Kafenio
Morgens Café, mittags Friseur
Kaffeehäuser – da denkt man an Wien, an gedankenversunkene Stunden inmitten großer Denker. Doch in Griechenland waren Kaffeehäuser, die dort Kafenio heißen, nicht nur Ort der intellektuellen Begegnung, sondern auch Friseursalon, Postbüro und Gemüsehändler.
Von Yiouli Eptakoili
Verfolgt man die Spur der ersten Kaffeehäuser, wird man in Mekka und Kairo fündig: Dort werden Kaffeehäuser erstmals um 1510 erwähnt. Bekannter wird die Institution des Kaffeehauses aber erst, als zwei Araber aus Aleppo und Damaskus im Jahre 1554 das erste Café in Konstantinopel eröffnen und den Osmanen den Kaffee nahebringen. Die nehmen ihn enthusiastisch auf. In kurzer Zeit verbreiten sich die Kaffeehäuser in der ganzen Stadt und daraufhin in den Kleinstädten und Dörfern Anatoliens. Gleichzeitig bringen Händler aus den Häfen von Marseille, Venedig und Amsterdam die Kaffeekultur nach ganz Europa. In Venedig öffnet das erste Café im Jahre 1615, in London 1652.
In Griechenland verbreiten sie sich schnell. Dem türkischen Chronisten und Erzähler Evliya Çelebi zufolge gab es 1668 in Thessaloniki bereits 348 Cafés. „Dort treffen und unterhalten sich Musiker, Schauspieler, Sänger, Narren, Stutzer, Dichter und Literaten“, berichtet er.
Doch die Kaffeehäuser veränderten sich mit der Zeit und den Bedürfnissen ihrer Besucher. Sie widmeten sich neuen Aufgaben – so wie in Griechenland. Das griechische Kafenio prägte als sozialer Treffpunkt die griechische Gesellschaft jahrzehntelang auf vielfältige Art und Weise und vereinte in sich zahlreiche Funktionen.
Kaffee und ein neuer Haarschnitt
In seinen zumeist engen und bescheidenen Räumen verbindet es in schwer zugänglichen Bergdörfern und auf den Inseln, wo die Transporte schwierig und das Straßennetz nur unvollkommen ausgebaut waren, verschiedenste Tätigkeiten mit wichtigen Dienstleistungen. Außer Kaffeehaus war das Kafenio auch Garküche – wo den Gästen angeboten wurde, was immer die Frau des Besitzers für die Familie kochte – sowie Kurzwarenladen, Gemüsehändler, Postbüro und häufig auch Friseurstube.„Viele Kafeneia sind gleichzeitig auch Friseurläden“, schreibt Demetrios Skarlatos Byzantios (1798-1878). Der bedeutende griechische Gelehrte des 19. Jahrhundert berichtet im dritten Band seines Werkes Konstantinopel, dass in dieser Stadt das „Café und Friseur“ ein weit verbreitetes Bild war, sich von dort im ganzen Hoheitsgebiet des Osmanischen Reiches ausbreitete und sich, von einer Generation zur nächsten übergehend, einige Jahrzehnte lang hielt. Dies alles ist heute verblichen oder scheint zumindest weit entfernt. Oft ist es sehr schwierig, auch nur Spuren zu finden – es sei denn, man forscht in alten Alben oder Bildbänden. Nur wenige dieser vielseitigen, griechischen Kafenia haben überlebt. Die meisten gibt es nur noch in den Büchern. Und in der Erinnerung derer, die sie erlebt haben.