Die ANTIGONE von Sophokles (5. Jh v. Chr.) ist Weltliteratur. Seit zweieinhalbtausend Jahren inspiriert der Stoff Kulturschaffende im Westen wie im Osten zum Nachdenken über die menschliche Natur und unseren Platz in der Gesellschaft. ANTIGONE auf die Bühne zu bringen, bedeutet, unsere Gegenwart mit dem Bühnenstoff abzugleichen, die historische Frauenfigur und ihre Haltung zu einem Leben und Sterben in Würde in einen aktuellen Kontext zu bringen.
In Vietnam ist die ANTIGONE wenig bekannt. Aber die Beschäftigung damit ist hoch interessant, allein wenn man sie mit dem Mädchen Kieu von Nguyen Du vergleicht. Wie das Mädchen KIEU kommt Antigone aus gutem Hause, trifft aus moralischen Gründen eine moralische Entscheidung und ist in der Folge Machtstrukturen und Gewalt in ihrer Umgebung ausgeliefert. Ihre Haltung kann sowohl Beispiel als auch Warnung für uns heute sein.
Bei ANTIGONE geht es um Loyalität gegenüber Familie und Staat, um Menschenwürde und sozialen Zusammenhalt, um den Verlauf der Geschichte und die Bedeutung des Einzelnen in der Gesellschaft. Oder ist doch alles eine Frage des Karma?
Das Jugendtheater plant, ANTIGONE im Jahr 2022 auf die Bühne und online zu bringen. Das Goethe-Institut lädt vietnamesische Kreative ein, die Bedeutung des Textes für das vietnamesische Publikum zu erkunden: auf einem Symposium im April 2021 sowie durch verschiedene künstlerische Ansätze für diese großartige weibliche Figur ANTIGONE im Herbst 2021.
Antigone & Ismene Prolog von Joachim Gottfried Goller
Wie reagiert Regietheater auf die Schließung von Theatern in der Pandemie? Der Regisseur Joachim Gottfried Goller stellte sich gemeinsam mit den Schauspielerinnen Christine Grant und Maren Solty diese Frage. Nach der Vorlage von Sophokles erarbeitete das Team ANTIGONE als digitale Skizze. Die gegensätzlichen Motive von Innenraum (Oikos) & Außenraum (Polis) sowie Aktivismus und Pragmatismus werden hier in einem 7-minütigen One-Shot-Clip von den beiden Protagonistinnen, Ismene und Antigone, zum Verhandlungsfeld. Durch die direkte und unmittelbare Spielweise der Schauspielerinnen setzt sich die Arbeit von ihrer historischen Grundlage ab und macht sie zu einer heutigen Erzählung. Uneindeutig, entschieden, affektiv.