Museum and Curating Practices in Southeast Asia
Das Museum als Resonanzboden
In Berlin trafen sich auf Einladung des Goethe-Instituts Jakarta europäische und südostasiatische Kuratorinnen und Museumsdirektoren. In einer Podiumsdiskussion tauschten sie sich über die sich wandelnde Ausstellungspraxis aus.
Drei Panels, jeweils vier zu Befragende, die jeweils kaum über fünf Minuten ihre Institution, ihre Arbeitsmethodik vorstellen konnten, dann knappe Debatte und der nächste Beitrag. Für breitere Debatten und Nachfragen war zwar kaum Gelegenheit, aber diejenigen, die etwas lernen wollten, über Museen, Ausstellungshäuser oder private Galerien aus Südostasien plus Neuseeland, kamen voll auf ihre Kosten. Die Direktorin des Maori-Kulturzentrums im dortigen Nationalmuseum, Puawai Cairns, wies übrigens mit Augenzwinkern darauf hin, dass die Maori einst ja aus Südostasien kamen.
Panel Diskussion auf dem Symposium
| Foto: Marcel Runge
Fast so alt wie der Louvre
Es wurden Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums gesehen, die drei, vier Blöcke eilig mit dichter Schrift füllten, so dicht kamen die Informationen: Die niederländische Handelskompagnie VOC hatte einen Wert, der den von Apple weit in den Schatten stellt; in Thailand muss bei der Auswahl von Materialien, die vom Publikum eingesandt wurden, genau darauf geachtet werden, dass moralische Gefühle nicht verletzt werden; eine Ausstellung in Manila muss, wenn die legendäre Schuhsammlung der Imelda Marcos zum Thema wird, mit Protesten aus der Familie rechnen; das Nationalmuseum in Jakarta ist fast so alt wie der Louvre und weit älter als die Berliner Museen.Viele der Museen Südostasiens haben eine ähnliche Herkunftsgeschichte: Sie entstanden im Auftrag europäischer Kolonialmächte, waren Teil von deren Machtapparat, aber auch jener sehr europäischen Neugier auf die Welt, die in all der berechtigten postkolonialen Wut oft viel zu wenig als etwas Besonderes wahrgenommen wird. Hier wäre die Beteiligung von Museumshistorikern gut gewesen, die diese Institutionen in einen breiteren Kontext hätten einordnen können. Dann wäre auch deutlicher geworden, dass die Konstruktion einer homogenen nationalen Vergangenheit, wie offenbar etwa im Nationalmuseum in Pnom Penh, keineswegs außergewöhnlich ist. Im Unterschied zur Konstruktion einer Vergangenheit des Diversen, der Vielfalt in der Nationalgalerie in Singapur, eine der sicherlich bedeutendsten Neugründungen der vergangenen Jahre. Hier ist von britischer Kolonialkunst über sozialistischen Realismus bis zur internationalen Avantgarde ein breites Panorama des Singapurischen gespannt.
Kuratorin Chor Lin Lee | Foto: Marcel Runge
Die Publikumsperspektive
Doch was ist mit der Musik, den Festen und Ritualen, dem Tanz, der Bewegung? Und welche Rolle spielt bei dieser Präsentation von „Hochkunst“, die letztlich westlich-europäischen Mustern folgt, das Publikum, wie sehr kann es seine Geschichten und seine Perspektiven einbringen? Die Kuratorin Chor Lin Lee aus Singapur betonte dies, als sie am Beispiel des Nationalmuseums von der Parallelisierung der offiziellen, in vielen prachtvollen Dioramen gezeigten Geschichtsbilder mit dem Bild von unten, dem der Frauen und Minderheiten berichtete.Die Performance Sweet Dreams Sweet im Anschluss des Symposiums | Foto: Marcel Runge Wie bei vielen Symposien blieben also auch am Ende dieser spannenden Veranstaltung vor allem neue Fragen: Wie werden eigentlich die einstigen Kolonisatoren in das Museumsbild integriert? Für Puawai Cairns war die Frage unsinnig, denn die aus Europa nach Neuseeland Eingewanderten dominierten bis heute die Institutionen. Ihre Aufgabe sei es dagegen, den diversen Kulturen der Maori die Möglichkeit der Äußerung zu geben. Das Museum diene sozusagen als Resonanzboden.
Nikolaus Bernau ist Kunstwissenschaftler, Architekturkritiker, Journalist und Sachbuchautor.