Bücher auf Rädern
Fahrbibliotheken

Über 100 Busse und Lastwagen sind in Vorstädten wie in ländlichen Gebieten in der ganzen Bundesrepublik unterwegs, um Bibliotheksangebote zu Nutzern zu bringen, die in größerer Entfernung zur nächsten festen Stadt- oder Gemeindebibliothek leben. Ein heller, freundlicher Raum. Weiße Regale, zum Teil verschmitzt asymmetrisch angeordnet, gefüllt mit Büchern, CDs und DVDs. Ein hellblauer Fußboden und rote Sitzmöbel, darunter eine Lesematte in einer Fensternische. Willkommen in der rollenden Bibliothek Heilbronn!
„Eine Bücherlounge“, schwärmten die begeisterten Besucher bei der feierlichen Eröffnung im Mai 2011 und fanden, dass sich die Fahrbibliothek „Robi“ auch von außen bestens sehen lassen kann. Ein himmelblauer Lkw, luftig geschmückt mit Literaturzitaten in weißer Schrift.

„Uns war die Gestaltung unseres neuen Fahrzeugs ganz wichtig“, erklärt Monika Ziller, die Leiterin der Stadtbibliothek Heilbronn. „Rollende Bücherbusse sollten nicht nur im Stadtbild positiv auffallen, sondern auch Orte sein, an denen man sich wohlfühlt, Orte, die im Gedächtnis bleiben.“

96 Fahrbibliotheken mit 110 Fahrzeugen

Robi ist eines von 110 Büchereifahrzeugen in Deutschland, die zu 96 Fahrbibliotheken gehören. Die meisten von ihnen sind Teil eines Bibliothekssystems, nur 17 Prozent der Fahrbibliotheken arbeiten unabhängig. Etwas mehr als die Hälfte der Bibliotheken auf Rädern wird von Städten und Gemeinden unterhalten, ein Viertel von Landkreisen, der Rest von gemeinnützigen Vereinen oder von mehreren Trägern zugleich.

Als Besonderheit gilt das nördliche Bundesland Schleswig-Holstein. Hier sind die bestehenden 13 Fahrbüchereien zusammen mit 140 anderen öffentlichen Bibliotheken in einem Bibliothekssystem organisiert, das von der Büchereizentrale Schleswig-Holstein betreut wird.

Die Vielfalt bei der Trägerschaft und Organisationsform ist auch ein Spiegel der unterschiedlichen Einsatzgebiete: Fahrbibliotheken sind in Deutschland in Stadtgebieten ebenso unterwegs wie im dünn besiedelten ländlichen Raum.

„Bücherbusse bringen das Angebot der Bibliothek zu den Menschen, die weiter entfernt von der nächsten standortgebundenen Bibliothek leben“, sagt Ziller, die auch Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands ist. „Meiner Meinung nach ist das Thema Fahrbibliothek zu Unrecht ins Hintertreffen geraten. Wenn wir darüber nachdenken, wie man die Bibliotheksversorgung in der Fläche wieder stärken kann, dann können Fahrbibliotheken hier eine wirklich wichtige Stellung einnehmen.“

Technik an Bord von Bus oder Lkw

In der Regel sind die Fahrbibliotheken nicht nur mit Medien aller Art ausgestattet, sie bieten auch die Technik für das Verbuchen der Ausleihen sowie zur Recherche im Bibliothekskatalog.

Fast zwei Drittel der Fahrzeuge in Deutschland sind älter als 15 Jahre, einige fahren sogar schon seit über 30 Jahren durch die Lande. Die meisten sind Busse, doch in den letzten Jahren setzt man – vor allem aus Kostengründen – hierzulande auch auf den Ausbau von Lkw. Susanne Stökl, Bibliothekarin in Schleswig-Holstein, wurde eigens zum „Mobile Library Festival 2011“ im finnischen Turku eingeladen, um dort vor 340 Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt den neuen Bücher-Lkw der Fahrbücherei im Kreis Dithmarschen zu präsentieren. „In Finnland sind bislang ausschließlich Bücherbusse im Einsatz. Die Festival-Kollegen staunten, wie geräumig und hell unser Fahrzeug innen ist – und alles auf einer Ebene ohne Stufen.“

Haltepunkte an Schulen und Kindertagesstätten

Für die rollenden Bibliothekarinnen und Bibliothekare hat die Leseförderung einen sehr hohen Stellenwert. So fährt der Heilbronner Robi vormittags nahezu alle Grundschulen und einige Kindertageseinrichtungen im Stadtgebiet an. „Für die Masse der Kinder ist das der Erstkontakt mit der Bibliothek“, sagt Monika Ziller. Am Nachmittag kommt der blaue Lkw zu festen Haltepunkten in den Stadtteilen, jede Woche einmal. „Wir fokussieren uns stark auf Kinder und Familien, versuchen aber zugleich auch die älteren Leute, die nicht mehr so mobil sind, nicht aus dem Blick zu verlieren. Ein nicht ganz einfacher Spagat.“

[Fahrbibliothek „Robi“] Auf dem Land sieht es ähnlich aus, auch wenn dort naturgemäß eine ganz andere Fläche abgedeckt werden muss: „Wir haben 162 Haltepunkte, die wir jeweils alle drei Wochen anfahren“, berichtet Susanne Stökl, die mit ihrer Fahrbücherei im Kreis Plön unterwegs ist. Der einzelne Stopp dauert dann in der Regel maximal eine halbe Stunde.

„60 Prozent unserer Nutzer sind Kinder“, sagt Susanne Stökl, der die Zusammenarbeit mit Kindergärten und Schulen besonders wichtig ist. „Der Besuch des Bücherbusses ist ein regelmäßiger Teil des Unterrichts an den 18 Grundschulen in unserem Landkreis. Die Klassen kommen mit ihren Lehrerinnen und Lehrern zu uns.“ Zwar stellen die Fahrbibliotheken auch Medienboxen zu Unterrichtsthemen zusammen, doch das ist für Susanne Stökl nicht der Kern der Arbeit. „Wir legen viel Wert auf den direkten Kontakt zu den Kindern.“ Der Erfolg gibt ihr Recht: „Nach der Grundschule kommen die Schülerinnen und Schüler, die uns kennengelernt haben, auch zu den Haltepunkten in ihren Wohngebieten. Nein, sie kommen nicht, sie rennen!“

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