Interview
Beats & Barrio mit Muxxxe
MUXXXE ist eine transnationale Kunstfigur, die ich mir aus der Anonymität heraus als ein „drittes Geschlecht“ geschaffen habe. Mein Projekt ist in Tijuana angesiedelt und von geopolitischen Elementen geprägt. Mittels eines interdisziplinären Ansatzes (zusammengesetzt aus Musik, Mode, öffentlichen Auftritten, Installationen und Performance) stelle ich kritische Überlegungen dazu an, was es eigentlich bedeutet, eine lateinamerikanische, „queere“ Person an der Grenze eines Dritte-Welt-Landes zu sein, und nutze diese Identität, um noch weit komplexere Realitäten/Probleme zu beleuchten: etwa die höchst eigene Beziehung zwischen Tijuana und den Vereinigten Staaten, unsere Besessenheit mit der Schönheit und Technik, das Konzept der Gender-Performativität oder die Migrationskrise.
Wo befindest du dich gerade? (Physisch, Emotional, Mental und Musikalisch)
Zur Zeit wohne ich wieder bei meinen Eltern. Die letzten Monate waren eine Achterbahn der Gefühle und ich glaube, genau das spiegelt sich auch stark in meinen kreativen Prozessen und der Musik wider, die ich im Moment schreibe/(ko)produziere.
Wie würdest du dich und deinen Stil beschreiben?
Sowohl mein Stil als auch meine Persönlichkeit sind sehr provokant. Ich ziehe immer alle Blicke auf mich.
Wo hast du zum ersten Mal aufgelegt und wie war die Erfahrung?
Mein erster Auftritt überhaupt fand im Rahmen des Studienfächer Performance und Klangkunst an der Polytechnischen Universität Valencia statt. „MUXXXE“ (als konkretes Projekt) entstand während meines Auslandssemesters an dieser Universität. Vor der Aufnahme dieses Projekts hatte ich bereits Erfahrungen in den Bereichen Performance, Installation und Mode gesammelt, weshalb der Übergang und meine Erforschungen auf dem Gebiet der Musik eine natürliche Fortführung oder sogar eine Antwort auf meine vorherige Arbeit darstellt.
Du lebst im Grenzgebiet. Wie beeinflusst deine Umgebung deinen Sound?
Das Leben direkt an der Grenze und meine persönlichen Erfahrungen vor Ort haben dazu geführt, dass meine Musik und mein Auftreten sehr aggressiv und konfrontativ sind. Ich halte nie den Mund und spreche immer aus, was ich denke. Die Sounds, mit denen ich mich in meiner Musik identifiziere, reflektieren diese hybride Grenzkultur, die sich durch ihre Direktheit, Wirklichheitsnähe und Brutalität auszeichnet.
Überall wird davon gesprochen, sicherere und geschlechtergerechte Räume zu schaffen. Wie weit ist Tijuana in dieser Hinsicht und an welchem Punkt befinden sich die Bewegungen der queeren und LGBTTTIQ+ Community?
Die queere Community in Tijuana wächst mit jedem Tag weiter an. Vor zwei Jahren war das noch nicht so, aber mittlerweile gibt es jedes Wochenende Veranstaltungen wie das „Drag Brunch“ oder die „Performance Partys“, in denen die Körper der Beteiligten stets im Mittelpunkt stehen. Man fühlt sich dort akzeptiert und das Gemeinschaftsgefühl wird mit der Zeit immer stärker, sodass immer mehr Menschen ihre Vorstellungen von Gender und Identität zum Ausdruck bringen.
Die Sounds, mit denen ich mich in meiner Musik identifiziere, reflektieren diese hybride Grenzkultur, die sich durch ihre Direktheit, Wirklichheitsnähe und Brutalität auszeichnet.
Ehrlich gesagt beunruhigt mich das sehr wenig. Diese digitalen Plattformen sind eine Art Fenster zu anderen Universen und dienen dazu, eben diese zu beobachten und zu studieren. In diesem Sinne ist das eine ziemlich voyeuristische Angelegenheit, aber üblicherweise spiegelt das alles nur den Narzissmus der Leute wieder. Die meisten wollen doch bloß gesehen werden und haben eigentlich nichts Wichtiges zu sagen.
Ich selbst benutze die sozialen Netwerke dazu, mich vorzustellen und meine Meinung kund zu tun, wenn ich Lust dazu habe, nicht weil irgendjemand mich dazu drängt oder das von mir erwartet. Ich halte nichts davon, nur um des Hochladens willen etwas hochzuladen, und Instagram scheint das nicht zu gefallen. Der Algorythmus ist immer wachsam und wenn er bemerkt, dass ich mich nicht um ihn schere, dann löscht er meine Follower. In nur wenigen Wochen habe ich fast 1.000 Follower verloren, nur weil ich mein Benutzerkonto vernachlässigt habe. Das ist wohl so eine Art „Cyber-Drohung“. Einige Menschen reagieren auf sowas sehr sensibel und können sich irgendwann nicht mehr aus diesem Spiel befreien.
Dass sie nicht an sich selbst zweifeln und das tun sollen, wonach ihnen der Sinn steht. Es ist leicht, sich in einem Teufelskreis der Unsicherheit, Zweifel und Angst zu verlieren, deshalb müssen wir uns jeden Tag daran erinnern, welches Ziel wir verfolgen, welche unsere Stärken sind und auch daran, dass wir selbst our biggest fan sein müssen. Wir sollten uns selbst anfeuern und uns feiern, wenn wir etwas besonders gut hingekriegt haben.
Was stört dich an der Szene und welchen Herausforderungen hast du dich bereits stellen müssen?
Wie wohl überall und in jeder Szene gibt es auch hier jede Menge Arschlöcher: Menschen, die dir grinsend Steine in den Weg legen. In den zwei Jahren, die ich an diesem Projekt arbeite, sind mir einige Leute dieser Art untergekommen und auch wenn ich diese Erfahrung niemandem wünsche, waren sie für mich absolut wichtig und notwendig, um ein Verständnis dafür zu bekommen, wie die Dinge ablaufen und zu verstehen, dass ich nicht allen blind vertrauen kann. Meiner Erfahrung nach ist es nicht einfach, Menschen zu finden, die deinen Elan und deine Wertvorstellungen teilen, aber letztendlich treffe ich doch immer wieder Leute, die mich in meiner Arbeit beflügeln und für mich da sind, wenn ich sie am dringendsten brauche.
Wo willst du auf jeden Fall noch (einmal) auflegen und warum?
Ich würde liebend gern mal im CAKESHOP in Seoul oder im BERGHAIN in Berlin auftreten.