefühlslagen angesichts der Demenz: Heiterkeit, Trost, Witz. Die Krankheit bringt neue Möglichkeiten, dem Vater zu verzeihen. Er hatte ihrer Stiefmutter den Vorrang gegeben, seine 3 Kinder jedoch auf zweite oder sogar – nach seiner Karriere – an dritte Stelle gestellt. Man findet im Buch keinen expliziten Gram, kein (übliches) Burnout der Angehörigen. Der zärtliche Umgang des Erzählers mit seinem Vater ist rührend. Ihre geistreichen Dialoge bezaubern. Während ein Sissi-Film im Fernsehen läuft, spricht der „Riese“ einen der sublimen Gedanken des Buches aus: „Was für ein Kitsch. Was für ein Wohlfühlmist. Der Film tut so, als wäre nichts gewesen. (…)“
Rowohlt Verlag
David Wagner
Der vergessliche Riese
Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 2019
ISBN 978-3-498-07385-5
272 Seiten
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Rezensionen in den deutschen Medien:
FAZ
MDR Kultur
Perlentaucher
RBB Kultur
Spiegel Online
Deutschlandfunk Kultur
WDR