Das ausgetrocknete Bett des Aralsees verwandelt sich in eine Szene der elektronischen Musik, Techno, Avantgarde und Tanzmusik. Um die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft auf diese größte menschenverursachte Tragödie zu lenken, werden tausende Musikliebhaber*innen in die wirtschaftlich ruinierte Stadt angelockt.
Stihia - Musik und Kunst in der Wüste des schwindenden Aralsees 2024
Vom 05.06.2024 bis 08.06.2024 fand das jährliche elektronische Musik- und Wissenschaftsfestival Stihia statt und lockte hunderte Technomusik-Begeisterte in die abgelegene und von der Großstadt Nukus sehr weit entfernte Stadt Muynak.
Nachdem es letztes Jahr in die Nähe von Bukhara umgezogen ist, wurde das Festival dieses Jahr wieder traditionell in Muynak, in der Republik Karakalpakistan nahe dem austrocknenden Aralsee, veranstaltet, so wie es fünf Jahre lang zuvor schon gemacht wurde.
Das Festival wurde lange im Voraus von der MOC-Community und der Organisation des Stihia-Festivals geplant und war musikalisch, wissenschaftlich und organisatorisch ein voller Erfolg.
Es sind nicht nur lokale Künstler aus Zentralasien, wie z.B. Edigeee aus Kasachstan oder Josef Tumari und Sabine aus Usbekistan, aufgetreten, sondern auch internationale Künstler aus dem Kaukasus, dem Baltikum und Russland. Insgesamt gab es mehr als 30 Künstlerinnen und Künstler, die alle unterschiedlichste wie auch ähnliche Musik gespielt haben.
Das Festival war in mehrere Zonen unterteilt, je nach musikalischer Ausrichtung. Zwei Bühnen waren frei zugänglich. Auf der einen, #BacktoMuynak, legten lokale Künstler aus Zentralasien ihre Musik auf. Diese Bühne wurde nicht nur von Gästen aus Europa und Amerika, sondern auch von der karakalpakischen Bevölkerung aus Muynak und Nukus gut besucht. Es sammelten sich jeden Tag einige lokale Familien, um zu der Techno-Musik zu tanzen. Die andere freie Bühne, „Aq Keme“ (übersetzt „weißes Schiff“), befand sich unterhalb des Festivalgeländes, auf dem sogenannten Friedhof der Schiffe. Auf dem Grund des ehemaligen Aralseebeckens, zwischen verrosteten Schiffen, die vor 60 Jahren noch zum Fischfang aus dem Hafen in Muynak ausliefen, wurde Livemusik gespielt, die sehr konträr war zu den zwei Bühnen, die sich auf dem Hauptgelände befanden und nur mit dem Eintrittsticket zugänglich waren.
Dort gab es eine Bühne für Hardcore-, Bass- und Trance-Musik („I am still waiting for you, Jonim“), die die dunkle Seite des Festivals darstellen sollte, und die „Lighthouse“-Bühne am Leuchtturm von Muynak, bei der House-Rhythmen sowie Pop-Techno-Musik aufgelegt wurde.
Neben den Bühnen auf dem Hauptgelände gab es Zelt- und Jurtenplätze. Außerdem waren auch Bars und Food-Stände aufgebaut. Die „Why Not!“-Bar versorgte die Festivalbesucher mit alkoholischen Getränken und die Imbisse mit Fastfood. Eine kreative Idee für einen Imbiss hat sich das Ecocafe aus Taschkent einfallen lassen. Es konnte die vegetarischen wie auch nicht vegetarischen Besucher des Festivals mit Porridge zum Frühstück sowie Somsa, veganem Plov und gegrilltem Gemüse zum Mittag- bzw. Abendessen auf eine gesunde Weise versorgen und überzeugen.
Dieses Jahr war das Festival wie in den Jahren zuvor auch von Vielfalt und Buntheit geprägt. Die Besucher übertrafen sich regelrecht mit kreativen Kostümen und Festivaloutfits und sorgten für eine einzigartige Atmosphäre beim Festival.
Auch tagsüber, während die trockene Hitze bei 40 Grad über Muynak brütete, gab es einige Nebenprojekte beim Stihia-Festival. Das größte davon war das wissenschaftliche „N+1“-Forum, bei dem über die Zukunft des schwindenden Aralsees, die Republik Karakalpakistan sowie über die lokale Bevölkerung Vorträge gehalten und Diskussionen geführt wurden. Konsens dabei war, dass der Aralsee irreparabel zerstört sei und man lediglich der Region und den Menschen helfen könne, allerdings ohne den Aralsee wiederherzustellen, der Muynak bis vor etwa 60 Jahren zu einer Hafenstadt mit einer Einwohnerzahl von ca. 100.000 Menschen machte, die bis heute auf etwa 15.000 geschrumpft ist.
Auch sonst wurde beim Festival sehr viel Wert auf Nachhaltigkeit gelegt, indem sauber der Müll getrennt wurde und beispielsweise Bier- und Energydrink-Dosen zu kunstvollen Figuren zusammengeschweißt wurden.