Interview
Kantarama Gahigiri
Wieso hast du dich für Filmemachen als persönliches Ausdrucksmittel entschieden?
Kunst umgab mich schon immer, aber ich habe lange nach dem richtigen Ausdrucksmittel gesucht. Ich machte Musik, Theater, widmete mich klassischen Studien, machte einen Master in Internationalen Beziehungen… und glücklicherweise kam ich nicht zur Ruhe! Ich war nie zufrieden, bis ich schließlich eines Tages zum ersten Mal Teil eines Filmsets war und einem Freund half seinen Kurzfilm zu produzieren. Ich erinnere mich an diesen Moment als mir absolut klar wurde: Filmemachen hat die Kraft Leute auf eine Art und Weise zu bewegen, die mich anspricht.
Danach war alles einfacher, denn ich hatte ein Ziel. Ich machte mich auf und studierte einen zweiten Master in New York, einen in Filmemachen. Ich blieb dort insgesamt acht Jahre, arbeitete in der Filmindustrie, um viele Erfahrungen zu sammeln und fing an, meine eigenen Projekte als Regisseurin zu realisieren.
Was hat dich vor allem dazu bewegt nach Ruanda zu kommen und was motiviert dich immer wieder zurückzukommen?
Ich bin Ruanderin und komme schon seit meiner Kindheit hierher. Ab einem bestimmten Punkt war es für mich selbstverständlich auch aus beruflichen Gründen hierher zu kommen.
Was motiviert dich Filmemachen zu lehren?
Das ist mein Weg etwas zurückzugeben. Ich hoffe, so die junge Generation zu inspirieren und ihnen nützliche Tipps zu geben. Filmemachen ist ein hartes und manchmal einsames Business, daher ist es gut sich mit gleichgesinnten Menschen zu vernetzten.
Du leitest gerade ein zweites Mal den „Girls in Cinema“-Workshop. Was bedeutet es für dich insbesondere Mädchen das Filmemachen beizubringen?
Ich bin sehr glücklich darüber die Chance gehabt zu haben den “Girls in Cinema“-Workshop zu leiten und möchte allen involvierten Partner*innen danken! Die Schülerinnen waren sehr talentiert und machten schnell Fortschritte. Ich glaube, es ist wichtig junge Mädchen zu empowern und ihnen zu zeigen, dass es Chancen für sie gibt. Sie zu ermutigen ihre Träume zu verfolgen.
Ich wünschte, ich hätte in diesem Alter die gleichen Möglichkeiten gehabt neue Berufe und unterschiedliche Weltanschauungen kennen zu lernen. Jemand zu haben, der*die eine Mentor*in oder Vorbild hätte sein können. Es ist eine große Verantwortung und viel Arbeit. Auf Grund meines vollen Zeitplans bin ich nicht sicher, dass ich immer erreichbar sein kann. Aber jetzt, zu diesem Zeitpunkt, hatte ich Zeit und Energie. Es fühlt sich gut Dinge weiterzugeben.
Du warst Teil der diesjährigen Jury des „Mashariki Film Festivals“. Was ist dein Eindruck von der ruandischen Filmszene? Du als jemand, der Teil von ihr ist und sich gleichzeitig aber auch in einer Außenperspektive zu ihr wiederfindet?
Seit seiner Gründung arbeite ich sehr eng mit dem „Mashariki African Film Festival“ zusammen: Ich war Schirmherrin der ersten beiden Ausgaben, leitete Workshops in drei von vier Jahren Festivaljahren, war 2018 Jurymitglied und werde zukünftig Festival-Botschafterin sein. Ich mache das, da ich an dieses Projekt glaube. Und auch allgemein daran, ruandischen, ostafrikanischen und afrikanischen Filmen eine Plattform zu geben.
Zum Thema Film in Ostafrika: dieses Jahr hat ein Freund von mir, Sam Ishimwe, den silbernen Bären auf der Berlinale für seinen Kurzfilm Imfura erhalten. Das war das erste Mal, dass ein ruandischer Film überhaupt teilnahm. In Cannes wurde darüber hinaus der erste kenianische Film ausgewählt – Rafiki von Wanuri Kahiu. Freunde des kenianischen Kollektivs „The Nest“ haben für das „Rotterdam International Film Festival“ das Programm von Pan-African Cinema Today kokuratiert. Ich selbst habe ein Panel über Storytelling in Africa auf dem „Africa Tech Summit“ kuratiert, der in Kigali zum ersten Mal stattfand. Das sind nur ein paar Beispiele, aber sie zeigen, dass die Kunstszene lebendig und relevant ist.
Ich prognostiziere eine strahlende Zukunft. Es gibt enorm talentierte, kantige, kreative Leute in der Region. Es gibt so viele Geschichten, die erzählt werden wollen. Allerdings muss es ein besseres System geben, das Künstler*innen von Anfang unterstützt. Ein System, das ihnen Raum zum Wachsen gibt. Das ist notwendig, denn wenn man nicht will, dass jemand anderes die eigene Geschichte erzählt und die eigene Identität verstellt, dann muss man diejenigen unterstützen, die dabei sind den Wesenskern der eigenen Kultur zu erschaffen.
Gibt es so etwas wie einen fehlenden Narrativ im ruandischen Film?
Es ist, wie Freund*innen und Kolleg*innen von mir aus Kigali kürzlich gesagt haben: es gibt definitive eine Bewegung des ruandischen Films, aber noch keine Industrie. Die letzten Jahre zeugen vom Entstehen einer wichtigen, jedoch noch fragilen „cinema d’auteur“-Stimme, die gepflegt werden muss.
Die Narrative existieren, sie brauchen nur Raum zum Wachsen. Ich wünsche mir, dass meine Kolleg*innen aus den afrikanischen bzw. ruandischen Kunstszenen endlich berücksichtigt und respektiert werden. Dass die afrikanischen Länder sich bewusst bemühen, die eigenen Künstler*innen auch zu unterstützen, bevor diese international bekannt sind.
Hast du Tipps für angehende ruandische Filmemacher*innen?
Ergreift die Initiative.
Habt keine Angst.
Und erinnert euch immer daran, die Reise zu genießen. Es ist kein Kurzstreckenlauf, es ist ein Marathon!
Was können nationale und international Institutionen machen, um die (ost-)afrikanische Filmszene besser zu unterstützen?
Es muss „safe spaces“ für Projekte geben, so dass diese ohne Einflussnahme wachsen können. Es muss Möglichkeiten zur professionellen Ausbildung im Filmbereich geben, die nicht nur auf die Bereiche Drehbuch/Regie eingehen, sondern auch auf technische Kompetenzen. Und es muss möglich sein, sich seinen Lebensunterhalt als Filmemacher*in erwirtschaften zu können. Weiterhin braucht es Zugang zu Geldmitteln, damit neue Filme entstehen können, regionale Plattformen, damit Projekte sichtbar werden und Leute sich vernetzen können. Auch benötigen Filmemacher*innen finanzielle Unterstützung, damit sie, für den Fall, dass ihr Film ausgewählt wird, wichtige internationale Filmfestivals besuchen und ihr Netzwerk vergrößern können.
Hast du spezifische Pläne für die nahe und ferne Zukunft?
Aktuell gibt es den Film TANZANITE, den ich unbedingt mit meinem Freund und Kollegen Kivu Ruhorahoza machen möchte. Mit diesem Projekt bereite ich mich auch auf die Teilnahme an der „Realness Residency for African Screenwriters“ vor, die von Juni bis Juli stattfinden wird. Dann kommt das „Durban International Film Festival“, auf dem ich das Projekt vorstellen möchte, dann… vielleicht Locarno. Mal schauen…
Auch in Zukunft werde ich, auf Grund all der vorher genannten Gründe, weiterhin Filme produzieren und Geschichten erzählen, die mir aus dem Herzen sprechen. Ich hoffe, dass dies viele Andere auf ihrer eigenen Reise inspirieren wird.
Danke Kantarama!
Weitere Informationen:
http://circusproductions.tv/about/
http://circusproductions.tv/blog/
Kunst umgab mich schon immer, aber ich habe lange nach dem richtigen Ausdrucksmittel gesucht. Ich machte Musik, Theater, widmete mich klassischen Studien, machte einen Master in Internationalen Beziehungen… und glücklicherweise kam ich nicht zur Ruhe! Ich war nie zufrieden, bis ich schließlich eines Tages zum ersten Mal Teil eines Filmsets war und einem Freund half seinen Kurzfilm zu produzieren. Ich erinnere mich an diesen Moment als mir absolut klar wurde: Filmemachen hat die Kraft Leute auf eine Art und Weise zu bewegen, die mich anspricht.
Danach war alles einfacher, denn ich hatte ein Ziel. Ich machte mich auf und studierte einen zweiten Master in New York, einen in Filmemachen. Ich blieb dort insgesamt acht Jahre, arbeitete in der Filmindustrie, um viele Erfahrungen zu sammeln und fing an, meine eigenen Projekte als Regisseurin zu realisieren.
Was hat dich vor allem dazu bewegt nach Ruanda zu kommen und was motiviert dich immer wieder zurückzukommen?
Ich bin Ruanderin und komme schon seit meiner Kindheit hierher. Ab einem bestimmten Punkt war es für mich selbstverständlich auch aus beruflichen Gründen hierher zu kommen.
Was motiviert dich Filmemachen zu lehren?
Das ist mein Weg etwas zurückzugeben. Ich hoffe, so die junge Generation zu inspirieren und ihnen nützliche Tipps zu geben. Filmemachen ist ein hartes und manchmal einsames Business, daher ist es gut sich mit gleichgesinnten Menschen zu vernetzten.
Du leitest gerade ein zweites Mal den „Girls in Cinema“-Workshop. Was bedeutet es für dich insbesondere Mädchen das Filmemachen beizubringen?
Ich bin sehr glücklich darüber die Chance gehabt zu haben den “Girls in Cinema“-Workshop zu leiten und möchte allen involvierten Partner*innen danken! Die Schülerinnen waren sehr talentiert und machten schnell Fortschritte. Ich glaube, es ist wichtig junge Mädchen zu empowern und ihnen zu zeigen, dass es Chancen für sie gibt. Sie zu ermutigen ihre Träume zu verfolgen.
Ich wünschte, ich hätte in diesem Alter die gleichen Möglichkeiten gehabt neue Berufe und unterschiedliche Weltanschauungen kennen zu lernen. Jemand zu haben, der*die eine Mentor*in oder Vorbild hätte sein können. Es ist eine große Verantwortung und viel Arbeit. Auf Grund meines vollen Zeitplans bin ich nicht sicher, dass ich immer erreichbar sein kann. Aber jetzt, zu diesem Zeitpunkt, hatte ich Zeit und Energie. Es fühlt sich gut Dinge weiterzugeben.
Du warst Teil der diesjährigen Jury des „Mashariki Film Festivals“. Was ist dein Eindruck von der ruandischen Filmszene? Du als jemand, der Teil von ihr ist und sich gleichzeitig aber auch in einer Außenperspektive zu ihr wiederfindet?
Seit seiner Gründung arbeite ich sehr eng mit dem „Mashariki African Film Festival“ zusammen: Ich war Schirmherrin der ersten beiden Ausgaben, leitete Workshops in drei von vier Jahren Festivaljahren, war 2018 Jurymitglied und werde zukünftig Festival-Botschafterin sein. Ich mache das, da ich an dieses Projekt glaube. Und auch allgemein daran, ruandischen, ostafrikanischen und afrikanischen Filmen eine Plattform zu geben.
Zum Thema Film in Ostafrika: dieses Jahr hat ein Freund von mir, Sam Ishimwe, den silbernen Bären auf der Berlinale für seinen Kurzfilm Imfura erhalten. Das war das erste Mal, dass ein ruandischer Film überhaupt teilnahm. In Cannes wurde darüber hinaus der erste kenianische Film ausgewählt – Rafiki von Wanuri Kahiu. Freunde des kenianischen Kollektivs „The Nest“ haben für das „Rotterdam International Film Festival“ das Programm von Pan-African Cinema Today kokuratiert. Ich selbst habe ein Panel über Storytelling in Africa auf dem „Africa Tech Summit“ kuratiert, der in Kigali zum ersten Mal stattfand. Das sind nur ein paar Beispiele, aber sie zeigen, dass die Kunstszene lebendig und relevant ist.
Ich prognostiziere eine strahlende Zukunft. Es gibt enorm talentierte, kantige, kreative Leute in der Region. Es gibt so viele Geschichten, die erzählt werden wollen. Allerdings muss es ein besseres System geben, das Künstler*innen von Anfang unterstützt. Ein System, das ihnen Raum zum Wachsen gibt. Das ist notwendig, denn wenn man nicht will, dass jemand anderes die eigene Geschichte erzählt und die eigene Identität verstellt, dann muss man diejenigen unterstützen, die dabei sind den Wesenskern der eigenen Kultur zu erschaffen.
Gibt es so etwas wie einen fehlenden Narrativ im ruandischen Film?
Es ist, wie Freund*innen und Kolleg*innen von mir aus Kigali kürzlich gesagt haben: es gibt definitive eine Bewegung des ruandischen Films, aber noch keine Industrie. Die letzten Jahre zeugen vom Entstehen einer wichtigen, jedoch noch fragilen „cinema d’auteur“-Stimme, die gepflegt werden muss.
Die Narrative existieren, sie brauchen nur Raum zum Wachsen. Ich wünsche mir, dass meine Kolleg*innen aus den afrikanischen bzw. ruandischen Kunstszenen endlich berücksichtigt und respektiert werden. Dass die afrikanischen Länder sich bewusst bemühen, die eigenen Künstler*innen auch zu unterstützen, bevor diese international bekannt sind.
Hast du Tipps für angehende ruandische Filmemacher*innen?
Ergreift die Initiative.
Habt keine Angst.
Und erinnert euch immer daran, die Reise zu genießen. Es ist kein Kurzstreckenlauf, es ist ein Marathon!
Was können nationale und international Institutionen machen, um die (ost-)afrikanische Filmszene besser zu unterstützen?
Es muss „safe spaces“ für Projekte geben, so dass diese ohne Einflussnahme wachsen können. Es muss Möglichkeiten zur professionellen Ausbildung im Filmbereich geben, die nicht nur auf die Bereiche Drehbuch/Regie eingehen, sondern auch auf technische Kompetenzen. Und es muss möglich sein, sich seinen Lebensunterhalt als Filmemacher*in erwirtschaften zu können. Weiterhin braucht es Zugang zu Geldmitteln, damit neue Filme entstehen können, regionale Plattformen, damit Projekte sichtbar werden und Leute sich vernetzen können. Auch benötigen Filmemacher*innen finanzielle Unterstützung, damit sie, für den Fall, dass ihr Film ausgewählt wird, wichtige internationale Filmfestivals besuchen und ihr Netzwerk vergrößern können.
Hast du spezifische Pläne für die nahe und ferne Zukunft?
Aktuell gibt es den Film TANZANITE, den ich unbedingt mit meinem Freund und Kollegen Kivu Ruhorahoza machen möchte. Mit diesem Projekt bereite ich mich auch auf die Teilnahme an der „Realness Residency for African Screenwriters“ vor, die von Juni bis Juli stattfinden wird. Dann kommt das „Durban International Film Festival“, auf dem ich das Projekt vorstellen möchte, dann… vielleicht Locarno. Mal schauen…
Auch in Zukunft werde ich, auf Grund all der vorher genannten Gründe, weiterhin Filme produzieren und Geschichten erzählen, die mir aus dem Herzen sprechen. Ich hoffe, dass dies viele Andere auf ihrer eigenen Reise inspirieren wird.
Danke Kantarama!
Weitere Informationen:
http://circusproductions.tv/about/
http://circusproductions.tv/blog/