Bikini-Haus Berlin
Freiheit in architektonischen Vokabeln
Die weltbekannten Wahrzeichen Berlins sind noch immer das Brandenburger Tor und die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Breitscheidplatz im Westen der Stadt. Daran konnten auch der Fall der Mauer und die Öffnung Ostberlins nach 1989 nichts ändern. Doch wirtschaftlich hat die Gegend um den Kurfürstendamm und Bahnhof Zoo an Kraft und Bedeutung verloren, die ihr zur Zeit der Teilung als weltoffenes Zentrum der westlichen Halbstadt zugewachsen war.
„Berlin muss ein Schaufenster der Freiheit, aber auch ein Schaufenster des wirtschaftlichen Wohlstands werden“, hatte Ernst Reuter, der erste Regierende Bürgermeister von Westberlin 1949 verkündet. Dafür benötigte Westberlin ein eigenes Stadtzentrum, und zwar möglichst schnell, weil Ostberlin seit 1950 die Teilung der Stadt vorantrieb.
Der Bahnhof Zoologischer Garten, eigentlich nur Durchgangsstation mit gerade mal vier Fernbahngleisen, wurde zum Zentralbahnhof der halbierten Stadt. Der Zoo musste einen Teil seines Geländes für einen ordentlichen Bahnhofsplatz abtreten. Dann galt es, mithilfe neuer Architektur den Platz am Südrand des Zoogeländes attraktiver zu gestalten. Eine entscheidende Rolle sollte das „Zentrum am Zoo“ mit dem sogenannten Bikini-Haus spielen. 1956 begann der 24 Millionen DM teure, mithilfe des Marshall-Plans finanzierte Bau. Die vom Spittelmarkt in der Mitte Berlins vertriebene Damenoberbekleidungsindustrie sollte am Breitscheidplatz für ihre Produktions- und Geschäftsräume einen neuen Standort bekommen.
„Nabelfreier“ Durchblick zum Zoo
Die baukünstlerische Haltung der erfolgreichen Berliner Architekten Paul Schwebes und Hans Schoszberger war kompromisslos. Die Architektur sollte Modernität ausstrahlen, den Kaiserpomp und den neoklassizistischen Albtraum der NS-Zeit vergessen machen – und natürlich gegenüber dem Osten demonstrieren, wie man „Freiheit“ in architektonischen Vokabeln buchstabiert. Zwei Hochhausscheiben, das Kino Zoo-Palast und die 180 Meter lange Scheibe des Bikini-Hauses bildeten eine austarierte Komposition mit feingliedrigen Strukturen des Tragwerks und größtenteils verglasten Fassaden. Beim Bikini-Haus öffneten die Architekten das zweite Obergeschoss, so dass es nun wirkte wie ein Zweiteiler mit „nabelfreiem“ Durchblick zum Zoo, weshalb die Berliner es prompt Bikini-Haus tauften. 1977 verschwand dieses charakteristische Merkmal, in das Luftgeschoss wurde die Kunsthalle eingebaut.Verblüffende Eleganz
Als sich nach der Wiedervereinigung alle Aktivitäten auf die Berliner Mitte konzentrierten, geriet das Westberliner Zentrum aus dem Fokus. Zu den Anstrengungen der jüngsten Zeit, diesen Rückstand wieder aufzuholen, gehört die umfassende denkmalgerechte Sanierung des Zentrums am Zoo. Das Münchner Architekturbüro Hild und K hatte das kriselnde Projekt von dem belgischen Künstler-Architekten Arne Quinze übernommen und zu Ende geführt. Geschickte Lösungen waren gefragt, um die feinen Betonteile sichtbar zu belassen und die Konstruktion trotzdem zu stärken. Die Außenwände wurden erneuert, die Stahlfenster als Aluminiumkonstruktionen in exakt gleicher Optik nachgebaut. Heute zeigen die Fassaden wieder eine verblüffende Eleganz, bei der man sich fragt, wie sie überhaupt verloren gehen konnte.Ladenpassage mit Blick auf den Affenfelsen
Die zum Zoo hin gelegene Nordseite erfuhr allerdings eine gründliche Metamorphose. Wo früher nicht mehr als ein Hinterhof mit Anlieferung und Parkhauszufahrt war, genießen Besucher nun eine hippe Ladenpassage mit Blick auf den Affenfelsen im Tierpark, die selbst in Berlin, wo die Zahl der Einkaufszentren inzwischen die fünf Dutzend erreicht, Aufsehen erregt. In einer Art Markthalle mit hölzernen Einbauten präsentieren sich in ständigem Wechsel Designer. Ausgefallene Modeboutiquen und Edelmarken ergänzen das Angebot und sollen die Marke „Bikini“ auf einem überdurchschnittlichen Niveau etablieren. Attraktion ist die große Dachterrasse mit Restaurants, Cafés und Blick über den Zoo. Den gibt es auch aus der bereits ziemlich angesagten Monkey Bar im Dachgeschoss des kleinen Hochhauses, das sich als Konzepthotel 25hours ebenfalls sehr trendy präsentiert.Mit seinen gleichaltrigen Nachbarn prägte das Zentrum am Zoo gemeinsam mit der 1960 gebauten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und der signifikanten Turmruine das Bild des Westberliner Stadtzentrums. Ein Bild, das sich mit dem neuen Hotelturm der Waldorf Astoria-Kette und einem weiteren geplanten Hochhaus, dem „Upper West“, nachhaltig verändert. Ob die neuen städtebaulichen Ausrufezeichen gemeinsam ein harmonisches Ensemble bilden können, ist bislang umstritten.