Berlinale | Filme zum Thema Migration
Wo ist Zuhause?

Migration ist eines der brisantesten Themen unserer Zeit – und Thema vieler aktueller Filme. Sofia Kleftaki hat sich während der Berlinale drei Filme dazu angesehen. Jeder widmet sich auf andere Weise der Suche nach einem Platz, der Zuflucht und Heimat bietet.
Mit dem Begriff „Zuhause“ verbinden viele Menschen eine komplexe Idee, die sich zudem ständig verändert. Die Filme Dreams, Das Licht und Our Wildest Days, alle im Programm der Berlinale, zeigen mir nicht nur die Geschichten von Menschen, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Ich erkenne die Ängste, die Hoffnungen und die Suche nach einem Platz, der Zuflucht bietet – physisch, aber vor allem auch emotional. Diese Filme erzählen von der tiefen Zerrissenheit, die mit Migration einhergeht, von der Wunde, die der Verlust von Heimat hinterlässt, und von der Kraft, die es braucht, um den Schritt in eine ungewisse Zukunft zu wagen. Auf ganz unterschiedliche Weise setzen sich diese drei Filme mit Migration und den damit verbundenen Herausforderungen auseinander.
Migration und soziale Ungleichheit
Michel Francos Drama Dreams beginnt mit einer Szene in einem Lastwagen, der sich auf dem Weg in die USA befindet, um Menschen dorthin zu transportieren. Der talentierte Balletttänzer Fernando aus Mexiko gehört zu den Flüchtenden. In San Francisco will er ein neues Leben beginnen. Er ist ein junger Mann, der verzweifelt versucht, der Armut und der sozialen Ausgrenzung zu entkommen. Fernando trifft auf die deutlich ältere Jennifer, verkörpert von Jessica Chastain. Sie ist eine wohlhabende Amerikanerin, die Fernando unterstützt und ihm einen Platz in ihrem luxuriösen Zuhause bietet. Als Fernando anfängt, in den USA Fuß zu fassen, scheint Jennifer jedoch zusehends unzufriedener zu werden. Sie lässt ihn abschieben.Migration und der Integrationsprozess
Tom Tykwer geht mit Das Licht einen anderen Weg als Michel Franco in Dreams. Tykwers Film handelt von der finanziell gut situierten Berliner Familie Engels, deren Mitglieder sich in ihrer sozialen Isolation und egozentrischen Weltsicht verloren haben. Bald tritt eine syrische Frau namens Farrah als Haushälterin in das Leben dieser Familie ein. Die Begegnung bringt den einzelnen Familienmitgliedern schließlich eine unerwartete Selbstfindung.Auffällig ist, dass die „typisch deutsche dysfunktionale Familie“, wie sie der Sohn Jon im Film nennt, durch die Figur der Farrah langsam zueinanderfindet. Gleichzeitig erfährt man aber wenig über Farrahs Leben in Deutschland, bis auf ihre Wohnsituation in einer Frauen-WG und ihren Termin beim Jobcenter. Das Licht setzt den Fokus mehr auf Farrahs Einfluss auf die Familienstrukturen der Familie Engels. Erst in der letzten Szene erzählt der Film die tragische Geschichte von Farrahs Flucht und ihrem Weg nach Deutschland.
Migration im Alltag der Jugend
Ganz anders kommt Vasilis Kekatos mit I Agries Meres Mas (Our Wildest Days) daher. Es ist eine Geschichte von der Suche nach Freiheit und Identität, die zugleich eine subtile Auseinandersetzung mit der sozialen Marginalisierung in Griechenland präsentiert. Die junge Chloe flieht vor ihrer familiären Situation und begibt sich auf eine Reise in die Abgeschiedenheit der griechischen Provinz. Es handelt sich um ein „Roadmovie“ der besonderen Art. Chloes macht sich auf die Suche, um gleichermaßen Zugehörigkeit und Freiheit zu finden, außerdem eine Antwort auf die Frage, was Zuhause eigentlich bedeutet.Der Film zeigt eine Gruppe junger Menschen, die mit ihrem Campingwagen durch das Land ziehen. Sie sind nicht nur auf der Suche nach sich selbst, sondern wollen auch andere Menschen entdecken, die wie sie an den Rändern der Gesellschaft leben. Die Gruppen von sozialen Außenseitern, denen sie begegnen, sind nicht nur Opfer des Systems, sondern verkörpern auch Widerstand. Kekatos zeichnet eine Welt, in der das Reisen und das Suchen nach einer besseren Zukunft sowohl real stattfindet wie auch metaphorisch zu verstehen ist.
Der Film I Agries Meres Mas stellt Migration in einen größeren gesellschaftlichen Kontext. Er zeigt, dass der Wunsch nach einem besseren Leben nicht nur dazu führt, dass Menschen aus einem Land in ein anderes fliehen. Mit dem Begriff Migration lassen sich auch die alltäglichen Fluchten Jugendlicher beschreiben. Sie wollen einer Welt den Rücken zukehren, die sie vor allem mit sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert.