Aktuelle Musik aus Deutschland  Popcast #1/2024

Bernadette LaHengst
Bernadette LaHengst © Christiane Stephan

mit Musik von: 

A08 | Compost Records
Mary Ocher | Underground Institute
Bernadette LaHengst | Trikont
Beirut | Pompeii Records
Oum Shatt | Wanda Y

Autor und Sprecher (Deutsch): Ralf Summer
 

I’m weak, weaker, weaker, strong
I’m close, closer, closer, far

Oum Shatt, „Play“

A08

A08

A08 | © Hans Raabe, Dirk Leyers

Bei Nennung des Begriffs „A8“ kommt den Deutschen eine der wichtigsten Ost-West-Achsen des Landes in den Sinn, die berühmte, aber wegen ihrer Unfallgefährlichkeit auch berüchtigte Autobahn Nr. 8. Der Name A08, das erste Projekt, das wir im Popcast des neuen Jahres vorstellen, ist aber trotz des nicht verkennbaren Verbindungselements des Berliner Duos nicht von seinem Autobahn-Namensvetter, sondern ist eine Abkürzung ihres Vorgängerprojektes Africaine 808 inspiriert. Die Referenz funktioniert dennoch. Dirk Leyer und DJ Nomad arbeiten mit Künstler*innen aus Ghana, Kolumbien, Kenya und Deutschland, um ihr elektronisches Weltmusik-Projekt zum Leben zu erwecken. Die entstandene Mischung aus Reggae, Jazz, karibischer Folklore und Elektro, die jetzt auf dem Münchner Downbeat-Label Compost unter dem Titel Waiting for Zion erschienen ist, besticht durch ihre Vielseitigkeit, die aber zugleich auf Albumlänge ihre Schwäche darstellt: A08 sind am besten dann zu genießen, wenn man jedes Stück für sich betrachtet.

Mary Ocher

Mary Ocher

Mary Ocher | © Boris Eldagsen

Die Avant-Pop-Künstlerin Mary Ocher blickt auf eine äußerst bemerkenswerte und abwechslungsreiche Discographie zurück, und wendet sich auf ihrem neuesten Album Approaching Singularity: Music For The End Of Time konsequent der elektronischen Musik zu. Die In Tel Aviv aufgewachsene und seit vielen Jahren in Berlin ansässige Künstlerin hat begleitend zum apokalyptischen Titel ihres Werkes ein beiliegendes Essay produziert, in dem sie die Zukunft der Menschheit in einer von autoritären Tendenzen, politischen Extremen und wuchernden Technologien gebeutelten Welt reflektiert. Ihre so starke wie polarisierende Stimme engagiert sich in Debatten über Autorität, Identität und Konflikt und lässt ihre Visionen einer besseren Zukunft weit über ihre Musik hinauswachsen.

Bernadette LaHengst

Bernadette LaHengst

Bernadette LaHengst | © Christiane Stephan

Auf Visionäre Leere beschäftigt sich die „dissidente Popmusikerin“ Bernadette LaHengst ebenfalls mit zukunftsweisenden Fragen. Klima- und Strukturwandel, Krieg und Politik sind ebenso Themen wie ihre eigene Mutter-Tocher-Beziehung. Auf ihrer neuen Single Gib‘ mir meine Zukunft zurück überlässt sie dann auch ihrer 19-jährige Tocher Elle Mae (Hengst) gesanglich den Refrain. Das Ergebnis ist eine weitere der optimistisch-kämpferischen Pophymnen, für die Bernadette LaHengst bekannt wurde, seit sie in den frühen 90er Jahren als Sängerin und Gitarristin der Hamburger Popband Die Braut Haut ins Auge die deutsche Musikszene betrat.
Quasi im Alleingang hat LaHengst ihren souligen Pop so kompetent komponiert, eingespielt und produziert, so dass man ihr textliche Schwächen und cringy Rap-Einlagen verzeihen mag. Ob allerdings die auf den Pressebildern stolz vorgezeigte Vox Apache Reisegitarre überhaupt auf dem Album zu hören ist, mag bezweifelt werden, denn mehr noch als bei früheren ihrer Produktionen scheint musikalische Perfektion das Ziel gewesen zu sein.

Beirut

And we had so many plans
Leap from the sill, see where we land

Beirut, „So Many Plans“

Beirut

Beirut | © Lina Gaißer

Santa Fes Zack Condon aka Beirut, mittlerweile in Berlin ansässig, ist bereits seit 2006 eine gute Adresse für Indie-Folk mit Elementen aus Weltmusik und Jazz. Als er sich im Jahre 2019 auf der Suche nach Ruhe für eine Zeit auf einer Insel im norwegischen Hadsel einmietete, entdeckte er in dem von ihm gemieteten Haus eine „Pump-Orgel“, und die zur Inspiration des Sounds für seine neue Produktion wurde. Zurück in Berlin musste er sich pandemiebedingt einschließen und konnte in aller Ruhe, und wie schon bei seinem ersten Album vor fast 20 Jahren in bewährter DYI-Manier ganz alleine, das nach Hadsel benannte Album fertig produzieren. Natürlich ist es großartig geworden, voll kontemplativer Ruhe und wunderschönen organischen Sounds der Instrumente aus der außergewöhnlichen Sammlung des Künstlers sowie seinem charakteristischen Bariton.

Oum Shatt

Oum Shatt

Oum Shatt | © St. Pete


Großes kündigt die deutsche Supergroup Oum Shatt an, immerhin sechs Jahre nach dem Erscheinen ihres fantastischen Debuts Gulag Orkestra. Amerikanischer Surf, griechischer Rembetiko, No Wave und diverse orientalische Einflüsse sind die Eckpfeiler ihrer neuen Songs, die am 26. Januar erscheinen werden.
Angeführt vom mantraartigen Gesangspassagen von Singer und Songwriter Jonas Poppe und mitunter wilder Percussion von Schlagzeuger Chris Imler schaffen sie trotz der vielfältigen Einflüsse wieder einen ganz eigenen Sound. Ein starker Anfang für ein Jahr, das sicherlich nicht ganz einfach wird.
 

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