Rosinenpicker | Literatur
Wenn Zahlen sprechen können
Ein Buch, das die Klimakrise in Bildern erklärt, ohne viel Text und Zahlenwirrwarr? Die Aktivistin Luisa Neubauer hat gemeinsam mit Journalist Christian Endt und Grafiker Ole Häntzschel genau das geschafft. In 80 Info-Grafiken präsentieren sie Fakten über die Klimakrise – leicht verständlich aufbereitet.
Von Lena Maurer
Dass Fridays-For-Future-Aktivistin Luisa Neubauer ein Kommunikations-Ass ist, weiß man spätestens, wenn man sie in Live-Debatten diskutieren hört. Ob sie Friedrich Merz mit Aussagen kontert wie, „Vielleicht können wir das Ganze erst einmal wissenschaftlich einordnen“, oder Markus Blume, den bayerischen Wissenschaftsminister, lächelnd fragt: „Wollen Sie oder soll ich den Leuten sagen, wie viel Windkrafträder in Bayern im ersten Halbjahr genehmigt wurden?“ – schnell wird klar: Ohne fundierte Argumente lässt sich keine Debatte gegen Neubauer gewinnen. Meist untermalt sie ihre Argumente mit Zahlen und hat zu gefühlt jeder Aussage ihrer Gegner*innen eine Studie parat, an der sie das Gesagte der Konkurrenz misst. Mit geballter Wortkraft lässt sie Fakten für sich sprechen und schafft es, Wissenschaft so zu transportieren, dass sogar Zahlenhasser*innen gut folgen können.
Zusammen mit Datenjournalist Christian Endt und Grafik-Designer Ole Häntzschel hat Luisa Neubauer nun diesen Bildungsaspekt in ihr neues Buch, den Klima-Atlas, übertragen. Die drei haben einen Atlas geschaffen, der vor allem über Info-Grafiken Wissen über die Klimakrise vermittelt. In acht Kapiteln und 80 Karten wird auf Geografie, Ökologie, Gesundheit, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Technologie eingegangen, nachdem das erste Kapitel einen Überblick über die aktuelle „Lage des Planeten“ vermittelt.
Foto © Rowohlt Buchverlag
Hockey-Schläger mal anders
„Wie beschreibt man, was Menschen noch nicht erlebt haben?“, fragen sich die Autor*innen gleich zu Beginn des Buches. Und zeigen dann auf, wie es seit 1950 rund um das Weihnachtsfest immer seltener schneit oder dass die Kirschbäume in Kyoto immer früher blühen.Als dritte Karte haben sich Neubauer, Endt und Häntzschel mit dem häufig zitierten Hockeyschläger-Diagramm beschäftigt – ein Diagramm, das normalerweise für viele Jahrhunderte eine nahezu flache Temperaturkurve zeigt, die am Ende aber wie bei der Kelle eines Hockeyschlägers steil nach oben geht.
Die drei Autor*innen haben im Klima-Atlas allerdings nicht den Temperaturanstieg abgebildet, sondern die CO2-Konzentration in der Atmosphäre in Kombination mit wichtigen Klimaveränderungen. Die eindrückliche Botschaft der Grafik: Die letzten 10.000 Jahre hat keines der vermeintlich großen Klimaereignisse die CO2-Konzentration so stark verändert, wie die fossilen Erfindungen der letzten 300 Jahre.
Über Tiefkühlpizzen und Windräder
Neben solchen eher dystopischen Grafiken präsentiert der Klima-Atlas aber auch Lösungen und Zukunftsszenarien. Und überrascht dabei immer wieder. Denn wer wusste schon, wie viele Tiefkühlpizzen durch den Strom einer einzigen Windradumdrehung gebacken werden können – es sind zehn Pizzen. Auch wissenswert: Örtliche Vogelpopulationen schrumpfen durch Öl- und Gasförderung um 15 Prozent, während es bei Windrädern keinen messbaren negativen Effekt auf die Population zu geben scheint.Ganz in Klima-Aktivismus-Manier werden natürlich auch Wege aufgezeigt, wie das Klima geschützt werden kann, welche Formen von Offline- und Online-Aktivismus es gibt und wie sehr das Verhalten Einzelner sich auf die Umgebung auswirken kann. So ist Luisa Neubauer, Christian Endt und Ole Häntzschel ein Buch gelungen, das relativ unkompliziert abstraktes Wissen transportiert. Die einzige Kritik: Nicht barrierefrei ist die hellblaue Schrift auf weißem Grund in den Einleitungstexten der einzelnen Kapitel.
Wer sich also ähnlich wie Neubauer das nächste Mal gewappnet in eine Diskussion über die Klimakrise stürzen möchte, dem bietet der Klima-Atlas auf jeden Fall ein solides Grundgerüst. Mit Fakten, die überzeugen!
Hamburg: Rowohlt Buchverlag, 2024. 192 S.
ISBN: 978-3-498-00705-8