Berliner Mauer in der Welt
Symbol der Freiheit
Rund um den Globus erinnern Mauersegmente an die Zeit der deutschen Teilung. Anna Kaminsky, Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, über ihre Recherchen zu dem Buch „Die Berliner Mauer in der Welt“.
Frau Kaminsky, wie antworten Sie Berlin-Besuchern auf die häufig gestellte Frage „Wo war sie denn nun, die Mauer?“
Es stimmt: Sowohl Besucher als auch die Berliner selbst finden in der Stadt kaum mehr Spuren der Mauer. Aufmerksame Beobachter können aber zumindest im Zentrum auf Straßen und Gehwegen eine Pflastersteinreihe erkennen, die den früheren Grenzverlauf markiert. Wer sich ein genaueres Bild machen möchte, muss zur Bernauer Straße gehen. Dort gibt es eine beeindruckende Gedenkstätte, in der die Mauer sowie das Leben und der Alltag mit ihr dargestellt werden.
Welches Fundstück, das der Band „Die Berliner Mauer in der Welt“ dokumentiert, war für Sie besonders erstaunlich?
Wir haben bei unseren Recherchen viele unglaubliche Mauerdenkmäler und -inszenierungen auf der ganzen Welt gefunden. Besonders bemerkenswert finde ich die Initiative der deutschen NASA-Beteiligung, auf dem Mars entdeckte Gesteinsformationen nach dem Mauerfall, der Friedlichen Revolution und der Nikolaikirche zu benennen.
Einmaliges Zeichen des Bürgermuts
Wie erklären Sie sich die große Faszination, die die Mauer offenbar für Menschen auf der ganzen Welt hatte?Die Mauer war während des Kalten Krieges und der Blockkonfrontation das Symbol schlechthin für die Unmenschlichkeit der kommunistischen Herrschaft. Für die meisten Menschen war es unvorstellbar, dass ein ganzes Volk quasi über Nacht „eingemauert“ wurde, dass Familien über Jahre nicht zueinander gelangen konnten und dass diejenigen, die flüchten wollten, kaltblütig erschossen wurden. Bereits vor dem Mauerfall 1989 sind Besucher West-Berlins häufig an die Mauer gekommen und haben von den Aussichtsplattformen einen Blick nach „drüben“ gewagt. Als die Menschen in der DDR die Öffnung der Mauer erzwangen, wurde sie über Nacht von einem Symbol der Unfreiheit und Unterdrückung zu einem Zeichen des Freiheitswillens und des Bürgermuts. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass mit der Mauer unzählige tragische Einzelschicksale verbunden sind. Für viele ist die Erinnerung an die Mauer etwas sehr Persönliches und Konkretes.
Einige der Mauerteile sind auf undurchsichtigen Wegen in die Welt gelangt, manche sind in Vergessenheit geraten und werden kaum gepflegt, bei anderen handelt es sich ohnehin nur um winzige Stücke. Das dürfte die Suche nicht gerade erleichtert haben. Wie sind Sie vorgegangen?
Zum einen haben wir selbst nachgeforscht. Wo immer wir auf Reisen Mauerteile gefunden haben, haben wir diese dokumentiert. Eine solche Mammutaufgabe kann man aber natürlich nicht ohne die Hilfe aus anderen Ländern und von Unterstützern bewältigen. Wir haben durch die deutschen Auslandsvertretungen – Botschaften, Goethe-Institute, Auslandsstellen der politischen Stiftungen – aber auch durch lokale Partner, die von unserem Projekt erfahren haben, viele Informationen bekommen. In der Tat war es bei einigen Mauerteilen sehr schwierig, ihren Weg nachzuvollziehen. Das gilt vor allem für jene Segmente, die unmittelbar nach der Deutschen Einheit 1990 ins Ausland gebracht wurden.
Die Suche geht weiter
Ihr Buch listet mehr als 240 Segmente an 140 Orten auf. Glauben Sie, dass Sie alle Mauerteile gefunden haben?Nein, das war sicher nicht möglich. Wir hoffen aber, dass dieses Buch viele Menschen anregt, uns weitere Informationen zukommen zu lassen über Mauerteile, die wir noch nicht kennen. Gerade kam ein neuer Hinweis aus dem Kalter-Krieg-Museum auf der dänischen Insel Langeland, das ein ganzes, bemaltes Mauersegment in seinem Eingangsbereich aufstellen konnte.
Im 25. Jahr des Mauerfalls hört man häufig, die Jugend in Deutschland wisse zu wenig über die DDR. Wünschen Sie sich manchmal einige der verstreuten Mauerteile nach Berlin zurück, als lehrreiche Zeugnisse?
Ich glaube nicht, dass mehr Mauerteile in Berlin die Wissensdefizite verkleinern würden. Ich setze stattdessen darauf, dass die Teilung und die kommunistische Diktatur weiterhin Lehrplänen stehen und im Schulunterricht behandelt werden. Zumal die jüngere Generation – wie Umfragen ebenfalls zeigen – sehr daran interessiert ist, mehr über unsere unmittelbare Vergangenheit zu erfahren.
Die Berliner Mauer in der Welt; Anna Kaminsky im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (Hrsg.), Berlin Story Verlag 2014
Haben Sie auch schon außerhalb Berlins Teile der Berliner Mauer gesehen? An welchen Orten? Beschreiben Sie Ihre Erfahrungen in einem Kommentar zu diesem Beitrag!