9:26 Uhr. Ich gehe immer geradeaus. Die Mausoleen, die großen Straßen, die Fahnen in Landesfarben, Stiefmütterchen in den Rondellen inmitten der Kreisverkehre. Bald schon sehe ich nichts mehr davon.
11:17 Uhr. Benahe außerhalb der Stadt: ein Bach in einer kleinen Schlucht. Die trockene Erde ist übersät mit Müll. Zigarettenpackungen, Dosen, Plastik, Unrat, alles. In diesem Wasser schwimmen keine Fische. Minuten stehe ich vor dem Abgrund. Auf der anderen Straßenseite: vier Männer, ein selbstgezimmerter Tisch. Sie spielen Backgammon. Ich fotografiere die Landschaft mit Müll. Sie winken mir zu.
11:21 Uhr. Ich fotografiere weiter. Nein, sie winken nicht: Verschwinden soll ich, das sagen ihre Hände, die wild durch die Luft fahren. Was fotografierst du denn da? Dann gehe ich weiter.
13:20 Uhr. Ein Bus, irgendwo in Samarkand. Längst habe ich die Orientierung verloren. Ich weiß nicht, wohin er fährt. Manche Löcher in den Straßen sind so tief, dass wir kurz stehenbleiben, dann, ganz sacht, fährt der Bus durch das Loch, es knallt und schlägt, dann wieder beschleunigen, bis zum nächsten Loch, wieder langsam, wieder tastend, wieder knallt und schlägt es, und dann ist wieder nicht passiert, keine Achse gebrochen, kein Stoßdämpfer hinüber. Die Mienen der Fahrgäste sind unbeteiligt.
13:34 Uhr. Große Aufregung: alles aussteigen. Ich weiß nicht, warum. Out!, sagt jemand, und sieht mich an, Out!
13:41 Uhr. Siyob Dehqon Bozori. Notizen machen. Bordstein, ausruhen, Nan essen.
14:56 Uhr. Medresen, Mausoleen. Eine Usbekin spricht mich an, vielleicht 15, vielleicht 16. Der Platz, auf dem ich stehe, ist überfüllt. Alles fotografiert: Kuppel, Mosaiken, Inschriften, Selfie, Selfie, Selfie. Ich glaube zu verstehen: Helfen soll ich, eine Gruppe fotografieren. (Warum gerade ich? Nun gut.) Mit ihrem Finger gibt sie mir zu verstehen: Stell dich dort hin. Dann: Mädchen umringen mich, kreischen, lachen, eine löst sich aus ihnen, nimmt drei große Schritte, dreht sich flugs um und möchte fotografieren. Mich und die Gruppe. Ein 1,89m großes, blondes Kuriosum. Ich löse mich aus der Gruppe und gehe weiter. Sie rufen mir hinterher, vielleicht: Komm, ach, los! Wirklich nur EIN Foto! Aber bald schon bin ich nur noch ein Kopf unter vielen. Es ist Sonntag. Es ist voll.