Am 21. September ab 17 Uhr
Und zur Filmvorführung des Historienfilm Der Junge Karl Marx
Am 21. September ab 19 Uhr
Für die Teilnahme an der Diskussion bitten wir um Ihre Anmeldung:
per E-Mail an: vietnam-marx200@goethe.de
Vier Themen für den Dialog
Aus diesen vier Themenbereichen können Sie für Ihren Beitrag auswählen:
- Marx und die Religion
- Marx und der Massenkonsum
- Marx und die Globalisierung
- Marx und die Befreiung des Menschen
Marx ist einer der einflussreichsten Denker und Wissenschaftler, den die westliche Welt hervorgebracht hat. Er wurde vor 200 Jahren in Deutschland geboren. Sein Leben war geprägt von den Auswirkungen der Französischen Revolution und der im Bürgertum populär werden Hoffnung auf Befreiung von aristokratischer Herrschaft. In Deutschland führte das 1848 zu einer Revolution, die im Ergebnis scheiterte.
1848 war das Jahr in dem Karl Marx das Kommunistische Manifest schreibt. Es wird als Grundlage für die Vision einer Kommunistischen Gesellschaft angesehen. 1859 erschien der erste Band von DAS KAPITAL.
Karl Marx und seine Familie, Freunde haben am eigenen Leib Zensur und politische Verfolgung erlitten. Er musste mit seiner Frau und den sieben Kindern ins Exil nach Frankreich, Belgien und schließlich nach England fliehen. In London verbrachte er die letzten 11 Jahre seines Lebens († 1883).
Bis heute gelten das Kommunistische Manifest und die Politische Ökonomie als zentrale Schriften die mit seinem Namen und seinem weltweiten Einfluss verbunden sind. Im Westen liest man diese Schriften und bis heute auch seine frühen Schriften, die zum Kommunistischen Manifest führten, und würdigt sie als wichtige Hinterlassenschaften seines Denkens.
Karl Marx steht in der Tradition der deutschen Philosophie, vor allem Hegels Rechtsphilosophie ( F. Hegel *1770, †1831) und des jüdisch-christliche Humanismus. Marx studierte Recht, Geschichte und Philosophie. Seine Schriften beeinflussen bis heute die Sozial- Wirtschafts- und Politikwissenschaften.
Karl Marx ehrt das Goethe-Institut aus Anlass seines 200. Geburtstags (1818). Das Ist auch 170 Jahre nach der ersten Publikation des Kommunistischen Manifests (21.2.1848). Das Goethe-Institut erinnert an Marx mit einer Webseite: www.goethe.de/Vietnam/Marx200.
In der Webseite haben wir an die Öffentlichkeit mit vier Fragen gerichtet, von denen wir meinen, dass sie in den Kontext Vietnams und der Tradition des Sozialismus passen. Wir haben Fragen zu
- Globalisierung
- Massenkonsum
- Religionsfreiheit
- Freiheit des politischen Handelns
Es gibt keine Preise für Gewinner. Denn wir wollen uns nicht anmaßen, dass wir Preise für ein Nachdenken über Marx vergeben können. Wenn wir eine großartige Resonanz erzielt hätten, dann hätten wir zwei oder drei Experten einbezogen wie Jürgen Habermas (*1929), Saskia Sassen (*1947), William J. Talbott(*1949), Slavoi Zizek(*1949), Vladimir Tismaneanu (*1951), Heinz Bude(*1954). Aber so weit ist es nicht gekommen. Das macht auch nichts und tut unserer Bemühung der Erinnerung an Marx keinen Abbruch.
Hier in Vietnam sind wir eines von zwei europäischen Kulturinstituten. Das Beste was wir tun können, ist zum Dialog einzuladen. Dafür gibt es keinen ersten und zweiten Preis. Auch unsere Veranstaltung heute ist nur ein Dialog. Da gibt es keinen Lohn für das Nachdenken über Marx. Wir schaffen eine Möglichkeit zum Austausch.
Wir bedanken uns, dass Sie dieses Angebot annehmen.
Wilfried Eckstein - Leiter, Goethe-Institut Hanoi |
„Die Unvereinbarkeit der Religion mit den Menschenrechten liegt so wenig im Begriff der Menschenrechte, dass das Recht, religiös zu sein, auf beliebige Weise religiös zu sein, den Kultus seiner besonderen Religion auszuüben, vielmehr ausdrücklich unter die Menschenrechte gezählt wird. Das Privilegium des Glaubens ist ein allgemeines Menschenrecht.“
Quelle: Karl Marx, „Zur Judenfrage“, Kapitel 2
Ein zentraler Punkt des Marx‘schen Denkens war die Religionskritik. Allerdings war Karl Marx dabei viel ambivalenter als später oft behauptet. So kritisierte er zwar einerseits Religionen als Droge, mit der sich Menschen der Wirklichkeit entziehen könnten. Andererseits sah Marx in den Religionen einen wichtigen Teil der Kulturen und in der Religionsausübung ein unverzichtbares Menschenrecht. Lässt sich eine solche Spannung auch im heutigen Vietnam feststellen?
Überall sind in den vergangenen 30 Jahren Tempel, Pagoden und Kirchen wiederaufgebaut worden oder neu entstanden. Auch das Gedenken an den Staatsgründer, Präsident Ho Chi Minh, und dessen Familie hat sich stark verändert: vom sowjetisch inspirierten Ehrenmal zu Tempeln und Pagoden. Diese erinnern sehr an die Ehrungsstätten von Gelehrten und Heiligen durch Konfuzianer und Buddhisten. Welche Auswirkungen hat diese neue Religiosität in Vietnam? Und gibt es daneben noch Religionskritik? An wen ist diese gerichtet? Und wie ist die heutige Vielfalt der Gläubigen und Nicht-Gläubigen in Vietnam zu sehen?
„Neue Menschen brauchen wir.“
„Die Proletarier haben nichts […] zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben dafür eine Welt zu gewinnen.“
„Der Arbeiter wird umso ärmer, je mehr Reichtum er produziert, je mehr seine Produktion an Macht und Umfang zunimmt.“
Quelle:
Im Jahre 1986 entschloss sich die Führung Vietnams zu weitreichenden Reformen. Die Wirtschaft wurde dezentralisiert und liberalisiert, die Privatwirtschaft anerkannt und ausländische Investitionen zugelassen. Aktuell läuft in Vietnam eine weitere, große Welle der Privatisierung von Staatsbetrieben. Und ohne Zweifel: Seit Doi Moi haben sich die Lebensverhältnisse in Vietnam erheblich verbessert. Die Armutsrate ist von 58,1 Prozent im Jahr 1993 auf unter 12 Prozent 2015 gesunken. Die Volkswirtschaft ist im vergangenen Jahrzehnt jährlich zwischen sieben und zehn Prozent gewachsen. Anzeichen für einen zunehmenden Wohlstand, ja vielleicht bereits eine Konsumgesellschaft, sind heute riesige Shoppingmalls in den Großstädten, immer mehr Motorräder und Autos auf den Straßen, schicke Kleidung, teure Mobiltelefone – und zahlreiche übergewichtige Kinder.
Wäre Karl Marx mit dieser Entwicklung zufrieden? Er behauptete in seinen frühen Schriften, dass der immer größere Reichtum im Kapitalismus nur einer kleinen Schicht, den Kapitalisten, zu Gute käme. Die Arbeiter dagegen würden entmenschlicht; sie würden zu Waren. Später bezog sich Marx eher auf den Fetischcharakter der Ware: Kapitalismus beruhe darauf, Illusionen über den Wert von Waren zu erzeugen. Beides beeinflusst bis heute in Europa und Nordamerika die Kritik am Massenkonsum. Gibt es diese auch in Vietnam? Wie stehen die Menschen dort zum neuen Wohlstand und den inzwischen deutlichen Unterschieden zwischen Stadt und Land?
„Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“
„Die Bourgeoisie hat in der Geschichte eine höchst revolutionäre Rolle gespielt.“
Quelle: „Manifest der Kommunistischen Partei“
„[...]Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet.“
Quelle: „Manifest der Kommunistischen Partei“
„Aber im allgemeinen ist heutzutage das Schutzzollsystem konservativ, während das Freihandelssystem zerstörend wirkt. Es zersetzt die bisherigen Nationalitäten und treibt den Gegensatz zwischen Proletariat und Bourgeoisie auf die Spitze. Mit einem Wort, das System der Handelsfreiheit beschleunigt die soziale Revolution.“
Quelle: „Rede über die Frage des Freihandels“
Karl Marx war einer der ersten Globalisierungskritiker. Seine Analyse beschränkte sich nicht auf die sich zu seinen Lebzeiten industrialisierenden Staaten. Schon früh, im Manifest der Kommunistischen Partei (auch Kommunistisches Manifest genannt), prognostizierte er die weltweite Ausbreitung des Industriekapitalismus mit allen seinen Licht- und Schattenseiten: Einerseits gab es die enorme Steigerung von Warenproduktion und wirtschaftlicher Produktivität (Marx nannte es „Entfesselung der Produktivkräfte“), sowie die gigantische Zunahme des Kapitals; andererseits kam es zur Zerstörung der Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen, die abhängig von Investoren und Fabrikbesitzern wurden. Nicht zu vergessen auch die Ausplünderung ganzer Kontinente. Mit dieser ambivalenten Sicht beeinflusst Marx bis heute die Kritik an der Globalisierung. Hinzu kommen heute noch weitere Aspekte wie Umweltschutz, Frauenrechte, Sozialreformen, die Dritte Welt – dies alles verbunden mit politisch linken oder links-religiösen Ideen oder mit Forderungen, den Nationalstaat wieder zu stärken.
Die Globalisierung hat wegen der niedrigen Produktionskosten längst Vietnam erreicht und einerseits zu hohem Wirtschaftswachstum geführt. Andererseits erkennt man auch Schattenseiten: Umweltkatastrophen wie der Gift-Skandal durch die taiwanesische Formosa-Plastic-Group, die Abhängigkeit Vietnams von internationalen Kapitalströmen, die Unsicherheiten für Staat und Investoren, da das transnationale Abkommen TPP zur Regelung der Handelsbeziehungen gescheitert ist. Was ist der Preis für die Globalisierung? Wie gehen die Menschen in Vietnam mit der Globalisierung um? Welche Erkenntnisse lassen sich aus den Ideen von Marx für die aktuelle Lage Vietnams gewinnen?
„Jede Befreiungsbewegung verändert ihren Charakter, wenn sie von der Utopie zur Realität übergeht.“
„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt [sic] aber darauf an, sie zu verändern.“
Quelle:
Die Philosophie von Marx war die einer Befreiung der Menschen durch aktive Gestaltung ihrer Geschichte. Dabei war Marx tief vom deutschen Idealismus und dessen schematischem Geschichtsverständnis beeinflusst. Er entwickelte seine Ideen zunächst für die damaligen industrialisierten Staaten und forderte, dass sich die benachteiligten Arbeitermassen dort durch Klassenkampf von ihren Unterdrückern, den Kapitalisten, befreiten. Zunehmend gerieten aber auch nicht-europäische Länder in den Blick von Marx und europäischen Marxisten, wie etwa Rosa Luxemburg.
Als in Russland und Asien revolutionäre Bewegungen entstanden, entwickelte sich dort die Idee vom Klassenkampf noch weiter. Denker wie Wladimir Iljitsch Lenin, Mao Tse-Tung und Ho Chi Minh verlagerten ihn mehr oder weniger ganz vom Zentrum des Kapitalismus, von Westeuropa und Nordamerika, an die damalige Peripherie. Das kapitalistische Weltsystem sollte von dort aus, von den unterentwickelten Imperien wie Russland, von Halbkolonien wie China und von Kolonien wie Französisch-Indochina gestürzt werden: durch Kampf der unterdrückten Völker für eine nationale und soziale Revolution zugleich. Dies kann man entweder als Weiterentwicklung oder als weitgehende Uminterpretation des Denkens von Marx verstehen.
Wie aber vollzog sich dieser Wandel in Vietnam? Wie wurde aus einem europäischen Revolutionär, der durch den deutschen Idealismus geprägt war, ein Kämpfer für die Befreiung vom Kolonialismus? „Wieviel Marx“ enthält die vietnamesische Marx-Interpretation noch? Und in welchem Verhältnis stehen soziale und nationale Befreiung heute?