Tonabnehmer | Musik  Die deutsche Wiedergeburt des R'n'B

Ace Tee während des Spex Hip-Hop-Festivals in Bern, Schweiz.
Ace Tee während des Spex Hip-Hop-Festivals in Bern, Schweiz. © picture alliance/KEYSTONE | PETER KLAUNZER

Durch ein Tweet ging er viral, der Song "Bist du down?" der Hamburger Musikerin Ace Tee. Zuerst in den USA und später auch in Deutschland. Wie kam es zu diesem transatlantischen Pingpong?

Eine gelbe Parkajacke, lang geflochtene Zöpfe, eine Gruppe junger Menschen vor Wänden mit Graffiti. Sie tragen stylische Klamotten, Fila, Stüssy und Southpole sind die Marken ihrer Wahl. Die S-Bahn rauscht über ihnen auf einer Brücke vorbei. So beginnt das Musikvideo von Bist du down? der Sängerin Ace Tee.
Die Kulisse erinnert an das Brooklyn der 1990er-Jahre. Doch hier handelt es sich nicht um New York, sondern um Hamburg-Altona, und das Video wurde auch nicht in den 1990ern aufgenommen, sondern im Jahr 2016. Die stilsicheren Kompars*innen kommen auch nicht aus den USA, sondern aus Deutschland und haben verschiedene Migrationshintergründe – von Westafrika bis nach Ostasien. Doch im Kern ist es ein R’n’B-Video aus den 1990ern.

Transatlantischer Tweet

Dieses Setting ist wohl einer der Gründe, weshalb der Song zunächst in den USA zum Hit wurde und erst mit Verzögerung auch in Deutschland Bekanntheit erlangte. Doch wie kam es dazu, dass Ace Tee, die bürgerlich Tarin Wilda heißt, kurzzeitig zur gefragtesten deutschen Musikerin in den USA seit Rammstein wurde?

Alles fing mit einem Tweet einer kanadischen Twitter-Userin an, die das Video zu Bist du down? postete und schrieb: „The new TLC are German, pass it on“. Zuvor bekam es nur geringe Aufmerksamkeit auf kleinen Musikblogs. Man bedenke es war das Jahr 2016, die Playlisten der Musik-Streaminganbieter waren noch nicht so professionell wie heute. Doch mit dem Tweet ging das Video viral, vor allem in Nordamerika.

Inspirationen aus den 90ern

Kurz darauf folgte ein Interview mit Ace Tee in der amerikanischen Ausgabe des Modemagazins Vogue. Dort verriet die Hamburgerin mit ghanaischen Eltern, dass das weibliche R’n‘B Trio TLC eine große Inspirationsquelle für Bist du down? war. Die Protagonist*innen in Ace Tees Video tragen vor allem Baggy Klamotten, bunte Farben, große Ohrringe – unzweideutige Verweise auf die 1990er-Jahre.

Der Song selbst beschleunigt den Retrogeist des Videos. Ein sich langsam aufbauender Beat auf einem sanften Synthesizer-Bett und Lo-Fi Drums prägen den Song. Das blumige, aber dennoch langsame und eingängige Klangbukett erzeugt eine Intimität, die sich durch den gesamten Song trägt. Es wird sofort klar, warum 90er-R’n’B-Fans diesen Song lieben.

Empowernde Messages

Ace Tee selbst nutzt in diesem Song eine Mischung aus Rap und Gesang. Dabei wiederholt sie oft die Frage „Bist du down?“ was so viel bedeutet wie „Bist du bereit?“ oder „Bist du am Start?“. Die Frage wird im Text eingesetzt, um romantische Botschaften zu vermitteln: „Ey Baby, sag' mir, bist du down für ein Date? / Nur du und ich / Scheiß auf Flexen mit scheiß Geld / Lass uns spazier'n geh'n, kommunizieren ohne WhatsApp“.

Aber auch empowernde Botschaften werden in dem Song transportiert:
Ich seh', du hast 'ne Trennung hinter dir, das ist okay-ay, ey
Ich fang' dich auf und geb' dir Cup positiver Vibes und kein Kopfweh mehr
Ace Tee - Bist du down?
Beachtlich ist, dass der Song eine radikale Kehrtwende in Ace Tees Karriere dargestellt hat. Zuvor veröffentlichte sie nämlich noch düsteren Rap, der an den Memphis-Rap-Sound der 90er Jahre angelehnt war. 

Im Video zu Bist du down? taucht Ace Tee in unterschiedlichen Outfits und mit verschiedenen Frisuren auf. Mal allein, mal mit Backround-Tänzerinnen – und alles ziemlich Oldschool. Dennoch wirkt die Retro-Inszenierung modern. Hierfür hat nicht zuletzt Ace Tee selbst gesorgt, die für die inhaltliche Gestaltung des Videos verantwortlich war. Nicht von ungefähr verbindet der Song daher auch eine kompromisslose Weiblichkeit mit charmanter Prahlerei.

Warum der Song erst in den USA groß wurde

Komplettiert werden die 90er-Vibes in Bist du down? durch den Feature-Gast Kwam.E. Der Hamburger Rapper ist über einen Facebook-Aufruf auf dem Song gelandet und rappt in klassischer MC-Manier, was dem Song eine neue Ebene der Lockerheit verschafft.  

Aus ästhetischen Gesichtspunkten ist Bist du down? ein popkulturelles Produkt, das es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung in Deutschland so noch nicht gab. In den USA hingegen schon. Das ist möglicherweise ein Grund, warum der Song erst dort groß werden musste, um anschließend in Deutschland Anklang zu finden.

Ace Tee hat es geschafft, die deutsche Sprache cool und lässig klingen zu lassen. Und dass obwohl die deutsche Sprache in den USA vor allem als hölzern wahrgenommen wird. Das setzt Bist du down? auch von Songs wie Du hast von Rammstein oder 99 Luftballons von Nena ab – deutschsprachige Titel, die Hits in den USA waren, aber „typisch deutsche“ Merkmale hatten. Was auch immer das in 2024 zu bedeuten hat.