Bird Catcher (IV), Installation, 2016
„So wenig gehöre dazu, so unendlich wenig, sich auf der anderen Seite der Grenze wiederzufinden, wo alles seinen Sinn verliere: die Liebe, die Überzeugungen, der Glaube, die Geschichte. Das ganze Geheimnis des Menschenlebens liege darin, daß es sich in unmittelbarer Nähe, ja in direkter Berührung mit jener Grenze abspiele, daß es von ihr nicht durch Kilometer, sondern durch Millimeter getrennt sei.“
Milan Kundera, „Das Buch vom Lachen und Vergessen“
Die Idee zu diesem Werk entwickelte sich aus meiner früheren Arbeit Bird Catcher (2011). Sie beruht auf einer Szene, die ich vor einigen Jahren auf einer Reise in einem zentralasiatischen Land beobachtete: ein Vogelmarkt, auf dem man lebende Vögel in kleinen Stoffbeuteln verpackt, die an die Wand gehängt werden. Im Kontext der lokalen Kultur ist dies Tradition, doch aus meiner Sicht hatte diese Szene einen symbolischen Wert und wurde zu einer universellen Metapher für die leidvolle menschliche Existenz. In den vergangenen Jahren habe ich immer wieder mit dem Motiv des Vogels in einem Stoffbeutel gearbeitet. Es wurde zur Grundlage für einige andere Werke, während die Arbeit Bird Catcher transformiert und für verschiedene Ausstellungskontexte adaptiert wurde, sodass sie mittlerweile in mehreren Versionen existiert. Als Reaktion auf das Thema der Ausstellung „Die Grenze“ habe ich mit diesem Motiv weitergearbeitet. „Grenze“ bezeichnet im weitesten Sinne die Grenze einer kollektiven Identität, die „uns“ von „den anderen“ trennt. Dies bringt uns zu dem philosophischen Thema des Anderen. Hier interessiert mich die Perspektive der Intersubjektivität sowie auch meine persönliche Erfahrung von Grenzen . (Gaisha Madanova)
„Für Gaisha Madanova symbolisiert diese Situation das Gefühl der Ausgeschlossenheit in einem fremden Land: Man fühlt sich durch Sprache und Verhalten stark isoliert. Wie verhält man sich und wie spricht man in solch einer Umgebung? Die vierte Fassung von Bird Catcher wurde speziell für die Ausstellung „Die Grenze“ entwickelt. Sie besteht aus dem Originalvideo, einem Stoffbeutel aus Zentralasien plus zwei speziell für die Ausstellung hinzugefügten Elementen: silberner Lametta-Glitzerfolie und blauem LED-Licht – es sind Verweise auf den nahen chinesischen (Welt-)Markt. Auch die Präsentation der Arbeit in der weniger als halb geöffneten Kiste verweist auf das Thema der Grenze zwischen dem Einzelnen und dem ihn umgebenden (fremden) Kollektiv.“ (Inke Arns)
Gaisha Madanova
*1987 in Almaty, Kasachstan; lebt und arbeitet in München, Deutschland
Graduierte 2009 an der Fakultät für Architektur am Almaty College of Construction and Management. Seit 2012 Studium an der Akademie der Bildenden Künste München (AdBK). Arbeitet als Künstlerin und Kuratorin (DIYALOG: New Energies, VIENNAFAIR; VIDEO[ARTiFACT], Klaus vom Bruch; mikro[smART]raiony, Refunc) und war an mehreren Projekten des Goethe-Instituts beteiligt. Gaisha Madanova ist Gründerin und Chefredakteurin von ALUAN, der ersten Zeitschrift für konzeptuelle Kunst in Kasachstan – eine „Ausstellung auf Papier“.