Wie hat Ihre Arbeit Sie verändert? Welches Ereignis der Vergangenheit hat Sie besonders geprägt und wäre auch ein anderer Beruf denkbar gewesen? In unserer Reihe fünf plus eins stellen wir fünf individuelle Fragen an Künstler und andere interessante Zeitgenossen. Die letzte Frage ist für alle gleich. Den Anfang macht der deutsche Autor Norman Ohler.
Norman Ohler
| Foto: ©Norman Ohler
Norman Ohler wurde 1970 in Zweibrücken geboren. Nach dem Abitur schrieb er 1990 seine erste Novelle „Der Reporter“. Mit 22 Jahren besuchte er die Hamburger Journalistenschule, es folgten Arbeiten für die Zeitschriften Spiegel, Stern und Geo. Ohler ist vor allem durch seine Romane, aber auch durch das Sachbuch Der totale Rausch sowie durch Mitarbeit an Drehbüchern bekannt. Zusammen mit seinem Übersetzer Espen Ingebrigtsen ist Norman Ohler am 13.10.2016 im Goethe-Institut zu Gast.
1. Was war ausschlaggebend dafür, über 70 Jahre nach Kriegsende ein Buch über das Dritte Reich zu schreiben? Wie sind Sie auf die Idee gekommen, den Nationalsozialismus aus einer neuen Perspektive zu beleuchten?
Ich wollte schon immer ein Buch über den Nationalsozialismus schreibe - und zwar seit ich ein Kind war und mit meinem Großvater zum ersten Mal über dieses Thema sprach. Als mir dann ein Freund (ein DJ in einem Berliner Club) sagte, er habe gehört, dass die Nazis viele Drogen genommen hätten, war mir klar, dass dies mein Thema sein würde, da es ein völlig neuer Ansatz ist, diese Zeit zu beschreiben. Und nach meinem ersten Besuch im Bundesarchiv in Koblenz gab es keinen Zweifel mehr, dass es der richtige Ansatz ist.
2. Wie tief mussten Sie in den Archiven graben, um noch unbehandeltes Material zu finden und als wie schwer stellte sich die Recherche heraus, die sich bestimmt von der für Romane unterschieden hat?
Ich habe sehr viel Zeit in verschiedensten Archiven in Deutschland und den USA verbracht. Dieser Prozess zog sich über fünf Jahre hin. Die Materialien dort sind nicht immer leicht zu durchforsten, da beim Anlegen der Stichworte niemand an Drogen gedacht hat. Einige Historiker haben mir bei meinem Unterfangen geholfen, und auch die Archivare selbst waren mitunter sehr hilfreich. Es war in jedem Fall eine ganz andere Herangehensweise als ich sie bislang von meiner Arbeit an Romanen kannte. Ich durfte nichts erfinden, sondern musste finden.
3. Sie sind kein klassischer Sachbuchautor. Aus welchem Grund haben Sie sich entschieden, das Genre zu wechseln?
Das war die Idee von Helge Malchow, meinem Verleger. Er meinte, dieses Buch müsse ein Sachbuch sein, weil es eben dieses noch nicht gab. Er fand das Thema zu wichtig, um es in einem Roman zu fiktionalisieren. Und ich habe seine Argumentation verstanden.
4. Warum haben Sie sich dagegen entschieden, eine eher nüchterne wissenschaftliche Abhandlung zu schreiben und das Buch streckenweise wie einen Roman aufzuziehen?
Hans Mommsen, dem ich viel verdanke, meinte irgendwann zu mir: „Herr Ohler, Sie schreiben ja gar kein trockenes historisches Sachbuch.“ Ich antwortete, dass dies nie mein Ziel gewesen sei. Wer hat denn gesagt, dass Sachbücher langweilig sein müssen?
5. Wird ihr nächstes Buch wieder ein Roman oder folgt noch ein Sachbuch? Gibt es ein Thema, dass Sie unbedingt noch einmal behandeln wollen?
Ich arbeite derzeit an einem Roman, der im 18. Jahrhundert spielt. Obgleich es ein fiktionaler Stoff ist, habe ich gründlich recherchiert - und war wieder in den Archiven. Doch es macht Spaß, auch fantasieren zu dürfen. Ich freue mich allerdings schon auf mein übernächstes Projekt. Das wird wieder ein Sachbuch. Das Thema darf ich leider noch nicht verraten. Ich will jedenfalls in Zukunft zweigleisig fahren.
+1: Vorausgesetzt, Sie könnten Ihre Karriere noch einmal ganz von vorn beginnen. Würden Sie den Beruf des Schriftstellers wieder gehen oder hätten Sie einen anderen Weg eingeschlagen?
Schriftsteller ist der beste Beruf der Welt, und ich habe es noch nie bereut, diesen Weg eingeschlagen zu haben. Ich glaube allerdings, dass ich großes Talent habe, Filme zu machen. Also würde ich gerne Regisseur werden.