Zurück in Leipzig. Die Gesichter der Usbeken, etwas in ihnen, eine Mischung aus Angst, Vorbehalt und dem festen Wunsch sich mitzuteilen. Diese Gesichter habe ich vor Augen. Die Usbeken, die sich mir anvertraut haben, niemals in der Gruppe, immer nur im Schutz der Zeugenlosigkeit: Sie hätten Angst, sagte sie, sagte er. Menschen saßen, standen neben mir, jung und schön, und erzählten von Zwangsarbeit in den Baumwollfeldern. Baten um Anonymität, berichteten von Armut, von Angst vor Denunzianten, Korruption, von kritischen Journalisten, die gefoltert werden, verschleppt, wer weiß schon, wohin.
In der Stadt X fragt eine Dozentin, ob es in Ordnung sei, dass sie jetzt nichts mehr sage. Ich rede mir Hannes, einem Deutschen, über Politik, über die Zwangsarbeit in den Baumwollfeldern, über Selbstmorde vor Ort, die vertuscht werden, so gut sowas eben geht. Ich sage, ja, das sei in Ordnung. Sie dürfe vor Ausländern nichts Negatives über Usbekistan sagen. Es könne ihr den Job kosten.
Ich habe mich verliebt in diese Menschen. Auf der Straße sitzend sprachen sie mich an, immer wieder: ob ich hungrig sei, woher ich komme, die reine Neugier, vorbehaltslos, keine Angst vor dem Fremden. Ob ich lieber Plov oder Schaschlik essen wolle. Mein deutscher Enkel!, ruft eine um die achtzig, küsst mich, kaum ein Zahn im Mund.
Irgendwann, immer geht das so, das Thema Politik: Im Winter heizten sie mit Kuhdung. Nein, man sei nicht böse auf die Regierung, die Gas der Devisen wegen verkaufe und die Leute auf dem Land dafür mit Scheiße heizen lasse, denn: Am Ende gehe es ja doch, irgendwie. Respekt diesen Menschen, während ich diese Zeilen schreibe und weiß: Irgendwo im Samarkander Umland, neben den Gleisen des Afrosiyob, sitzt in diesem Moment ein Ziegenhirte und denkt an den nächsten Winter, an die 40 Minusgrade, an sein Haus aus Lehm, und wie er an Wärme kommt, köstliche Wärme. Auf die Frage, ob er ein gutes Leben hätte, würde er sagen: Ja, es geht mir gut, ich habe Kinder, eine liebe Frau, wir leben.