Double Exposure  Gleichzeitigkeiten und Solidaritäten

Still aus „Trümmermädchen“: Die jungen Frauen erkenne durch Glorias Unterricht, dass sie nur gemeinsam, als Bund von Schwestern, gegen die Unterdrückung durch die männlich dominierte Gesellschaft bestehen können.
Still aus „Trümmermädchen“: Die jungen Frauen erkenne durch Glorias Unterricht, dass sie nur gemeinsam, als Bund von Schwestern, gegen die Unterdrückung durch die männlich dominierte Gesellschaft bestehen können. © Artkeim2 / UCM.ONE

„Double Exposure“ ist ein Projekt der Goethe-Institute Nordamerikas, das sich mit Fragen einer Solidarität beschäftigt, die identitäre, nationale, ethnische und linguistische Grenzen überwindet. Mit dieser Filmreihe möchten wir uns dem Mehrdeutigen, den Gleichklängen und Dissonanzen sowie dem Zusammengehörigen im Verschiedenen zuwenden.

Double Exposure bedeutet, wörtlich übersetzt, Doppelbelichtung. Die Doppel- oder Mehrfachbelichtung ist ein Prozess in der Fotografie, bei der sich zwei oder mehrere Einzelaufnahmen zu einem gemeinsamen Bild überlagern. Durch diese transparente Überlagerung - im Unterschied zur Fotomontage sind die überlagerten Motive nicht opak, sondern erscheinen transparent -, es entsteht eine neue Bedeutung. Und doch trägt jedes, der sich überlagernden Bilder die Spur seines eigenen Entstehungskontextes in sich. Es verschmelzen und überlagern sich also nicht nur zwei Motive, sondern auch zwei Entstehungskontexte. Durch die Interferenz entsteht also etwas Neues - die Bilder bereichern sich - es können aber auch Details der Einzelbilder überlagert, ausgewaschen oder neutralisiert werden.

Double Exposure ist ein Projekt der Goethe-Institute Nordamerika, das sich mit Fragen der Solidarität beschäftigt, genauer: mit Fragen einer Solidarität, die identitäre, nationale, ethnische und linguistische Grenzen überwindet, ohne sie zu ignorieren oder gar zu denunzieren. - Was macht eine solidarische Gesellschaft aus? Gibt es ein Recht auf Solidarität? Ist Solidarität eine Pflicht? Wem gegenüber wird Solidarität geübt?

"Solidarität" kommt aus dem Lateinisch-Französischen und bedeutet "Zusammengehörigkeit". Ausgehend von dem oben etablierten fotografischen Kontext, soll Solidarität hier als Konzept der Interferenz verstanden werden, bei dem die Überlagerung also inhärentes Element ist. In einer immer unübersichtlich erscheinenden Welt, in der wir global so vernetzt sind, wie historisch gesehen niemals zuvor, in der wir online Bilder von Umweltkatastrophen und Kriegsverbrechen, gefolgt von TikTok-Compilations der niedlichsten Katzenclips konsumieren, geht es hier ganz explizit um Gleichzeitigkeiten und Komplexität.

Die Filmreihe möchte sich bewusst der Polykontexturalität (alle Phänomene sind gleichzeitig in verschiedenen, oft widersprüchlichen Kontexten situiert) und Intersektionalität (jedes Phänomen ist der Kreuzungs- und Überlagerungspunkt sich gegenseitig verstärkender oder abschwächender Eigenschaften) aussetzen und daran abarbeiten. Entgegen antisolidarischer Strömungen, gesellschaftlicher Spaltungen und simplifizierender Heilsbotschaften rechts-konservativer Populisten dies- und jenseits des Atlantiks, soll es hier um das Mehrdeutige, um Gleichklänge und Dissonanzen sowie um das Zusammengehörige im Verschiedenen gehen.

Gleichzeitigkeiten und historische Überblendungen

 
Still aus „Trümmermädchen“: Nach Jahren des geduldigen Erleidens männlicher Aggression schlagen die jungen Frauen (Anna Gesa- Raija Lappe, Lena Urzendowsky, Lara Feith, Katja Hutko) zurück.

Still aus „Trümmermädchen“: Nach Jahren des geduldigen Erleidens männlicher Aggression schlagen die jungen Frauen (Anna Gesa- Raija Lappe, Lena Urzendowsky, Lara Feith, Katja Hutko) zurück. | © Artkeim2 / UCM.ONE


Oliver Krachts Trümmermädchen - Die Geschichte der Charlotte Schumann (2021), eine punkig-furiose und bewusst anachronistische Untersuchung Deutschlands in der Stunde Null unter feministischen Aspekten, wirft einen mutigen, zeitgenösssisch-dekonstruktiven Blick auf die deutsche Nachkriegszeit. Dabei geht es nicht nur darum, auf diejenige Generation zu blicken, die die beiden deutschen Staaten aufgebaut und getragen hat und deren Wertekanon bis heute nachhallt, sondern es werden dabei auch höchst aktuelle Fragen zu patriarchalen Machstrukturen gestellt und zum Teil radikale Lösungen imaginiert. 

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Black Box BRD

Still aus „Black Box BRD“ | © zero one film


Mit seinem Dokumentarfilm Black Box BRD (2001) stellt Andres Veiel zwei Männer gegenüber, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Auf der einen Seite ist Alfred Herrhausen, als Vorstandsprecher der Deutschen Bank in den 1980er Jahren einer der mächtigsten Männer Deutschlands, der 1989 bei einem Bombenattentat ums Leben kam und auf der anderen Seite Wolfgang Grams, Mitglied der terroristischen Vereinigung Rote Armee Fraktion. Veiels Spurensuche führt ihn zurück in die Verstrickung der Deutschen in den Nationalsozialismus und die frühe Geschichte der Bundesrepublik. Beide Figuren, Alfred Herrhausen und Wolfgang Grams, stehen beispielhaft für zwei gegensätzliche Lebenswege, deren unterschiedliche Bedingungen und Ausformungen hier in ein neues Licht gestellt werden. 

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Gleichklänge und Assonanzen

Symphony of Now

Still aus „Symphony of Now“ | © Symphony of Now


Welches Bild haben wir von Berlin und wie sehr ist unser eigenes Erleben beeinflusst von den in Werbekampagnen und den sozialen Netzwerken kursierenden Bildern, die wir uns von der Stadt gemacht haben? Was genau ist eigentlich Subkultur und wie lässt sich die in Deutschland entstandene Musik der Gastarbeiter*innen in die Musikgeschichte des Landes integrieren? Basierend auf Walter Ruttmanns Berlin, die Symphonie einer Großstadt aus dem Jahre 1927, präsentiert Johannes Schaffs Symphony of Now (2018) rund 90 Jahre später, ein zeitgenössisches Kaleidoskop Berlins auf ihrem Höhepunkt als internationale Hauptstadt des Hedonismus. Getragen von einem dynamischen Soundtrack (u.a. Frank Wiedemann, Modeselektor, Hans-Joachim Roedelius) geht es hier in schnell hintereinander montierten Vignetten um eine prototypische Ikonisierung des großstädtischen Abend- und Nachtlebens in all ihren Facetten. Der Film zelebriert in sorgloser Leichtigkeit die Gleichzeitigkeit von Hochkultur und Underground. 

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Liebe, D-Mark und Tod

Still aus „Liebe, D-Mark und Tod“ | © filmfaust Production


Mit den Menschen brachte das Anwerbeabkommen mit der Türkei 1961 auch die Musik der Gastarbeiter*innen nach Deutschland. Cem Kayas dichter Dokumentarfilmessay Liebe, Deutschmark und Tod (2022) ist eine Nachhilfestunde in türkisch-deutscher Zeitgeschichte: Fließbandjobs, Heimweh und Familiennachzug. Ihre Musik entwickelte sich fernab der deutschen Mehrheitsgesellschaft, immer getragen von der türkischen Gemeinschaft und deren Bedürfnissen. 

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Revisiting the "Denkmal"

Zwei Männer

Still aus „Männerfreundschaften“ | © Rosa von Praunheim Filmproduktion


War Goethe vielleicht schwul? Hat Heinrich Heine mit dem öffentlichen Diss seines Dichterkollegen August Graf von Platen, den Grundstein für gesellschaftlich akzeptierte Homophobie gelegt? Warum hängen im Museum so viele Bilder von nackten Frauen, aber kaum Bilder von Künstlerinnen? Und was wäre, wenn Jesus eine Frau oder eine non-binäre Person gewesen wäre? 
Girls / Museum

Still aus „Girls / Museum“ | © Shelly Silver


Diesen Fragen gehen Shelly Silver in ihrem Dokumentarfilm Girls/Museum (2020) und Rosa von Praunheim in seinem experimentellen Dokumentarfilm Männerfreundschaften (2018) auf unterhaltsame Weise nach und scheuen sich dabei nicht, unsere so genannten nationalen "Denkmäler", unsere Goethes und Schillers, die Dürers und Cranachs neugierig-naiv zu hinterfragen. 

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