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Hassrede
Befeuert Feindseligkeit und Schmerz

Hassrede – befeuert Feindseligkeit und Schmerz
© Colourbox

Hast du schon einmal Hassrede erlebt, die gegen dich gerichtet war? Mit dieser anonymen Frage aus einer online-Umfrage beginne ich oft meine Vorträge zu diesem Thema. Je nach Publikum erreicht die Antwortsäule für „Ja“ im Diagramm fast das Maximum oder zumindest die Hälfte der Antworten. Meistens verneint nur ein kleiner Teil die Frage oder antwortet mit „schwer zu sagen“.

Zu Beginn der Vorträge hat jeder noch eine unterschiedliche Vorstellung davon, was denn eigentlich Hassrede ist. Doch ein solches Ergebnis zu mündlich oder schriftlich empfangenem Hass zeugt möglicherweise auch von einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit, diesem in sozialen Medien, Kommentarspalten auf Internetseiten, privaten Nachrichten, Gruppenchats und anderswo zu begegnen.

Was ist Hassrede?

Der Begriff hat keine einheitliche, konkrete Definition, doch zusammenfassend lässt sich sagen, dass er jede Äußerung – darunter mündlich und schriftlich – beleidigender, drohender, spottender oder erniedrigender Inhalte enthält sowie Hetze gegen eine bestimmte Personen- oder Menschengruppe aufgrund von Religion, Hautfarbe, sexueller Orientierung, Geschlechteridentität, ethnischer Zugehörigkeit, nationaler Herkunft, Invalidität oder anderer Gründe. Wenn sich Hassrede gegen eine gesellschaftliche Gruppe insgesamt richtet, ist es schwierig, eine geschädigte Person zu identifizieren, aber das bedeutet nicht, dass die Hassrede straffrei bleibt.

Zu Beginn der Covid-19-Pandemie veröffentlichte der in Lettland schon zuvor als Verbreiter von Desinformation und Falschnachrichten bekannte Niks Endziņš auf seiner „Facebook“-Zeitleiste ein Video, in dem er fälschlicherweise behauptete, in Lettland gebe es bereits den ersten Infektionsfall mit Covid-19, und dazu aufrief, die Chinesen zu vernichten. Laut Medienberichten leiteten die Behörden gegen ihn einen Kriminalprozess ein wegen Hooliganismus und Handlungen, die Fremdenhass und Feindseligkeit anstiften sollten.

Die Hassrede als Ausdrucksweise verletzt die Würde des Menschen, doch sie kann auch die Gesellschaft spalten oder gar Gewalt gegen eine Person oder Gesellschaftsgruppe auslösen. Mit Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine stieg im lettischen Internet auch die Zahl der hasserfüllten Kommentare gegen Menschen aus der Ukraine, die in Lettland Zuflucht vor den Schrecken des Kriegs gefunden hatten. Im Rahmen des „Riga Pride“-Umzugs für sexuelle Minderheiten und ihre Freunde kam es auf der Veranstaltung selbst und in den Kommentaren zur Berichterstattung darüber nicht nur zu beleidigenden Ausrufen, sondern auch zu Drohungen gegen sexuelle Minderheiten und andere Teilnehmende des Umzugs.

Ein Trauerstrauß und Todeswünsche

In den letzten Jahren wurden mehrere Fälle öffentlich bekannt, in denen Hassrede nicht nur gegen eine Gesellschaftsgruppe gerichtet war, sondern gegen bestimmte Menschen, etwa aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit oder häufig auch deshalb, weil sie mit ihrer Meinung ins Rampenlicht der Medien gelangt waren und so auch diejenigen erreicht hatten, die ihre Ansichten nicht teilten. Eine Hausärztin hatte beispielsweise während der Coronapandemie in einer Nachrichtensendung die Meinung geäußert, dass Schulkindern das Tragen einer Maske zur Eindämmung der Covid-19-Infektionszahlen gesundheitlich nicht schaden werde. Danach erhielt sie in den sozialen Medien viele unangenehme persönliche Beleidigungen und sogar Drohungen, die beängstigend waren und sie zweifeln ließen, ob sie im Dunkeln auf dem Nachhauseweg sicher war.

Während der Covid-19-Pandemie machten auch Journalisten verstärkt Bekanntschaft mit Hassrede, insbesondere Faktenüberprüfer*innen. Ein Fernsehredakteur aus Lettland hatte bei „Twitter“ einen Screenshot veröffentlicht, in dem sehr brutale Hassrede gegen seine Familie und seine Frau zu lesen war, die zu dem Zeitpunkt schwanger war. Ihr wurde in heftigen Worten der Tod gewünscht. Auch er selbst hatte von Impfgegnern Drohungen erhalten, dass sie auf der Straße mit ihm abrechnen würden.

Manchmal sind hasserfüllte Kommentare im Internet, in denen Veröffentlichungen kritisiert und Journalisten beleidigt werden, nur ein Teil eines weitreichenderen Schikanemusters. Einige Journalist*innen des Zentrums für Investigativjournalismus „Re:Baltica“ (und sogar deren Angehörige) erhielten von einer Person lange Zeit rüde Anrufe sowie drohende Textnachrichten und Social-Media-Posts. Sogar ein Trauerstrauß wurde einmal in die Redaktion gebracht. Es wurde ein Strafverfahren wegen der Belästigung einer „Re:Baltica“-Journalistin eingeleitet, und am 28. November 2022 bestätigte das Gericht zweiter Instanz in Riga das erstinstanzliche Urteil, mit dem der Täter zur einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt wurde.

Mehr Hass nach verlorenen Spielen

Wie stark bekannte Personen in den sozialen Medien mit Hassrede konfrontiert werden, zeigt eine Studie in Spanien sehr deutlich, bei der zwischen Februar und Mai 2019 eine Content-Analyse von Hassrede auf dem „Instagram“-Konto des FC Sevilla durchgeführt wurde. Von insgesamt 221 Fällen, in denen eine Beleidigung in den Kommentaren feststellbar war, richtete sich diese nicht nur allgemein gegen den Sportverein, die Clubmitglieder selbst oder andere Fans, sondern in 71 Fällen (etwa 32 %) gegen die Familien der Sportler oder der Fans anderer Clubs.

Die Forschenden merken an, dass gerade die Kommentare, in denen Familien angegriffen wurden, besonders hart zu lesen gewesen seien. Darin wurden Mütter und verstorbene Familienmitglieder übel beleidigt. Die meisten hasserfüllten Kommentare zeigten sich nach einigen entscheidenden Spielen, in denen die Mannschaft verlor; dabei betonen die Forscher*innen, dass diese ganz offensichtlich nicht geschrieben wurden, um das aktuelle Geschehen oder die Entwicklung des Clubs zu diskutieren, sondern einzig und allein „um zu verletzen und zu beleidigen“.

Das Internet – Müllkippe der Emotionen

Einer der Gründe für die Verbreitung von Hassrede könnte mit der einfachen Zugänglichkeit sozialer Medien und anonymen Kommentarmöglichkeiten in Zusammenhang stehen. Was man früher vielleicht für sich behalten oder in kleinem Kreis besprochen hätte, wird heute leicht für hunderte oder gar tausende Menschen lesbar gemacht. Zudem versteht ein Teil der Internetnutzer*innen die Möglichkeiten der Meinungsfreiheit falsch. Diese rechtfertigt keine Hassrede und hört dort auf, wo die Rechte und Freiheiten anderer eingeschränkt werden.

Sieht man sich die Gründe an, warum es so schwierig ist, Meinungsäußerungen im Internet zu beschränken, so stechen mehrere Faktoren hervor. Die sozialen Medien handeln unzureichend und begründen dies mit der Aussage, die Wortfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer nicht einschränken zu wollen. Das tun sie möglicherweise auch, um die Nutzer*innen nicht an andere Plattformen zu verlieren und sie so lange wie möglich im eigenen sozialen Netzwerk zu halten. Ein weiteres Hindernis ist, dass Hassrede nicht immer leicht zu erkennen ist und Zeit gebraucht wird, um diese auszuwerten. Ein Text kann frei von Obszönitäten und literarisch korrekt geschrieben sein, aber trotzdem sehr erniedrigend. Es ist schwer, Kriterien für strafbare und nicht strafbare Hassrede zu bestimmen, denn die Grenze dazwischen verläuft auf einem schmalen – und manchmal unbestimmbaren – Grat.

Teilweise wird die Kommentarfunktion als Möglichkeit genutzt, sich von aufgestauten negativen Emotionen zu befreien. Wie Administrator*innen der Social-Media-Profile von Organisationen beobachtet haben, kommt hier auch der Schwarminstinkt zum Tragen: Menschen fällt es emotional leichter, hasserfüllte Kommentare hinzuzufügen, wenn sie sehen, dass andere bereits welche gepostet haben.

Was können wir ändern?

Zwar wird auch auf EU-Ebene über die Eindämmung von Hassrede und Hasskriminalität gesprochen (etwa mit der Forderung nach Aufnahme dieser in die von der Europäischen Union angenommene Liste der Straftaten, was echte Strafen für hasserfüllte und bösartige Kommentare im Internet ermöglichen würde), aber wir alle können etwas tun, um sie zu verringern. Es ist wichtig, Hassrede zu erkennen und der Administration der Portale oder sozialen Medien zu melden, damit sie gelöscht werden kann – denn sonst fördert sie weiter Hass und Intoleranz gegen eine Gesellschaftsgruppe oder Person.

Wie Ilze Ambrasa, Vertreterin des Ombudsbüros, in einem Interview mit „LV Portāls“ erklärt, können Fälle von Hassrede im Internet der Polizei oder dem Ombudsmann ganz einfach mit einem Screenshot des Eintrags gemeldet werden, der elektronisch verschickt werden kann. Zunehmend an Bedeutung gewinnen derzeit Untersuchungen über die Wirksamkeit von Gegenrede für die Reduzierung von Hassrede. Eine Studie, in der verschiedene Methoden der Gegenrede – Humor, Warnung vor Konsequenzen und Empathie – getestet wurden, ergab, dass lediglich Empathie fremdenfeindliche Hassrede verringern konnte, wenn auch in relativ geringem Maß.

Obwohl es elementar erscheint, die Etikette bzw. Netiquette der digitalen Kommunikation zu beachten, kommt es sowohl Kindern als auch Erwachsenen manchmal zugute, daran erinnert zu werden, dass im realen und im virtuellen Leben dieselben Regeln gelten und dass Empathie die Grundlage der Kommunikation ist.

Quellen:

>> Monroy-Trujillo, A., Padilla-Castillo, G., Cabezuelo-Lorenzo, F. (2022). Sports and hate speech messages on Instagram. In: Pérez-Escolar, M., Noguera-Vivo, M. J. (eds.). Hate speech and polarization in participatory society. Routledge.
P. 237-250, P 246.

>> Proposals to extend the list of EU crimes to all forms of hate crime and hate speech.

>> Zusammengefasste Maßnahmen auf EU-Ebene

>> Krūzkopa, S. (2019). Naida runa – kad vārda brīvības robežas pārkāptas. LV portāls.

>> Hangartner, D., Gennaro, G., Alasiri, S., Donnay, K. (2021). Empathy-based counterspeech can reduce racist hate speech in a social media field experiment.

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