Hans Otte hatte als Leiter der Musikabteilung von Radio Bremen großen Einfluss auf die Verbreitung und das Schaffen zeitgenössischer Musik im Nachkriegs-Westeuropa. Otte selbst präsentierte mithilfe des Goethe-Instituts sein Klaviermeisterwerk Das Buch der Klänge / The Book of Sounds mit weltweit großem Erfolg. Ottes Beiträge im Bereich der Multimedia- und Klangkunst sind vielfältig: Neben Musikstücken umfasst sein Werk auch Klanginstallationen, Musiktheaterstücke oder Gedichte.
Die Idee, das Festival Hans Otte : Sound of Sounds ins Leben zu rufen, entstand nach einem E-Mail-Austausch zwischen zwei Fremden, die zu Freunden wurden: dem deutschen Pianisten, Komponisten, Dramaturgen, Kuratoren, Forscher, Musikproduzenten, Dozenten und Professor Ingo Ahmels, der zwischen 1995 und 2007 – dem Todesjahr des Komponisten – als Assistent von Hans Otte arbeitete und ihm seine Doktorarbeit widmete, und der portugiesischen Pianistin, Performerin und Forscherin Joana Gama, der treibenden Kraft des Festivals. Die Kuratorenschaft lag somit bei Ingo Ahmels und Joana Gama, in Koproduktion mit dem Goethe-Institut Portugal, welches das Projekt seit seiner Entstehung unterstützte.
Das Festival Hans Otte : Sound of Sounds fand von Oktober 2021 bis April 2022 in vier portugiesischen Städten statt. Es umfasste einen Zyklus von Konzerten, einem Musiktheater, Ausstellungen und auch akademischen Konferenzen, die sich über verschiedene Publikumsgruppen und Ansätze erstreckten, nachdem im Oktober 2020 Hans Ottes Das Buch der Klänge von der Pianistin Joana Gama in Portugal erstaufgeführt wurde. Das Festival fand im Oktober und November in Lissabon statt. Anschließend reiste es im Dezember nach Évora, im Januar nach Guimarães und im April und Mai nach Viseu, bevor es nach Lissabon zurückkehrte.
Die Eröffnung des Festivals Hans Otte : Sound of Sounds am 23. Oktober fiel mit der Eröffnung der gleichnamigen Ausstellung in der Brotéria in Lissabon (bis 27. November) zusammen, die die beiden archetypischen Klanginstallationen Ich-Atemobjekt (1970) und Namenklang (1995) von Hans Otte sowie eine repräsentative Auswahl seiner Partituren und Zeichnungen zeigte. Ergänzt wurde dies durch biografische Fotografien, insbesondere von der Tochter des Komponisten, der Fotografin Silvia Otte. Die Ausstellung, zu der auch das Werk Air – Hommage an Hans Otte, John Cage und den Klang der Klänge (2019/20) von Ingo Ahmels gehört, das auf einem Text basiert, den Hans Otte als Hommage an John Cage schrieb, folgte dem Weg des Festivals und bieb etwa einen Monat lang in jeder Stadt (Eröffnungen in Évora am 4. Dezember, Guimarães am 15. Januar und Viseu am 7. April).
Auf die Eröffnung der Ausstellung folgte am 4. November eine Konferenz im Goethe-Institut in Lissabon, die dem Konzert Orient:Okzident - Cage:Otte in der Culturgest zuvorging, einer Premiere in Portugal und einer der Höhepunkte des Festivals. In dieser Konferenz, die in Zusammenarbeit mit dem Centro de Estudos de Sociologia e Estética Musical (CESEM - NOVA FCSH) veranstaltet wurde, reflektierte die legendäre Pianistin Margaret Leng Tan gemeinsam mit Joana Gama und Ingo Ahmels, den Kuratoren des Festivals Hans Otte : Sound of Sounds, über die ebenso einzigartigen wie unterschiedlichen Wege von Hans Otte und John Cage – zwei Komponisten, die durch eine enge Freundschaft und gegenseitige Bewunderung verbunden waren. Auch die Konferenz reiste weiter, mit Terminen in Évora am 2. Dezember und Guimarães am 14. Januar 2022.
Am 6. November fand Orient:Okzident - Cage:Otte statt, ein Konzert für zwei Klaviere in einem "präparierten Konzertsaal", das von Ingo Ahmels (Konzeption und Sounddesign) als Hommage an Hans Otte konzipiert, 2006 erstaufgeführt und 2008 bei WERGO veröffentlicht wurde. Damals waren zwei männliche Pianisten – Elmar Schrammel und Philipp Vandré – an der Interpretation beteiligt, und nun wurden zwei Pianistinnen für die Interpretation der Klaviermeisterwerke von John Cage und Hans Otte gewählt: Margaret Leng Tan, eine der angesehensten Interpret*innen experimenteller amerikanischer Musik, die von der New York Times als „Diva des Toy-Pianos" bezeichnet wurde und eng mit John Cage zusammenarbeitete, spielte eine Auswahl aus dem bahnbrechenden Klavierwerk des amerikanischen Komponisten, Sonatas and Interludes, während die renommierte portugiesische Pianistin Joana Gama eine Auswahl aus Hans Ottes Zyklen Das Buch der Klänge und Stundenbuch vortrug. Im Rahmen des Festivals wurde das Konzert Orient:Okzident - Cage:Otte einmalig in Portugal aufgeführt.
Ursprünglich war das Festival für das Jahr 2020 geplant, doch die Pandemie machte es unmöglich, das Festival durchzuführen. So fand nur die Premiere des Zyklus Das Buch der Klänge von Hans Otte im Oktober 2020 in einem Konzert in der Culturgest mit der Pianistin Joana Gama statt. Im Rahmen des Festivals wurde RTP2 am 24. Oktober eine unveröffentlichte Aufnahme mit Joana Gama ausgestrahlt, die im renovierten Gewächshaus des Botanischen Gartens von Coimbra entstanden ist. Das Konzert wurde am 3. Dezember in Évora, am 15. Januar in Guimarães und am 4. März in Viseu aufgeführt. Zusammen mit der Premiere dieses Konzerts im Jahr 2020 förderte die Culturgest auch den Start einer Microsite mit Informationen über den Komponisten sowie Musikstücken, die bei sechs portugiesischen Musikern – Bernardo Álvares, Helena Espvall, Joana Da Conceição, Norberto Lobo, Pedro Melo Alves und Violeta Azevedo – in Auftrag gegeben wurden. Es entstand eine Hommage in Form von Konzertstücken, die für das Online-Format aufbereitet wurden unter dem Titel Abrindo o Livro dos Sons.
Abgerundet wurde das Festivalprogramm durch die Weltpremiere des Musiktheaterstücks J-CHOES – J'ai faim, geschrieben von Lou Simard und Ingo Ahmels. Die phantastische Geschichte enthält Live-Klaviermusik von John Cage, Hans Otte, Erik Satie und Arnold Schoenberg und wurde am 8. April im Teatro Viriato in Viséu sowie am 11. April im Goethe-Institut in Lissabon aufgeführt. Sinnlich vermittelt wird eine starke, klanglich evidente Beziehung zwischen den drei Komponisten und ihrer Klaviermusik. Das Stück ist für drei Pianist*innen geschrieben und wird von Margaret Leng Tan in der Rolle des JC (John Cage), Joana Gama in der Rolle des HO (Hans Otte) und Ingo Ahmels in der Rolle des ES (Erik Satie) interpretiert. Die J-CHOES-Regie liegt bei Lou Simard.