Gespräche aus der Dunkelkammer
Performative Installation in einem Nowosibirsker Kaufhaus
Gespräche aus der Dunkelkammer. Ein Apparat zur Animation verlorener und geschwärzter Texte.
In der Nacht des 24. Februar 1852 verbrannte Nikolaj Wassiljewitsch Gogol den zweiten Band seines Romans „Tote Seelen“. Nur Fragmente haben diesen berühmten Akt der Selbstzensur überlebt. Das Fegefeuer – wie der zweite Teil betitelt war – ist der zentrale Text, der im Dunkelkammer-Apparat reanimiert und im Kontext unserer Gegenwart interpretiert wird. Wie würde das Buch heute zu Ende gehen? Der Apparat verlängert drei zentrale Motive des verlorengegangenen Textes in die heutige Zeit: 1. Das Finanzsystem: Tschitschikoff war der erste russischer Broker, der mit Werten handelte, die keinen Gegenwert besaßen. Wie lässt sich im Vergleich dazu das heutige Kreditwesen beschreiben, und zwar auf lokaler und globaler Ebene? 2. Die toten Seelen: Tote spielen im Roman eine bedeutende Rolle für die Lebenden. Wie geht unsere Gesellschaft mit der Grenze zwischen Leben und Tod um? 3. Reisebericht: Tote Seelen sind ein Roadmovie, eine angewandte Ethnographie. Wie erleben heutige Entdecker in Forschung, Wissenschaft und Kunst ihre Reisen in unbekannte Gegenden? Für jedes Motiv haben wir eine Reihe von Experten aus Nowosibirsk eingeladen, um die aktuelle Bedeutung von Gogols Themen zu erörtern.
Im Dunkel des Apparats, der von Schatten und Silhouetten bevölkert ist, werden Gogols Geisterstimmen wieder zum Leben erweckt; sie erzählen von der Gegenwart als Zukunft während die Nowosibirsker Schauspieler Wladimir Lemeschonok und Lawrentij Sorokin einen unveröffentlichten Text aufführen und Theoretiker und Künstler in einem Küchengespräch bei Tee und Wodka ein abwesendes Kunstwerk heraufbeschwören.