Haben Sie sich schon einmal Autor*innen im Urlaub vorgestellt? Erschiene es Ihnen nicht auch verdächtig, wenn diese darin nicht schreiben oder lesen würden? In den Ferien, sei es bei der Stadtführung oder auf der Sonnenliege, sind Menschen nicht auf den ersten Blick in ihren Berufen zu erkennen oder voneinander zu unterscheiden. Und doch, das wusste schon Roland Barthes in seinen Mythen des Alltags (1957) zu berichten, wird den Schreibenden unterstellt, dass sie auch dort, auf der Liege, wenn schon nicht schreiben, dann zumindest genauestens beobachten, für ein neues Projekt recherchieren und sich im Grunde schon wieder an ihren Schreibplatz zurücksehnen.
Was aber nutzen Schriftsteller*innen, die nicht schreiben? Nicht nur die Gesellschaft, auch öffentliche Literaturförderung, von der die meisten Schreibenden abhängig sind, die „(noch) keinen Bestseller veröffentlicht haben“, trägt zur Verfestigung einiger solcher Kurzschlüsse bei. Was nicht sichtbar ist, kann schließlich auch nicht gefördert werden. Dieses fehlende Praxiswissen stabilisiert wiederum den deutlichen Unterschied zwischen den – vergleichsweise – wenigen Autor*innen, die vom Schreiben leben können, und dem Gros derer, die auf Fördermittel und alternative Einnahmequellen angewiesen sind.
Wie sehen Lebensbedingungen von Schreibenden tatsächlich aus? Wie werden öffentliche Literaturfördergelder – bisher – verteilt? Und wie können Lösungsansätze aussehen, die sich den Alltagsrealitäten der zu Fördernden besser anpassen? In sechs aufeinanderfolgenden Essays reflektieren v. a. literaturschaffende und -vermittelnde Akteur*innen der freien Kulturszene diese Fragen. Wie viel unsichtbare Arbeit steckt im Gestalten, Produzieren und Vermitteln von Literatur? Wie sehr können und sollten sich Literaturschaffende äußeren Bedingungen beugen oder widersetzen? In dieser Reihe finden sich sechs Perspektiven, die ermöglichen, Schreibende und jene, die zum Entstehen ihrer Werke beitragen, als solche zu begreifen, auch wenn sie neben uns im Café ein Getränk in der Sonne genießen, ganz ohne Notizbuch in Sichtweite.
Die Essayreihe ist auf Workshops zurückzuführen, die das Kölner Forschungsprojekt „Literaturforum für feministische Stimmen“ zu öffentlicher Literaturförderung und Arbeitsbedingungen in der deutschsprachigen freien Literaturszene 2023 organisiert hat. Im Rahmen dieser Arbeitstagungen wurde über Literaturpreise, -residenzen, -stipendien, über das Literaturveranstaltungs- und -vermittlungswesen sowie über Aus- und Fortbildungen diskutiert. Am Ende jedes Treffens wurden Vorschläge zur Veränderung sowie zukunftsgerichtete Ansätze präsentiert. Ausgehend davon waren einige Teilnehmende dazu angehalten, ihre Arbeits- und Lebensbedingungen als Schreibende und Kulturschaffende zu hinterfragen. Jede Woche bis Ende Februar 2024 wird eine weitere Perspektive zu lesen sein.
* Das Foto zeigt eine Aktion des Kollektivs „Literatur für das, was passiert“, das Texte verfasst (wie hier beim Literarischen Colloquium Berlin) und damit Spenden für Menschen auf der Flucht sammelt.