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Klimawandel und Corona
Die Dringlichkeit aller Dinge

Die Statue des Kolonisators Hans Egede in Nuuk, Grönland, mit Farbe beschmiert.
In Nuuk, Grönland, wächst der Widerstand gegen die Statue des Kolonisators Hans Egede. | Foto (Detail): picture alliance © Ritzau Scanpix | Christian Klindt Soelbeck

Das Jahr 2020 brachte eine Katastrophe nach der anderen. Optimismus war rar. Dennoch stimmt der Zusammenhalt und die Aktionsbereitschaft vor allem junger Menschen unsere Autorin Aka Niviâna positiv. Ein Essay über die Herausforderungen, vor denen wir stehen und den absoluten Willen, diese anzugehen. 

Von Aka Niviâna Mørch Pedersen

„Alles ist dringend“ – das hört sich unkonkret und abstrakt an, ist aber, wenn man genau hinschaut, ziemlich klar. Wir leben im Jahr 2020, einem Jahr, mit einer Katastrophe nach der anderen: einer grassierenden Pandemie und einem Planeten im Selbstzerstörungsmodus. Die politischen Lager scheinen polarisierter als je zuvor, nirgendwo zeigt sich das so deutlich wie in den Vereinigten Staaten. Wenngleich das keine Neuigkeit ist – genauso wenig wie die Klimakatastrophe – hoffe ich, dass die Covid-19-Pandemie, die unser Leben vielleicht für immer verändert, in diesem Jahr viele Menschen den Ernst der Lage erkennen lässt. Ich will die Situation nicht als eine gute Sache bezeichnen, aber ich denke, sie hat uns die absolute Dringlichkeit aller Dinge vor Augen gehalten. Gemeint ist damit: Wir können mit der Lösung der Probleme, mit denen wir uns konfrontiert sehen, nicht länger warten. Von den rassistisch begründeten Ungerechtigkeiten, die rund um den Globus auftreten, über die Ungleichheit in Bezug auf Klassen und Privilegien, den noch immer präsenten kolonialen Strukturen, bis hin zu den ungleichen Gesundheitssystemen – das sind neben dem Klimawandel und seinen vielfältigen Folgen nur einige wenige von vielen existentiellen Herausforderungen: Wir. Müssen. Jetzt. Handeln! 

Ich versuche trotzdem positiv zu bleiben. Der Ausdruck mag nicht das beliebteste Wort des Jahres sein, aber in diesem Kontext ist er passend. Dabei gibt es beim Blick rund um die Welt viele Gründe zur Hoffnung. Besonders möchte ich die Kraft der jungen Generation ansprechen, die uns anderen zeigt, dass der derzeitige Lauf der Dinge verändert werden kann. Ich habe beispielswiese viele mutige Klimaaktivist*innen getroffen, die sich ohne zu zögern den Supermächtigen gegenüberstellen und sie zum Zuhören zwingen. Ich sehe Frauen, die einander stärken, wie ich es nie zuvor gesehen habe, und ich erinnere mich an meine eigene Zeit als Teenager, in der alle miteinander konkurrierten, um den eigenen Status in einer Welt aufrechtzuerhalten, die vom Patriachat durchtränkt war. Andere Frauen wurden herabgesetzt, statt aufgebaut. Ich blicke auf die Black-Lives-Matter-Bewegung, auf Indigene Völker, die ihr Land schützen und es zurückfordern. Es inspiriert mich so sehr und ich fühle mich selig, in einer Zeit zu leben, in der sich Menschen auf all diesen Ebenen vereinen.

Auf allen Ebenen habe ich nuancierte Debatten gesehen. Ich bin auf zahlreichen Konferenzen, Treffen und Wahlen gewesen und bin begeistert von der Dynamik, die sich während der letzten Jahre entwickelt hat. Ich versuche mich selbst an diese Dinge zu erinnern, wenn ich den Glauben an die Welt und die Menschheit verliere – was leider sehr häufig geschieht. Das ist kein Wunder! Es gibt weiterhin so viel Schlimmes, und so viele Male wollte ich schon aufgeben, weil es so wehgetan hat, immer wieder Rückschläge zu erleben. Wir dürfen in den Momenten der Resignation jedoch nicht all die gleichgesinnten Menschen vergessen. Ich denke wirklich, dass wir deren Engagement viel mehr wertschätzen sollten und gleichzeitig furchtlos versuchen müssen, die schwerwiegenden Probleme zu lösen. Es mag bis zu einem gewissen Grad widersprüchlich klingen, aber ich denke wirklich, wenn wir üben, diese Geschehnisse zu steuern (was wir meiner Meinung nach bereits tun), können wir mehr Bewusstsein schaffen und auch Aufmerksamkeit auf zukünftige Probleme und Emotionen lenken. 

Kollektive Verantwortung

Ich möchte auf noch etwas anderes hinaus, nämlich das Bewusstsein für Verantwortung. Ich denke wir können uns nur dann weiter motivieren, wenn wir lernen, zwischen der individuellen und der kollektiven Verantwortung unterscheiden. Ein Beispiel ist der Klimawandel. Wenn wir diese Herausforderung weiterhin aus einer individuellen Verantwortung heraus betrachten, kommt sie uns unlösbar vor. Wenn wir uns den Problemen aber aus kollektiver Verantwortung heraus stellen, können wir die notwendigen Veränderungen in Angriff nehmen. Auch wenn wir eine kleine Gruppe sind und die Verhältnisse oft nicht direkt ändern können, sind wir doch in der Lage, Druck aufzubauen. Druck auf die Menschen, die die Macht dazu haben. Ich weiß, wie schwierig es sein kann, sich zu organisieren, aber ich denke, dass Wahrheit und Kraft darin liegen, unser Denken von einem „Ich“ zu einem „Wir“ zu bewegen. Wenn wir bewusst versuchen, dieses Denken in unser tägliches Leben zu integrieren, fangen wir vielleicht bald unbewusst an, auch stets so zu handeln.  

Die Herausforderungen scheinen fast endlos, aber für mich zeigt sich so auch, wie dringlich alles ist. Wir müssen jetzt mit der Lösungsfindung anfangen, damit künftige Generationen eine Chance gegen all die Zerstörungen haben, die dem Planeten aber auch dem menschlichen Miteinander zugefügt wurden – und nicht zuletzt auch uns selbst.  

Diese Erkenntnisse kamen mir vor dem Hintergrund der jüngsten Debatten in Grönland in den Sinn, die das Entfernen einer Statue von Hans Egede betrafen – jenes norwegisch-dänischen Pfarrers, der Grönland kolonisierte. Es offenbarten sich darin alle guten und schlechten Seiten unserer Gesellschaft und sie erweiterten meine Perspektive, was den Dialog betrifft. Wir sprechen oft schlichtweg nicht dieselbe Sprache – obwohl wir dieselben Wörter verwenden. Wir verstehen deshalb noch lange nicht immer dieselben Dinge. Ich könnte einen langen Vortrag über Konnotation und Lebenserfahrung halten, hoffe aber, dass man meinen Standpunkt auch so versteht. Es geht auch darum, jedem und jeder die Chance auf Meinungsäußerung zu geben und das Verständnis untereinander zu fördern – insbesondere in kleinen Gemeinschaften wie in Grönland. Missverständnisse können uns teuer zu stehen kommen, besonders gesellschaftlich gesehen. 

Bei allem, das in dieser chaotischen Welt angegangen werden muss, ist es an uns, an diesen Herausforderungen zu wachsen. Lernt, Euch in unsere Probleme, Sorgen und Bedürfnisse hineinzuversetzen und versteht, was kollektive Verantwortung bedeutet. Fangt an, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln. Und kommt auch Menschen entgegen, die erst am Anfang dieses Prozesses stehen. 

 

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