Ausstellung Global Control and Censorship
14. Oktober 2017 – 6. Dezember 2017
Kuratoren: Bernhard Serexhe, Lívia Nolasco-Rózsás.
Institution: ZKM Karlsruhe (DE)
In Zusammenarbeit mit: Nová Synagóga – Kunsthalle, Stanica Žilina-Záriečie
Wissen ist Macht. Noch mehr Macht hat jedoch, wer den Fluss der Informationen beherrscht. Dies gilt vor allem in der heute vorherrschenden digitalen Kultur, in der alle Informationen im weltweiten Netz überwacht und manipuliert werden können. Erwuchs aus dem Umgang mit diesen digitalen Instrumenten lange die Hoffnung auf neue Formen demokratischer Partizipation, so werden sie in jüngster Zeit als ideale Türöffner zur Überwachung von Milliarden Menschen missbraucht. Längst nehmen sich auch demokratische Staaten das Recht, selbst ihre »Freunde« auszuspionieren, und dies in allen militärischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Belangen sowie auf allen Ebenen: Regierungen, Organisationen, Unternehmen, NGOs und einzelne BürgerInnen werden gleichsam überwacht.
Neben der Massenanalyse der kommunikativen Metadaten und den massenhaften Zugriff auf personenbezogene Daten tritt immer häufiger die offene oder geheime Zensur durch Manipulation oder Abschaltung. Wo die Angst vor dieser Bedrohung nicht wirkt, wird die Geheimhaltung wichtiger Informationen durch direkte Behinderung von Veröffentlichungen bis hin zur Verschleppung und Ermordung von JournalistInnen durchgesetzt. Das Ausgeliefertsein an übermächtige Instanzen der Kontrolle und Zensur ist zur conditio humana unserer Zeit geworden. Bereits heute hat ein großer Teil der Öffentlichkeit vor der Allgegenwart staatlicher und kommerzieller Überwachung resigniert.
Die Ausstellung beruht auf der Zusammenarbeit mit einem Netzwerk von WissenschaftlerInnen, JournalistInnen, AktivistInnen und KünstlerInnen in allen Erdteilen und in rund 20 Ländern sowie der Kooperation mit Expertenorganisationen wie dem PEN-Zentrum Deutschland, dem Chaos Computer Club (CCC), Reporter ohne Grenzen, Villa Aurora und mit Plattformen wie netzpolitik.org, digitalcourage.de, WikiLeaks und anderen. Ziel der Ausstellung ist eine Erweiterung der öffentlichen Diskussion über die allgegenwärtigen Überwachungs- und Zensurmaßnahmen, die nicht nur aufgrund stetig neuer Berichte in den Medien, sondern vor allem angesichts der weitgehenden Behinderung der Aufklärung über diese Praktiken als dringlich erscheint.
Eröffnung der Ausstellung Global Control and Censorship
13. Oktober
18.00 / Eröffnung der Ausstellung und kommentierte Führung mit dem Kurator Bernhard Serexhe
20.00 / Audiovisuelle Performance – Kolektiv
Kolektiv ist eine freie Vereinigung von Künstlern, die mit algorithmischen Tönen und Bildern arbeiten, und MusikerInnen, die die Tradition des Live Coding weiterentwickeln. Live Coding ist eine Kunstform, bei der in Echtzeit während einer Aufführung programmiert wird, und dabei Musik oder Bilder vor den Augen der Zuschauer erzeugt werden. Die Künstler Alexandra Timpau, Michal Cáb, Katarína Gatialová, GND, Alexandra Cihanská-Machová, Kryštof Pešek, Jáchym Pešek, Jiří Rouš, Georgij Bagdasarov, Sara Pinheiro, Petr Zábrodský, Matěj Šenkyřík und Jonáš Svatoš treten gelegentlich im Rahmen von Kolektiv auf. Die Zusammensetzung des Teams verändert sich bei jedem Konzert, manchmal sind es nur 3 Künstler, andere Male sind es bis zu 12. Kolektiv bereitet momentan eine neue Performance vor, bei der eine Hardware benutzt wird, die speziell von Kolektivmitgliedern für Kolektiv entwickelt wurde. Es handelt sich dabei um einen 10-Kanal-Matrix-Mixer, der es ermöglicht, einzelne Audiosignale experimentell zu verbinden und eine neue algorithmische no-Input Klangerzeugungsmethode zu entwickeln.
https://k-o-l-e-k-t-i-v.github.io/
Programm für Familien
12. November, Nová Synagóga - Kunsthalle (Hurbanova 11) / Žilina
13:00 / Interpretationsparadies – kommentierte Führung der Ausstellung, mit Kindern und Jugendlichen als Ausstellungsführer.
„Interpretationsparadies“ ist ein Diskussionsformat und ein Treffpunkt zwischen Publikum, Ausstellung und Ausstellungsführer. Ziel ist es, dass eine gemeinsame, einmalige Erfahrung entsteht, die die Grundlage für eine Diskussion bildet. Durch die persönliche Erfahrung der Ausstellungsführer – ob KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen, Kinder oder SpezialistInnen aus Bereichen wie Aufsicht, Monitoring oder Sicherheit – versuchen wir immer, eine Ausstellung aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Die TeilnehmerInnen sollen auch dazu angeregt werden, ihre eigenen Meinungen zu formulieren und Erfahrungen zu teilen. „Interpretationsparadies“ ist nicht zuletzt auch ein Ort der angenehmen, ungezwungenen Begegnungen. Begegnungen mit Kunst, aber auch Begegnungen mit spannenden Menschen.
16:00 / Aufführung DTBZ: Colourless green ideas sleep furiously
Ein eher lautes als poetisches Metagedicht über Sprachen, Technik und Menschen. Lieber etwas „gut nicht verstehen“ als etwas falsch verstehen. Eigene und ausgeliehene Stimmen, ob extensiv oder intern. Ein in vitro geborener sprechender Graham + einige plugged und unplugged Kannibale. Lärm tritt ein, da wo Sprache ausfällt. Instrumente? Primitiv! Wir sind Kinder. Das Leben kann auch ohne Sprachen existieren, aber durch Null teilen wir nicht.
Diese Aufführung entstand aus einem Langzeitprojekt von Stanica Žilina-Záriečie, das auf einer Zusammenarbeit zwischen Kindern und den zeitgenössischen experimentellen Musikern Jiří Suchánek und Miroslav Tóth basiert. Es geht darum, die Beziehung zwischen Lärm und Informationen zu erkundigen, und Sprachen als Spielraum zu erforschen. Neue Technologien sind dabei eine Inspirationsquelle für neue Möglichkeiten, aber führen auch immer wieder zu fatalen Missverständnissen.
How to strike back: Entwicklung digitaler Kompetenzen
15. November, Stanica Žilina-Záriečie
20:00 / Handa Gote: Eleusis (“post-Internet” Oper)
“Today, the walls of Plato’s cave are so full of projectors, disco balls, plasma screens and halogen spotlights that we do not even see the shadows on the wall anymore.”
Koert Van Mensvoort, A Society of Simulations
Eine post-Internet Impro-Oper über die Tatsache, dass eine große Geschichte einfach unmöglich ist in einer Welt, in der alles gleichzeitig Täuschung und Wirklichkeit ist. Die zyklische Zeit des Mythos wird unterbrochen durch die sofortige Zeit unserer Instant-Gesellschaft. Eine mysteriösische Reise durch eine Unterwelt, bis zu einer Wiedergeburt, die vielleicht nie kommen wird. Lolcats. Blue Screen Of Death. I'm in a cul-de-sac, get me out of here!
Die Künstlergruppe Handa Gote Research & Development experimentiert in ihrer Arbeit mit Erzählverfahren, bezieht nicht-theatralische Elemente mit ein und entwickelt ein eigenes Konzept des postdramatischen und postspektakulären Theaters. Seit Jahren lässt sich die Gruppe von Wissenschaft und Technik inspirieren. Es werden ständig neue Möglichkeiten in der Theatersprache, wie auch bei Klang- und Lichtgestaltung erforscht, und dabei werden die verschiedenen Disziplinen immer wieder in Frage gestellt.
16. November – 18. November
Critical Engineering Workshop, Stanica Žilina-Záriečie
„Je größer die Dependenz von Technologie, desto größer das Verlangen, ihr Innenleben ohne Rücksicht auf Inhaberschaft oder gesetzliche Zulässigkeit zu erforschen und zu enthüllen.“
Während dieses dreitägigen Workshops erfahren wir mehr über Computer-Netzwerk-Infrastruktur und lernen, wie wir diese Kenntnisse anwenden können. Durch frei verfügbare Open-Source-Tools werden wir verschlüsselte Daten erfassen und rekonstruieren. Drahtlose Netzwerkinformationen und elektromagnetische Signale werden für Interventionen und Spekulationen benutzt. Auf diese Weise erwerben die Teilnehmer praktische Kenntnisse und können die infrastrukturellen und politischen Implikationen unserer wachsenden Abhängigkeit gegenüber der Technik besser verstehen. Bei der Computernutzung werden wir wichtige begrenzende Faktoren abschaffen, und lernen, dass wir weder Bildschirm noch Tastatur brauchen um einen Computer zu benutzen.
Für die Teilnahme am Workshop ist keine vorherige Erfahrung mit Computervernetzung oder Programmierung erforderlich.
The Critical Engineering Working Group ist eine Gruppe von Künstlern und Aktivisten. Mitglieder sind Gordan Savičić, Danja Vasiliev und Julian Oliver. In ihrer Arbeit erforschen sie, wie geschriebener Code zunehmend in soziale und psychologische Bereiche vorstößt und dabei das Verhalten sowie die Interaktion von Mensch und Maschine reglementiert. Der Critical Engineer weist auf die Notwendigkeit hin, Technik als transformative Sprache zu verstehen und zu studieren. Neben künstlerischen Projekten moderiert die Gruppe regelmäßig Workshops, bei denen das Hauptziel die Entwicklung techno-politischer Kompetenzen ist.
https://criticalengineering.org/
Daten und öffentlicher Raum
2. Dezember
15:00 / Kommentierte Führung durch die Stadt Žilina mit Terezie Lokšová
Seit April 2017 findet in Žilina eine soziologische Feldforschung von Terézia Lokšová statt, die die Ausstellung in ihrer globalen Dimension ergänzt und auf unseren unmittelbaren Alltag aufmerksam machen will. Etwas, das uns alle betrifft, obwohl wir uns den Luxus leisten können, oft nicht viel darüber zu wissen: Überwachung auf den Straßen. Woher kommen überhaupt die vielen Kameras und wie kommt es dazu, dass wir sie nicht mal mehr bemerken? Die Nachfrage nach (Kamera)überwachung und Kontrolle existiert, weil wir gewisse Risiken identifizieren. Wegen dieser Risiken wird Sicherheit als etwas Bedrohtes wahrgenommen, das auf verschiedener Art und Weise beschützt werden muss. Kameras werden installiert und man vergisst dabei, dass es sich eigentlich um eine politische Entscheidung handeln sollte: vielmehr werden sie zum Routineinstrument, dessen Installation nur von strategischer Planung und Verwendung von Subventionsgeldern abhängt. Während der Führung präsentiert uns Terézia Lokšová das Ergebnis ihrer Feldforschung im Bereich Überwachung im öffentlichen Raum in Žilina.
18:00 / Audiovisuelle Performance – The Society for Nontrivial Pursuits
Licht, Ton, Einsen und Nullen, die auf den Raum und auf die Geschichte der Neuen Synagoge reagieren. Komplexe Verhaltensweisen, ob in chaotischen Schaltungen, Feedback-Systemen, sozialen Systemen und/oder Computerprogrammen, sind faszinierend zu beobachten. The Society for Nontrivial Pursuits (Studierende, Alumni/ae und Freunde der Klasse für Generative Kunst / Computational Art an der UdK Berlin) untersucht die Möglichkeitsräume solcher Systeme. Sie entwerfen, bauen und programmieren ihre eigenen audiovisuellen Performance-Systeme auf Basis einer Vielzahl von Geräten, Sensoren, Analogelektronik, Software-Synthese, und verwenden diese in diversen Projekten, zwischen Installation, Performance und Experiment. Im Rahmen des Projektes Data:Demokratie werden sie Daten aus der sozioökonomischen Feldforschungsarbeit von Terézia Lokšová verwenden.