Ausstellung
Transforming Imagination: Afghan Art Between Tradition and Rebellion

Parwana Haydar - Foot ache
© Parwana Haydar

mit Werken von Shiraz Fazli, Parwana Haydar & dem AVAH Collective, Qeas Pirzad, Shamayel Shalizi und den ArtLords

Galerie Eigenheim Weimar

Die Ausstellung "Transforming Imagination: Afghan Art Between Tradition and Rebellion" zeigt die von Armeghan Taheri konzipierte Ausstellung "Afghan Futurism: Transforming Imagination" sowie das Streetart-Kunstwerk des Kunstkollektivs ArtLords in der Galerie Eigenheim Weimar. 


AFGHAN FUTURISM: Transforming Imagination 

Die Arbeiten der Künstler*innen umfassen eine historische und zugleich traumartige kulturelle Ästhetik, die einen Blick nach vorn und gleichzeitig einen Blick zurück ermöglicht. In dieser Spannung zwischen Tradition und Rebellion, die sowohl als Referenz als auch als Maske dient, werden neue emanzipierte Wahrheiten außerhalb der dominanten Kulturnarrative geschaffen. Gemeinsam versuchen die Künstler*innen, eine kollektive Vision für die Zukunft zu entwickeln, die sich aus den Erfahrungen der afghanischen Diaspora ableitet.  

Werke

Shiraz Fazli: تکھ تکھ تکھ می شوم (I break apart) 
 
Traditionelle afghanische Kleidungsstücke werden aus gemusterten Stoffen, Spiegeln, Perlenarbeiten und Stickereien zusammengesetzt. Sie können auch mit hängenden, perlenbesetzten Talismanen verziert sein, die gul-e-peran genannt werden und als solche dem Körper sowohl physischen als auch psychischen Schutz bieten. تکھ تکھ تکھ می شوم (I break apart) ist ein Wandteppich, der aus einer Auswahl gefundener Materialien besteht. Stoffstücke, Reissäcke, Stoffpuppen, Gemälde, gebrauchte Kleidung, Spiegel, Perlen und Pailletten fügen sich zu einer Collage zusammen, die an traditionelle afghanische Textilarbeiten erinnert und den hybriden Charakter der afghanischen Kunstformen reflektiert. 

Qeas Pirzad: The daybreak of utopia 
  
When the rainfall washes away the last cries of despair 
And the sun rays dry the last tears of sorrow 
  
The smiles emerge from each corner of the land 
From the westernmost point of Herat to the farthest east of Badakhshan 
Lighting up the dark and forgotten homes 
  
Calling the forsaken ones to return 
Because the sun is rising in our home 

Parwana Haydar: Foot ache 

"Foot ache" ist eine Videocollage eines KI-generierten jungen afghanischen Mädchens, das auf Trümmern zur traditionellen Rahmentrommel Daira tanzt - vor dem wechselnden Hintergrund leerer, opulenter Hochzeitssäle in Kabul. In den glitzernden, kitschigen und hochmodernen Hochzeitssälen von Kabul, Afghanistan, existiert eine isolierte Form der Befreiung für die wenigen Glücklichen, die unter dem aktuellen Taliban-Regime zu Hochzeitszeremonien eingeladen werden. Frauen tragen ihre schönsten Kleider aus Chiffon in verschiedenen Farben und drehen sich im Rhythmus von Kassetten und klassischer afghanischer Musik. In diesem vorübergehenden Raum des Tanzes und der Freude mag afghanischer Futurismus existieren, während draußen auf den Straßen Kabuls für viele Frauen, die gezwungen werden, formlose Gewänder zu tragen, und die seit Kurzem von Universitäten verbannt werden, eine Dystopie bleibt.

Shamayel Shalizi: جنگ چریکی / جیپ چروکی (Transliteration: Jang Chirki/Jeep Cherokee; Translation: Guerilla Warfare/ Jeep Cherokee) 
 
Dieses Werk ist Teil einer Serie von großformatigen Gemälden, die sich mit den Jahren nach der US-Invasion in Afghanistan und einer der Rechtfertigungen für diese Invasion befassen: die Rettung afghanischer Frauen vor afghanischen Männern. Da Shamayel in diesen Jahren in Kabul aufgewachsen ist, möchte sie die Dichotomie der Hypo-Sexualisierung und der Hyper-Sexualisierung der afghanischen Frauen hervorheben. Das Gemälde verwendet erkennbare Symbole wie den von den Amerikanern und ihren Verbündeten installierten Überwachungsballon, der über Kabul hing und die Bürger*innen von Kabul jahrelang beobachtete; es gab keinen Zentimeter in Kabul, wo man den Augen der Unterdrücker entgehen konnte, eine entmenschlichende und unwürdige Erinnerung an das Leben unter Krieg und Besatzung. Die im Hintergrund abgebildeten Narkotika-Häuser - Architektur, die mit Opiumgeld gebaut wurde - dienen dazu, die Mitglieder der Oberschicht der afghanischen Gesellschaft zu würdigen, die am Ausverkauf ihres Landes und ihres Volkes beteiligt waren und die mit den Unterdrückern, der Habgier und dem Exzess zusammenarbeiteten, sowie einige der verborgenen Wahrheiten über die wahren Gründe für diese Besatzung. Gleichzeitig finden sich in dem Werk auch Symbole, die darauf hinweisen, dass Afghanistan bereits vor 2001 jahrzehntelang ausgebeutet und vom Ausland beherrscht wurde. Und schließlich gibt es Symbole, die die Stärke des afghanischen Geistes veranschaulichen und zeigen, dass dieser Geist sich immer durchsetzen wird. 
 

Künstler*innen:

Shiraz Fazli ist eine in Brooklyn ansässige Künstlerin und Pädagogin. In ihrer Arbeit verbindet sie Textilien mit Malerei, um Kleidungsstücke, Puppen und Wandteppiche zu schaffen, die eine Perversion afghanischer Motive, Sprache und Traditionen darstellen. Sie stellt Humor und Absurdität in den Vordergrund, die sich daraus ergeben, dass sie mit einem afghanischen Hintergrund im imperialen Kernland aufgewachsen ist, und hinterfragt die vorherrschenden Vorstellungen von der afghanischen Opferrolle. Als Künstlerin und Pädagogin nutzt sie Afghanistan als Ausgangspunkt für künstlerische und historische Untersuchungen. 2019 hat Fazli ihr Studium der Middle Eastern Studies am Bard College absolviert und hat ihre Kunst unter anderem in der Living Gallery, der ReflectSpace Gallery und im The Documentarian Mag ausgestellt.  

Qeas Pirzad setzt sich in seiner Kunst kritisch mit der Schaffung von personalisierten Realitäten auseinander. Als Nachkomme afghanischer Einwanderer in den Niederlanden hat Pirzad schnell die Fähigkeit erlangt, die kontrastreichen Lebenswelten innerhalb und außerhalb seiner Heimat zu besetzen. Viele seiner Arbeiten spiegeln die Offenbarung des Künstlers wider, seine eigene Realität zu definieren. In seiner Kunst reflektiert und dekonstruiert Pirzad gesellschaftliche und familiäre Einflüsse auf seine Existenz. Dabei drückt er sich als multidisziplinärer Künstler durch verschiedene Medien wie Öl auf Leinwand, digitale Collage, Skulptur, Poesie und Performancekunst aus.  Die traumähnlichen Kompositionen von Pirzads Projekten laden Betrachter*innen zu einer visuellen Reise ein, die keine Grenzen kennt. Er hofft, dass diese Reise ein Katalysator für das eigene Erwachen der Betrachter*innen ist. 

Parwana Haydar ist eine in London ansässige Filmemacherin und Kuratorin. Sie hat einen BA-Abschluss in Sozialanthropologie und Persisch von der SOAS, University of London. Sie ist Absolventin der Other Cinemas Filmschule und der South London Gallery's Re:Creative Filmschule. Ihre künstlerische Praxis ist von Persönlichem geprägt, das von strukturellen und globalen Themen wie Vertreibung, Krieg und Trauer überschattet wird. Ihre Filme und Installationen erforschen die Lücken zwischen Realismus, Surrealismus und Spekulation. Sie ist Stipendiatin des deutschen Hanse Wissenschaftskollegs, wo sie den Auftrag erhielt, einen Film für die Städtische Galerie in Delmenhorst zu entwickeln und zu drehen, der sich mit dem Thema Kindheitserinnerungen auseinandersetzt. Sie ist Mitglied des Afghan Visual Arts and History Collective (AVAH), einem unabhängigen kuratorischen Forschungskollektiv und einer Multimedia-Plattform für Künstler*innen aus Afghanistan und der afghanischen Diaspora. Ihre Videoinstallation Internet Archiving, die sie in Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedern des AVAH-Kollektivs entwickelt hat, ist eine Videocollage der digitalen Archivkultur Afghanistans, die die klaffenden Löcher der vom Krieg zerrissenen Geschichte Afghanistans kommentiert. Die Collage ermöglicht, kritisch über die materielle Realität unserer gegenwärtigen Kultur und Narrative nachzudenken. Internet Archiving wurde auf dem Fotofestiwal in Lodz, Polen, vom 15. bis 18. Juni ausgestellt.

AVAH (Afghan Visual Arts & History) ist ein unabhängiges und globales Forschungskollektiv und eine Multimedia-Plattform. Es entstand aufgrund des Mangels an verfügbaren Informationen und langfristigen Initiativen zu den historischen und zeitgenössischen Praktiken mit Ursprung in Afghanistan oder im Zusammenhang mit Afghanistan. Durch das Sammeln von Kunstgeschichten, die Kontextualisierung von Praktiken und die Schaffung eines professionellen Netzwerks will AVAH wichtige Ressourcen schaffen, die zum Verständnis der Vergangenheit beitragen und die aktuelle Generation von Künstler*innen und Kulturschaffenden im In- und Ausland ausrüsten.

Shamayel Shalizi ist eine afghanische Multimedia-Künstlerin und Gründerin der Schmuck- und Bekleidungslabels Blingistan, das sich auch in den Bereichen Communitybuilding und Wissensvermittlung engagiert. Shamayel Shalizi engagiert sich in verschiedenen Grassroot-Organisationen in Afghanistan und ist Co-Moderatorin des Podcasts Diaspora Passing, der darauf abzielt, die Beziehungen innerhalb der globalen afghanischen Gemeinschaft zu stärken. Im November 2021 veröffentlichte sie eine Gedichtsammlung mit dem Titel Shut Up/ چپ باش/ Заткнись. Zudem nutzt sie Malerei, Fotografie, Videografie und Installationen, um Themen wie Identität, Trauma, Imperialismus, Krieg, Vertreibung und Heimat zu ergründen.  

RE-set: Art in Exile

Werk

Das Kunstkollektiv ArtLords hat im Rahmen des mehrtägigen Eröffnungsfestivals Afghanistan des Goethe-Institut im Exil ein Mural unter Partizipation von Künstler*innen, Festivalbesucher*innen und Vorbeigehenden erschaffen. Das Motiv des Murals verweist auf die tragische Situation von Frauen und Mädchen, die in Afghanistan nicht mehr im öffentlichen Leben willkommen sind. Es erzählt von der Gefangenschaft afghanischer Frauen und Mädchen und ihren Träumen. 

ARTLORDS

Das Kunstkollektiv ArtLords wurde im Jahr 2014 gegründet. Es ist eine globale Basisbewegung von Künstler*innen, die von dem Wunsch angetrieben sind, den Weg für sozialen Wandel und Verhaltensänderungen zu ebnen, indem sie die „Soft Power" von Kunst und Kultur als nicht-invasiven Ansatz nutzen. 
 
Omaid Sharifi ist Künstler, Präsident und Geschäftsführer der Wartists und ArtLords und Stipendiat der Harvard University. Omaid Sharifi ist Vorstandsmitglied von CIVICUS, sowie Vorstandsmitglied und Alumni des Millennium Leadership Programms des Atlantic Council und Preisträger des Global Pluralism Award. 
 
Kabir Mokamel war schon früh von der Kunst und der Vielfalt künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten fasziniert. Zu Beginn seines Kunstschaffens ließ sich Kabir von seinem kulturellen Erbe und seinen eigenen Erfahrungen inspirieren. Seine Kunstwerke befassen sich mit Politik, Religion, Geschichte, Vertreibung und Identität. Mit seinen zum Nachdenken anregenden Bildern und seiner Symbolik lädt Kabir Betrachter*innen zur Selbstreflexion ein und fördert so ein tieferes Verständnis für die Welt um uns herum. Seine Kunst dient als Katalysator für den Dialog, stellt Vorurteile in Frage und regt zu konstruktiven Gesprächen an. Mit seiner Kunst möchte Kabir das Bewusstsein schärfen, den Dialog anregen und einen positiven Wandel in der Gesellschaft bewirken. 

Begleitprogramm

Begleitend zur Ausstellung erwartet die Besucher*innen das Kurzfilmprogramm "Khirkee Stories" des Simurgh Centre in Neu-Delhi. Die vier Kurzfilme, die im März 2022 Rahmen eines Workshops mit der Regisseurin Zamarin Whadat entstanden sind, portraitieren Delhis Straßen und Bewohner*innen aus der Perspektive der afghanischen Gemeinschaft.

Daneben ist eine Auswahl einschlägiger Gegenwartsliteratur, wie das Magazin "What`s Afghan Punk Rock, Anyway?", sowie ein vielfältiges Radioprogramm mit Beiträgen afghanischer Kunstschaffender, die beim Eröffnungsfestival Afghanistan des Goethe-Institut im Exil mitgewirkt haben, zu finden.

Ausstellungseröffnung 23.08.2023 um 19 Uhr
Öffnungszeiten Do. – Sa. 16 – 19 Uhr und nach Vereinbarung
Kontakt team@galerie-eigenheim.de

Die Ausstellung "Transforming Imagination: Afghan Art Between Tradition and Rebellion" findet in Kooperation mit der Galerie EIGENHEIM Weimar/Berlin mit freundlicher Unterstützung der Kulturstiftung des Freistaates Thüringen im Gärtnerhaus des Weimarhallenparks statt.

Details

Galerie Eigenheim Weimar

Asbachstraße 1
99423 Weimar