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Steriotypen in dem Medien
Wie sieht deine Stereotypen-Brille aus?

Wie sieht deine Stereotypen-Brille aus?
© Colourbox



 

Von Klinta Ločmele

„Wenn ich einen Fernsehsender besäße, würden dort nur junge Leute arbeiten“, sagte ein Student, als wir vor einigen Jahren in einer Vorlesung über Stereotype in den Medien sprachen. Der ganze Saal hörte mit angehaltenem Atem unserer Diskussion darüber zu, ob das schon Ageism (Altersdiskriminierung) ist oder nicht, also Vorurteile in Bezug auf das Alter eines Menschen. Die Vorlesung über Stereotype in den Medien ist diejenige, in der während des Semesters die meisten gegensätzlichen Meinungen zu hören sind. Warum? Ich glaube, weil hier Stereotype aufeinanderprallen – unsere unterschiedliche Erziehung und unterschiedlichen Vorstellungen, zum Beispiel von Geschlechterrollen.

Vielleicht offenbart sich dem bzw. der einen oder anderen auch zum ersten Mal, dass wir durch eine Brille der Stereotype auf die Welt schauen. Was ist das für eine Brille? Sie wird nicht nur von der Familie beeinflusst, sondern auch von Filmen, Werbung, TikTok-Videos und Influencer-Posts. In diesem Text sehen wir uns einige Beispiele an.

Kurz gesagt, bedeutet Stereotypisierung, dass wir von einer breiteren Gesellschaftsgruppe eine einheitliche Vorstellung haben, meist eine negative. Aber ein Stereotyp kann auch eher positiv sein, etwa die Erwartung, dass jede Dame in ihren besten Jahren ihre Enkelkinder bekocht, ihnen leckere Desserts zubereitet und nicht erlaubt, den Tisch zu verlassen, bevor alle neun Gänge aufgegessen sind. Die Stereotypisierung einer Person ignoriert ihre individuelle Persönlichkeit und Einzigartigkeit und schafft stattdessen ein Bild, das auf Merkmalen wie Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Beruf, Wohnort, Geschlecht, sexueller Orientierung u. a. beruht. Stereotype können zu Vorurteilen werden, d. h. zu vorgefassten (oft falschen) negativen Urteilen und Bewertungen, die als Grundlage für Diskriminierung dienen können.

Die Cheerleaderin und der Musterschüler

Die Medien und die sozialen Medien verstärken und fördern Stereotype einerseits, und werden andererseits selbst von in der Gesellschaft herrschenden Stereotypen beeinflusst. Stereotype haben auch eine positive Funktion: Sie helfen uns, Situationen schnell zu erfassen und zu bewerten, wenn auch nicht immer korrekt und mit Respekt für jede einzelne Person. Weil sie also so etwas wie eine Abkürzung für das Denken sind, werden Stereotype häufig in Filmen verwendet, denn dort ist nicht genug Zeit, um ein Porträt jeder Figur zu entwickeln. Wenn man die Figuren aber als das beliebteste Mädchen der Klasse vorstellt, das oft auch Cheerleaderin ist, als den Musterschüler oder berühmtesten Sportler der Schule, und dies mit geeigneten visuellen Mitteln verstärkt, versehen die Menschen diese Figuren sofort mit Eigenschaften, die wir beispielsweise „Musterschülern“ zuzuschreiben pflegen. Oft haben diese Verwandlung vom „hässlichen Entlein“ zum Schwan auch Weltstars in ihren Videoclips aufgegriffen und es wurden sogar ganze Filme als Geschichten konstruiert, die mit Stereotypen brechen, beispielsweise „Natürlich Blond“ (Originaltitel „Legally Blonde“).

Stereotypisierte Witze auf TikTok

Stereotype sind kontextabhängig – manche sind in aller Welt oder zumindest auf dem ganzen Kontinent bekannt und wiedererkennbar, andere sind viel spezifischer und kommen nur in einem bestimmten Land oder einer Region vor. Einen hohen Wiedererkennungswert haben Stereotype über verschiedene Länder oder ihre Einwohner*innen. Davon zeugt eine Reihe von beliebten TikTok-Videos, bei denen nach einer kurzen Beschreibung das richtige Land erraten werden muss. Zum Beispiel „kleine, dunklere Männer, sexy Frauen, Mafia, Nudeln“ oder „sexy Blondinen, IKEA, komische Sprache und Heavy Metal“. Ebenso gibt es Videos, in denen Menschen erzählen, wie sie Stereotype nicht erfüllen – sie kommen etwa aus Italien, aber Pizza oder Wein gehören nicht zu ihren Lieblingsspeisen oder -getränken. Während ein Teil der Videos versucht, länderbezogene Stereotype zu popularisieren, will ein anderer Teil sie brechen.
Gibt man auf TikTok das Wort „Stereotype“ in der Suchfunktion ein, erscheinen zahlreiche Möglichkeiten, den Eintrag zu vervollständigen: Stereotype über Frauen, Männer, LGBTQ+, Christ*innen, Staaten, Amerikaner*innen, Europäer*innen, Schulen und sogar Hunderassen. Manche dieser Videos sind amüsant, andere entlarven Stereotype und erklären, dass Menschen unterschiedlich sind und nicht nach bestimmten Merkmalen in eine Schublade gesteckt werden können, wieder andere fördern durch ihre (manchmal humorvolle) Art die Verbreitung von Stereotypen, obwohl im Titel und den Hashtags keine Hinweise auf diese zu finden sind.

In einem viel beachteten Video erzählt eine junge Frau, wie eine europäische Freundin sie aufgrund ihrer asiatischen Herkunft verspottet hat. Um es ihr heimzuzahlen, aß sie daraufhin den Hund ihrer Freundin. Das klingt wie Selbstironie der TikTok-Nutzerin über vorgefasste Meinungen zu den Essgewohnheiten von Asiat*innen, hat aber gleichzeitig die Menschen wieder genau daran erinnert.
Stereotype entkräften – riskant, aber nützlich.

Häufig organisieren Unternehmen für Werbe- oder Imagezwecke Kampagnen mit einem gesellschaftlichen Ziel, etwa Stereotype abzubauen. Wenn sie in diesen Kampagnen jedoch an die „Denk-Abkürzung“ erinnern, die sie auszumerzen versuchen, müssen sie sehr sorgfältig das Risiko abwägen, das Gegenteil zu erreichen und das Stereotyp noch weiter zu verbreiten.

Auch öffentliche Verwaltungen und Nichtregierungsorganisationen wollen die Gesellschaft manchmal herausfordern, indem sie bewusst Stereotype betonen. Auf dem Konversations-Festival „Lampa“ organisierte das Sozialministerium ein Gespräch ursprünglich mit dem provokanten Titel „Können Frauen Entscheidungen treffen?“. Dieser wurde in den sozialen Medien breit diskutiert und nach dem im Internet verfügbaren Material zu urteilen später in „Frauen und Entscheidungsfindung. Erfahrungen und Diskussionen“ umgewandelt.

Wählt eine Frau

Unbestreitbar beruhen viele Witze und Spaßsendungen auf Stereotypen – sie können Aufmerksamkeit erregen, indem sie Erinnerungen an zuvor Gehörtes wecken. Deshalb werden sie auch in den Medien oft als Schlagzeilen verwendet, zum Beispiel „Blondine am Steuer – tödliche Kombination?“ oder „Frikadellen im Spitzenkleid backen und andere Tipps für mehr Weiblichkeit“. Möglicherweise sollen so auch mehr Leser*innen gewonnen werden.

Mit Studierenden diskutieren wir in Vorlesungen über die folgenden Schlagzeilen. Als Joe Biden, der demokratische Kandidat für das Amt des US-Präsidenten 2020 bekannt gab, wen er für die Vizepräsidentschaft auserkoren hatte, waren unterschiedlich formulierte Schlagzeilen zu lesen. Hier sind zwei davon: 1) „Biden wählt eine Frau als Vizepräsidentin“; 2) „Joe Biden wählt Senatorin Kamala Harris als seine Vizepräsidentschaftskandidatin“. Welche würdet ihr wählen und warum? Obwohl Kamala Harris in der Tat die erste Frau in einem solch hohen Amt in den Vereinigten Staaten ist, würde ich die zweite Überschrift wählen, oder zumindest die erste Überschrift mit der Ergänzung versehen, dass es das erste Mal ist.

Bei der Darstellung von Stereotypen in den Medien handelt es sich nicht immer um ihre Benennung oder eine Erinnerung daran. Auch die Praxis der Medien selbst kann von Stereotypen beeinflusst sein. In ihrem 2018 erschienenen Buch „Die Vielfalt der lettischen Medienlandschaft“, beispielsweise, hat Marita Zitmane, Forscherin und derzeit außerordentliche Professorin an der Universität Lettlands, untersucht, wie viele Gäste welchen Geschlechts die Produzent*innen verschiedener Radio- und Fernsehprogramme eingeladen hatten. Die Ergebnisse waren überraschend. So lag in der LTV-Sendung „Eins gegen Eins“ von April bis Juni 2017 „das Verhältnis der gewählten Gäste bei 15 Männern und zwei Frauen“. Falls derzeit jemand nach einem Thema für ein Forschungspapier oder eine Kursarbeit sucht – es könnte noch untersucht werden, ob und wie sich die Situation jetzt, fünf Jahre nach der Studie, verändert hat.

Voreingenommene künstliche Intelligenz

Von Zeit zu Zeit hören wir auch von veröffentlichten Fällen, die zeigen, dass selbst künstliche Intelligenz nicht objektiv sein kann, da sie stark vom Datensatz abhängt, mit dem sie trainiert wird. So haben Forscher*innen erdachte Profile von mehr als 17.000 Arbeitssuchenden erstellt, in denen Männer und Frauen die gleiche Ausbildung und Berufserfahrung hatten – nur das Geschlecht war unterschiedlich. Die Ergebnisse offenbarten, dass der Algorithmus Frauen seltener Stellenanzeigen für gut bezahlte, hochrangige Positionen anbot. Im Gegensatz dazu wurden männlichen Arbeitssuchenden viel mehr Anzeigen für hoch bezahlte Führungspositionen angezeigt.

Wir alle sehen, bewusst oder unbewusst, durch eine Stereotypen-Brille. Probleme entstehen, wenn diese Stereotype beleidigend oder diskriminierend sind oder die Chancengleichheit der betroffenen Person oder Gruppe beeinträchtigen. Angesichts der Entwicklung der technologischen Möglichkeiten muss nun zudem sichergestellt werden, dass auch die „Brille“ der künstlichen Intelligenz nicht von Stereotypen geprägt ist.

Quellen:
>> Tihonovs, J. (2020). Baidens izvēlas sievieti viceprezidenta amatam. (Biden wählt eine Frau als Vizepräsidentin.)

>> Lībietis, U. (2020). Džo Baidens par savu viceprezidenta amata kandidāti izvēlējies senatori Kamalu Harisu. (Joe Biden wählt Senatorin Kamala Harris als seine Vizepräsidentschaftskandidatin.)

>> Zitmane, M. (2018). Dzimte Latvijas medijos (Geschlecht in lettischen Medien). Buch: Zelče, V. (red.). Latvijas mediju vides daudzveidība. Riga: LU Akadēmiskais apgāds. S. 447

>> Gibbs, S. (2015). Women less likely to be shown ads for high-paid jobs on Google, study shows.
         

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