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Hobby Horsing
Aufs Steckenpferd gesetzt

The picture shows several hobbyhorses leaning against a wooden fence. Bales of hay and horses can be seen in the background.
Foto (Detail): mauritius images / Ken Howard / Alamy / Alamy Stock Photos

Auf Steckenpferden galoppieren, traben und dabei sowohl Pferd als auch Reiter*in nachahmen. Klingt skurril? Nicht für die Anhänger*innen der neuen Trendsportart Hobby Horsing. Ein Turnierbesuch.

Es ist ein heißer Spätsommertag in Oberbayern. Die Sonne strahlt unbarmherzig auf das Turniergelände des Waldhauser Hofes – ein Reitstall im Münchner Umland. Die Besucher*innen tummeln sich im Schatten großer Bäume. Zwischen Reiter*innen mit eleganten Outfits und Pferden mit glänzendem Fell mischen sich Kinder mit Steckenpferden zwischen den Beinen. Während des fünftägigen Reitsportfestival wird nämlich nicht nur geritten. Der Waldhauser Hof veranstaltet sein erstes Hobby Horsing-Turnier.

Subkultur: Hobby Horsing

Hobby Horsing, so heißt die Trendsportart aus Finnland, die in den letzten Jahren durch Social Media immer bekannter wurde. Auf Steckenpferden absolvieren Hobby-Horser*innen dabei Disziplinen, die dem Reitsport ziemlich ähneln. Zeitspringen, Stilspringen und Dressur zum Beispiel. Der größte Unterschied: Die Teilnehmenden reiten nicht auf echten Pferden, sondern auf Steckenpferden. Während mit dem Oberköper die Haltung von Reiter*innen imitiert wird, ahmen die Beine die Bewegung eines Pferdes nach.

Um diesen auf den ersten Blick simplen Trendsport hat sich ein eigener Kosmos entwickelt. Inzwischen gibt es einen Deutschen Hobby Horsing Verband (DtHVV) und ein ausführliches Regelwerk für den Turnierbetrieb. Die Hobby Horser*innen sind untereinander gut vernetzt. Auf Social Media gibt es etliche Kanäle, auf denen selbstgenähtes Hobby Horsing-Zubehör verkauft wird, und mindestens genauso viele, die sich mit dem Sport auseinandersetzen. Der Tenor, den man dabei immer wieder hört: Die Hobby Horsing-Community sei sehr unterstützend und wohlwollend.

Und das sieht man auch auf dem Waldhauser Hof. Nachdem die Teilnehmenden des Stilspringens den Parcours abgegangen sind, zeigt eine erfahrene Hobby Horserin den Jüngeren noch einmal, wie genau der Galoppwechsel zwischen den Hindernissen aussehen soll. Und nachdem beim Zeitspringen die Teilnehmerin Cleo den Parcours am schnellsten absolviert, freuen sich ihre Konkurrent*innen mit ihr, als hätten sie selbst gewonnen.
 

Auf dem Bild ist ein Mädchen zu sehen, das mit einem Steckenpferd über ein Hindernis springt. Foto (Detail): mauritius images / Marya Sushchina / Alamy / Alamy Stock Photos

Als „Harmonie pur“ beschreibt auch die Richterin des Hobby Horsing-Turniers Patricia Bottani ihre Erfahrung mit der Community. Die ehemalige Olympiateilnehmerin im Dressurreiten sitzt in blauem Polo und weißer enganliegender Hose im Schatten eines Sonnensegels.

Im letzten Jahr habe sie auf ihrer Reitanlage ihr erstes Hobby Horsing-Turnier veranstaltet, erzählt sie und lächelt dabei. Es sei einer der schönsten Tage ihres Lebens gewesen. 50 Kinder waren zu Gast, es gab keinen Streit und das Feedback war so positiv, dass sie kurze Zeit später ein zweites Turnier auf die Beine stellte. Seitdem wird Bottani immer wieder angefragt. Ihr Name ist in der Reitsportszene bekannt. Und auch wenn sie lieber Dressurprüfungen mit Pferden richtet, hilft Bottani gerne bei Hobby Horsing-Turnieren aus. Dafür werde sie häufig belächelt, meint sie. Viele aus dem Reitsport fänden Hobby Horsing „Quatsch“.

Ein Sport wie jeder andere

Dass Hobby Horsing „Quatsch“ sei, sehen wohl nicht nur Reiter*innen so. Auch auf Social Media wird der finnische Sport immer wieder ins Lächerliche gezogen. Vor allem wenn Erwachsene mit Steckenpferd über Hindernisse springen oder versuchen, fehlerfrei verschiedene Gangarten nachzuahmen, wirkt das auf den ersten Blick vielleicht etwas skurril. Doch auf den zweiten Blick ist es auch nur ein Sport wie jeder andere. Der deutsche Hobby Horsing Verband schreibt auf seiner Website: „Hobby Horsing ist nicht nur ein Hobby, sondern eine Leidenschaft und vor allem ein ernsthafter Sport.“

Das kann auch die zwölfjährige Cara bestätigen. Sie ist für ihr erstes Hobby Horsing-Turnier auf den Waldhauser Hof gekommen und hat dafür ihren halben Stall – eine umgedrehte Getränkekiste – dabei. Die meisten ihrer Pferde hat sie selbst genäht, „professionell“ trainiert sie Hobby Horsing nun seit einem Jahr. „Hobby Horsing ist eine ganz andere Art von Anstrengung als das Reiten“, meint sie. Es zählen Sprungtechnik, Eleganz und vor allem Kondition. Kondition, die sie auch bei ihrer Dressur- und Stilspringprüfung in der prallen Mittagssonne benötigte.

Olympiareif?

Richterin Bottani kann die Kritik am Hobby Horsing ebenfalls nicht nachvollziehen. „Die Kinder bewegen sich“, das sei das Wichtigste. Zudem würden sie alles lernen, was beim Reitsport wichtig sei: Körperspannung, Gefühl, Konzentration, aber auch wie man eine Ausschreibung liest und an Prüfungen herangeht. Für die ehemalige Olympia-Teilnehmerin ist Hobby Horsing vor allem eine Brücke zum Reitsport.

Für Cara haben die zwei Sportarten jedoch wenig miteinander zu tun. Am liebsten trainiert sie Mächtigkeitsspringen – eine Disziplin, die im Reitsport immer wieder kritisiert wird. Pferde sollen dabei nämlich teils Hindernisse überwinden, die höher sind als sie selbst. Da beim Hobby Horsing das Springen aber der Mensch selbst übernimmt, gehören Mächtigkeitsspringen wohl zu den spannendsten Hobby Horsing-Disziplinen. Der Rekord liegt bei einer Höhe von 1,42m. Kein Wunder, dass manche Hobby Horser*innen den Sport bei Olympia sehen wollen.

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